Ausgerechnet der Wiener-Jubiläums-„Tatort“ (Eisners 50. Fall) beeindruckt mit herausgehobener Belanglosigkeit und transphoben Klischees.
Jede/r ist eine bessere Mutter, wenn die biologische Mutter eine Prostituierte ist, oder? Das scheint sich zumindest Janko (Max Mayer) zu denken, der wenig durchdachte und dennoch überkonstruierte Bösewicht im Wiener Tatort: Die Amme, der am Sonntag um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird.
Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) von der Wiener Polizei müssen jedenfalls in dem Mord an der jungen, sich prostituierenden Mutter Jana Gruber (Susi Ramberger) aufklären. Gleichzeitig hat der Täter oder die Täterin ihren Sohn entführt und Eisner und Fellner vermuten, dass sie, wenn sie die für die Tat verantwortliche Person finden, auch den entführten Jungen retten können. Es entspinnt sich eine Suche nach einer lange profillosen Frau, die sich am Ende als ähnlich profilloser und vielmehr neurotischer Mann entpuppen wird.
Ohne zu viel vorwegzunehmen: Die Story funktioniert nicht. Und das nicht nur, weil sie von transphoben Klischees durchsetzt ist, sondern auch weil sie langweilt. Wir sind es von dem österreichischen Ermittlerduo zwar gewohnt, dass sich Fälle teils langsam aufbauen und eine gewisse Zeit für die Konstruktion einer Vorgeschichte in Anspruch nehmen. In Die Amme funktioniert dieser Aufbau allerdings nicht so richtig. Das liegt vor allem an den Charakteren und deren klischeehaften Merkmalen.
Während zwar Harald Krassnitzer seine Rolle als Moritz Eisner gewohnt halbwegs solide spielt, bleibt er dieses Mal überwiegend ohne seine manchmal „offenherzige“ Art, mit der er sein Gegenüber gerne einmal um einen halben Kopf kürzer macht. Seine meist recht einnehmende Kollegin Bibi Fellner fängt das durch ihre charmante Unbedarftheit oft sehr gut ab, aber auch sie geistert irgendwie durch diese Folge. Geplagt von einer unerklärlichen und am Ende auch nicht wirklich aufgelösten Schlaflosigkeit (immerhin findet sie am Ende den verdienten Schlaf, wie übrigens auch ein Teil von uns; davon am Ende mehr) irrlichtert ihre Figur durch die Folge, setzt auch den einen oder anderen wichtigen Impuls für die Ermittlungen, aber wirkt dennoch irgendwie immer abwesend.
Noch mehr Baustellen werden in der Figur des Täters aufgemacht. Sein Motiv bleibt bis zum Ende im Dunkeln und auch so manche seiner Wesenszüge. Er trägt zum Beispiel im Kontakt mit dem entführten Jungen stets Frauenkleider und eine Perücke, teils macht er dies auch in der Öffentlichkeit, aber unregelmäßig. Ob er das aber aufgrund einer transsexuellen Neigung tut oder aufgrund einer psychischen Störung (Norman Bates bestellt Grüße) und dem Wunsch, dem Jungen eine Mutter zu sein (Norma Bates lässt grüßen) oder nur als Verkleidung, um von der Polizei nicht entdeckt zu werden, bleibt völlig im Unklaren. Dies gilt auch für seinen Drogenkonsum: Dieser wird nebenbei langsam eingeführt und soll den Charakter vermutlich irgendwie definieren. So richtig klappt das aber nicht, denn wir sehen nicht, welche Rolle die Sucht in diesem Zusammenhang wirklich spielt. Und ob dieses jenes bedingt oder umgekehrt.
Auch wenn der Fall gegen Ende dann doch noch ein wenig Spannung aufnimmt, ist der Wiener Tatort: Die Amme eine der schwächsten Folgen seit Längerem – und das nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass es in den letzten Wochen einige dominante Frauen– und Mutterfiguren in Tatort und Polizeiruf gab. Die sich hier zu addierenden, nicht sehr zielgerichtet erzählten Charaktere taugen nicht für eine gute Story. Dass ein Teil von uns beim Gucken eingeschlafen ist, lässt sich also nicht nur mit der zugegebenermaßen vorhandenen Müdigkeit begründen, sondern vor allem damit, dass dieser Fall die Zuschauerinnen und Zuschauer einfach nicht fesselt und überzeugt.
Tatort: Die Amme läuft am 28.3.2021 um 20:15 Uhr im Ersten und ist anschließend für 30 Tage in der ARD-Mediathek verfügbar.
Tatort: Die Amme; Österreich 2021; Regie: Christopher Schier; Drehbuch: Mike Majzen; Kamera: Thomas Kürzl; Musik: Markus Kienzl; Darsteller*innen: Adele Neuhauser, Harald Krassnitzer, Hubert Kramar, Christian Scherrer, Max Mayer, Eric Emsenhuber, Andrea Wenzl, Christian Strasser, Sophie Aujesky; Laufzeit: ca. 89 Minuten; Eine Produktion des ORF, hergestellt von Prisma Film- und Fernsehproduktion; Lizenzerwerb der ARD Degeto für die ARD.
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