„Der Jäger muss jagen“

Viel wurde geschrieben über die vierte Staffel der schwulen Datingshow Prince Charming. Also so allgemein. Nicht unbedingt bei uns, fanden wir die ersten acht Folgen doch eher so lala. Aber gesprochen wurde viel darüber. Also drüber, warum diese Staffel nicht allzu toll sei, viel gestaged und gescripted wirke. Und über Belästigungsvorwürfe beim lesbischen Schwesterformat Princess Charming.

Gesegnet mit Pool und Schotter

Dabei war bis vor einer Woche noch nicht einmal das Finale der vierten Staffel um Prince Fabian gelaufen. In das hatten es nämlich seine beiden Herzbuben Tim und Sebastian geschafft. Der bis zum Schluss etwas verschlossener wirkende Dennis und der nicht allzu verschlossene, sondern durch den poolgesegneten Schottergarten stöhnende Philippe mussten bereits im Halbfinale Goodbye sagen.

Tim und Sebastian also. Sebastian und Tim. Die beiden Jungs, auf die es bereits seit einer Weile hinauszulaufen schien, hatten es nun ins Finale um Fabians Herz geschafft. Und das besteht klassischerweise aus verschiedenen Elementen. Tim durfte aufs erste Einzeldate mit anschließender Übernachtung. Er begleitete Fabian zum auf einen Katamaran und am Strand wird es noch einmal kuschelig.

Prince Fabian (l.) und Tim // Foto: © RTL

Anschließend gab es wie üblich ein tolles Essen, ein kleines Häuschen am Strand, an dem die beiden am Tag darauf ihr Pärchenfrühstück einnahmen. Harmonisch, liebevoll, einträchtig wirkte das alles. Der Abschluss war zwar von dezentem Kitsch geprägt – eine Nachricht am Strand verstecken (was, wenn ein homophober griechischer Fischer die findet? Der kann sie ja vermutlich nicht mal entziffern…) – aber gut, wir sehen halt eine Datingshow.

Das übliche Bäumchen wechsel dich-Spiel

Und nun: Bäumchen wechsel dich. Tim muss zurück, Fabian hat ein Date mit Sebastian. Sie gehen zum Parasurfing (oder so etwas in der Art) mit anschließender Übernachtung im Glamping-Zelt. Öfter mal was anderes, aber den beiden scheint es gefallen zu haben. Nach einem entspannten Aufwachen ist aber auch für Sebastian Schluss. Zumindest für das Date, das aber ebenfalls recht harmonisch und gut verlaufen zu sein scheint.

Prince Fabian (l.) und Sebastian // Foto: © RTL

Rein datetechnisch ist es also – anders als in der Vergangenheit – schwierig, ein Urteil zu treffen. Von den Bildern, die wir gesehen haben, lässt sich kein Rückschluss auf die Entscheidung des Prinzen ziehen. Beide Dates schienen gut verlaufen zu sein, es gab keine komischen Situationen oder einfach das Gefühl, dass eines der Dates besser oder schlechter gewesen sei. Und auch die anderen Rituale – ein Brief der beiden Finalisten an Fabian, die Telefonate der jeweils in der Villa Gebliebenen (wieso stand die Zeit bei Tims Telefonat mit seiner Mutter denn kurzzeitig auf ca. einer Stunde und elf Minuten? Ging das Telefonat so lang?) oder eine kurze Abwägung des Prinzen – ließen keine Rückschlüsse auf seine spätere Entscheidung zu.

Metaxa und Kränkungen

Umso spannender war diese also. Und auch wenn wir hier selbst eine Woche nach Ausstrahlung nicht spoilern wollen: Dem unterlegenen Kandidaten ist seine Enttäuschung merklich anzusehen – verständlich. Wir haben schon lange niemanden mehr gesehen, dem seine Gesichtszüge so schnell entglitten sind, dessen Hände solch reflexartige Bewegungen gemacht haben und der so – nicht zu Unrecht – gekränkt nach pflichtschuldiger Umarmung von dannen ziehen musste. Das dürfte auch für Fabian ziemlich viel Wasser in seinem Metaxa (wer trinkt das eigentlich?) gewesen sein.

Tim (l.) und Prince Fabian // Foto: © RTL

Kommen wir somit zur Reunion, die gestern bei RTL+ lief. Zu Gast bei Moderatorin Lola Weippert sind Prince Fabian, die beiden Finalisten Tim und Sebastian sowie Mantra-Philippe und die beiden Dennisse. Wobei gerade bei dem langhaarigen Dennis immer wieder betont wird, dass er (unsere Worte) so etwas wie die Puffmutter der Kandidatenvilla gewesen sei und zu allen – inklusive Fabian – ein ganz besonderes und freundschaftliches Verhältnis gepflegt hätte. Aha, wieso hat uns RTL+ das nur in neun Folgen nie so wirklich gezeigt?

Abwesende Pisser und Sklaven

Egal, es geht in der Reunion natürlich nochmal um alles. Also fast. Denn große Teile der Jungs sind ja nicht da. Debatten wie „Porschepisser“ Joel und seine Sklaven oder Marcus und sein von den meisten anderen im Haus abweichendes (und dennoch akzeptables) Verhältnis zur Queerness finden nicht mehr oder nur noch in kurzen Zusammenschnitten statt. Schade eigentlich, hier hätte es in der Tat einige Punkte aufzuarbeiten gegeben. Oder zumindest etwas zu lachen.

V.l. oben: Dennis S., Philippe, Tim; v.l.unten: Dennis O., Sebastian, Lola Weippert, Prince Fabian // Foto: © RTL

Denn ansonsten wirkt der Humor dieser Reunion eher wenig lustig. Fabian und seine Entscheidung werden noch einmal rekapituliert, er und die beiden Finalisten dürfen sich ausführlich äußern. Die Dennisse erzählen ein bisschen außenrum, einer scheint zwischenzeitlich mit einem anderen Ex-Kandidaten angebandelt zu haben. Philippes ekstatische Momente werden noch einmal ausführlich vorgebracht, was aber eher wie ein eingeschobener Werbeblock für die Workshop-Tätigkeit des Belgiers wirkt.

Durchwachsen bis ganz zum Schluss

Ähnlich wie bereits der Rest der Staffel wirkt auch diese Reunion ganz arg nachbearbeitet und gescripted, die Schnitte sind teils sehr, sehr komisch und lassen uns vermuten, dass hier zwanzig Leute noch einmal Hand angelegt haben, um alle als wesentlich erachteten Themen unterzubringen. Das geht auf Kosten der Diskussion und Debatte und somit der Authentizität der gesamten Veranstaltung.

V.l.: Jonny, Srira, Philippe, Nico, Alessandro, Dennis O., Marcus, Alexander, Dennis S. (in der Auftaktfolge) // Foto: © RTL

Wie bereits eben hinsichtlich Dennis‘ Rolle in der Villa angemerkt, auch hier wird nicht ganz klar, wo die Macherinnen und Macher hinwollen. Manchmal eine Diskussion ein wenig laufen zu lassen, ist vielleicht ganz gut. Andererseits: Welche Diskussion? Diese Reunion bestand eher aus der Aneinanderreihung von Statements und eine wirkliche Interaktion fand leider kaum statt. Schade.

Vorgeschobene Entschuldigung?!

Prince Fabian // Foto: © RTL

Schade ist auch ein letzter Punkt (Achtung, jetzt folgt ein Spoiler): Fabian und der siegreiche Kandidat sind kein Paar. Fabian scheint die einwöchige Beziehung telefonisch beendet zu haben und seine Entschuldigung hinsichtlich der Form wirkt vorgeschoben. Haltet uns für altmodisch, aber auch im Zeitalter der Insta-Kandidaten sollte mensch so etwas doch besser persönlich machen.

Noch besser: Noch während es zwischen Fabian und seiner Nummer Eins lief, nahm er Kontakt zu Nummer Zwei auf. Hat da etwa jemand die falsche Entscheidung getroffen? Der Verdacht liegt nahe. Jedenfalls sollte auch daraus nichts werden, denn – und damit beschließen wir diese Analyse und diese doch sehr durchwachsene Staffel mit einem Ausspruch von Nummer Zwei: „Der Jäger muss jagen.“

Eure queer-reviewer

Seit dem 29. September 2022 gibt es wöchentlich eine neue Folge der vierten Staffel Prince Charming bei RTL+; das Finale wurde am 24. November gezeigt, eine Wiedersehensfolge am 1. Dezember. 

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert