„Aufgegeben wird nur ein Brief“ 

Gefürchtet, gehasst, geliebt: Charles Eismayer, berühmt-berüchtigter Ausbilder beim Österreichischen Bundesheer. Auch Regisseur und Autor David Wagner fürchtete sich vor „dem härtesten Schleifer beim österreichischen Bundesheer“, als er selbst dort 2001 Rekrut gewesen ist. Groß die Geschichten über dessen Härte, Unnachgiebigkeit, auch Grausamkeit — nicht wenige vormalige Rekruten sind noch jahrelang, ja bis heute traumatisiert. Knapp 15 Jahre später stolpert Wagner erneut über diesen Charles Eismayer, der sich am 31. Januar 2014 mit seinem vormaligen Rekruten Mario Falak in Galauniform im Kasernenhof verpartnert hat.

EISMAYER!

Aus dieser Geschichte hat Wagner nun einen Film gemacht, der passend schlicht Eismayer heißt und im Verleiht von Salzgeber im Mai in der Queerfilmnacht zu sehen ist, bevor er am 1. Juni regulär in den Kinos startet. Eismayer handelt davon, wie eben dieser auf Falak trifft. Jener scheint zuerst eine Art Antagonist für Eismayer zu sein: Gerade geoutet, hat der selbstbewusste Deutsch-Kroate, im Film hervorragend von Luka Dimić verkörpert (der mit Karin Hanczewski und Eva Meckbach #actout initiierte), mit diversen Vorurteilen und Gegenwinden zu kämpfen. 

© Salzgeber & Co. Medien

Diesen begegnet er mal forsch, mal wütend, selten zieht er sich zurück. Da trifft er mit Ausbilder Charles Eismayer, fantastisch gespielt von Gerhard Liebmann, auf genau den Richtigen. Ein scheinbar gefühlloser Macho, der außer Brüllen nur eisiges Schweigen zu kennen scheint. Im Kontrast dazu steht jedoch der Eismayer, der im Umfeld seiner Familie (Julia Koschitz als Ehefrau Christina und Lion Tatzber also Sohn Dominik) eher kleinlaut auftritt. Der Eismayer, der im Umfeld der Kaserne Sex mit Rekruten hat. Der Eismayer, der plötzlich nicht brüllt.

Mensch, Eismayer!

Wagner, der das Buch zu seinem Eismayer nach ausführlichen persönlichen Gesprächen mit Charles Eismayer und Mario Falak sowie diversen Rekruten im Rahmen der Druckwerkstatt München-Steiermark 2018 — 2019 schrieb, hat mit seinem Langfilmdebüt in der Tat etwas so Besonderes geschaffen, wie es die reale Geschichte eben ist: „Zwei Soldaten finden zueinander, in einer Welt, in der alles dagegen spricht“, sagt er dazu im Pressegespräch und kompakter lässt sich das nicht zusammenfassen (der ebenfalls großartige Film Firebird lässt grüßen). 

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Dass das militärische Umfeld ein so hierarchisches wie machistisches ist, dürfte für die wenigsten eine Neuigkeit sein. Vor gut über zwanzig Jahren erst recht, ob nun in Deutschland, Österreich oder eben, nun, weltweit. Das durften wir vor vielen Jahren schon im beeindruckenden israelischen Film Yossi & Jagger von Eytan Fox oder eher kürzlich in Moffie des südafrikanischen Regisseurs Oliver Hermanus schmerzlich erfahren. Auch Eismayer ist an nicht wenigen Stellen schmerzhaft. Ebenso häufig jedoch auch getragen von charakterstarken Momenten, Ruhe, Introspektion und gar nicht selten trockenem Witz.

Authentizität, Eismayer!

Gedreht wurde an vielen Originalschauplätzen, was dem zwar nicht kühl aber rationell inszenierten Film sehr guttut. Dazu kommen die konzentrierten Bilder von Kameramann Serafin Spitzer, „ein pazifistischer Künstler und Filmakademie-Absolvent, der mit Disziplin und Genauigkeit ans Werk geht“, wie Regisseur Wagner sagt. Es wirkt durchaus beeindruckend-erschreckend, wenn Eismayer Rekruten im historischen Kasernenhof anbrüllt. Im Kontrast zum stimmlichen Lärm erklingt häufig die reduzierte Musik von Eva Klampfer.

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Dabei ist Eismayer keine ausschließliche Bearbeitung des Themas Homofeindlichkeit im Militär und toxischer Männlichkeit. Ebensowenig „nur“ eine Liebes- oder Coming-out-Geschichte. Nein, in seinem gnadenlos guten Drehbuch verknüpft Wagner auf kurzer Länge (der Film geht nicht einmal 90 Minuten) alles mit allem. Dies, erstaunlicherweise, ohne dass der Eindruck entstünde, hier käme etwas wesentlich zu kurz. Diverse Nominierungen (u. a. Queer Lion der Internationalen Filmfestspiele von Venedig 2022) und Preise (u. a. Preis der Filmkritik und Publikumspreis Filmfestival Max Ophüls Preis 2023) sprechen dafür, dass alles, das angerissen wird, ausreichend verständlich ausgeführt wird.

Liebe, Eismayer!

Wobei verständlich relativ ist, denn das Österreichische ist an mancher Stelle schon ähnlich hart wie die Ausbildung und der militärische Ton selbst (David Wagner: „Alle Darsteller in meinem Film haben diese Sprache und eine kurze militärische Ausbildung als Vorbereitung für den Film kosten dürfen/müssen.“). Untertitelt wird (jedenfalls in der der Presse zur Verfügung stehenden Version) nur das Kroatische, in dem Falak flucht, wenn er mal wieder als „Tschuch“ verunglimpft wird. Dafür verstehen wir umso besser, wie die Blicke zu deuten sind, die Falak zugeworfen werden, genau wie Eismayer. Vor allem aber jene, die die beiden einander widmen, ob nun zu Beginn oder zum Ende.

Das dann in der Tat so berührend wie einer romantischen Komödie tauglich ist. Wer hier nicht vielleicht doch ein Tränchen verdrückt, ist vermutlich auch nicht weniger kalt als der berüchtigte Eismayer

AS

PS: Hier gibt es noch ein interessantes Interview mit den beiden „echten“ Charles Eismayer und Mario Falak aus dem Jahr 2014. 

Eismayer ist im Mai im Rahmen der queerfilmnacht im Kino zu sehen — Termine findet ihr hier

Eismayer; Österreich 2022; Buch und Regie: David Wagner; Bildgestaltung: Serafin Spitzer; Musik: Eva Klampfer („Lylit“); Darsteller*innen: Gerhard Liebmann, Luka Dimić, Julia Koschitz, Anton Noori, Karl Fischer, Christopher Schärf, Thomas Momcinovic, Thomas Otrok, Stan Steinbichler, Matthias Hack; Laufzeit ca. 87 Minuten; FSK: 12; Eine Produktion der Golden Girls Film mit Unterstützung des Filmfonds Wien, Österreichisches Filminstitut, Filmstandort Austria, Land Niederösterreich (Abteilung Kunst und Kultur), Land Steiermark Cine Art (Abteilung Kultur, Europa, Sport) in Zusammenarbeit mit dem ORF Film/Fernseh-Abkommen in Koproduktion mit ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE, im Verleih von Salzgeber

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