Die Prinzessin, ihre Vögel und das Hack

„Nichtsnutziger, dummer Diener!“ Nach allem, was mensch hört, könnte auch König Charles III. (formerly known als der ewige Prinz Charles) schon so manch einen Bediensteten entsprechend angegangen sein. Ob er aber auch bereits Menschen, die seine Wünsche nicht erfüllt haben, den Kopf abhacken ließ, das ist nicht überliefert.

Die Blutprinzessin hingegen ließ so einige Köpfe rollen. Gar so viele, dass ihr irgendwann die Diener im mittlerweile blutrot gefärbten Kaiserreich ausgingen und sie erst eine Menge ihrer dreihundertneunzig Paar Schuhe, achthundertzwölf Hüte (auch hier könnten wir wieder die britischen Royals, aber ach, was soll’s…) und fünfzig Schlangenledergürtel veräußern musste, um sich neue Diener ranzuschaffen.

„Hack. Hack. Hack.“

Nur um sie dann gleich wieder zu köpfen? Nein, nein, es hatte schon alles Hand und Fuß, wenn’s eben auch kopflos war. Es ging dabei um Reisen, die zu einem einzigen Zweck vorgenommen wurden: Der Prinzessin zuerst die seltensten Vögel zu bringen, beispielsweise solche mit gläsernen Flügeln oder einem Korallenschnabel – also die heutzutage klassischen Neustädter Zooexemplare nebst sprechendem Elefanten -, und zuletzt, törööö, einen sprechenden Vogel, den sie in ihren 101., den goldenen, Käfig setzen könnte.

Forderungen, so rational wie jene eines Putin // © Carll Cneut/Bohem Press

Bei Misserfolg der Expedition oder Unzufriedenheit der Prinzessin mit dem herbeigeschafften Exemplar hieß es „Hack. Hack. Hack.“ Zu lesen ist das alles in der 448 Seiten starken Biografie, die eine dunkle und bislang unbekannte Epoche des Hauses… Ach nein, stopp, falsch! Zu lesen ist das im 48 Seiten starken belgischitalienischen Kinderbuch Der goldene Käfig oder die wahre Geschichte der Blutprinzessin mit einem Text von Anna Castagnoli und mit Illustrationen des legendären Carll Cneut, das bereits 2015 bei der Schweizer Bohem Press erschienen ist und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war. 

Illustration als Krönung

In der leicht fließenden Übersetzung von Ulrike Schimming ist die vom Verlag passend als „dramatisch-poetisches Märchen“ bezeichnete Geschichte um die missmutige und missgünstige Prinzessin Valentina auch ein frühes Lesefest für Kinder oder ein Vorlesehigh für Kinder wie Eltern. Eines, das auch in der Textoptik ansprechend ist, denn hier sehen wir nicht immer nur schnöden Drucktext (wobei schnöde böse ist, ist auch dieser auf dem cremefarbenen Papier dezent grün gesetzt), sondern immer wieder Worte und Sätze in Schreibschrift.

Wir machen ja „Narc“ statt „Hack“… // © Carll Cneut/Bohem Press

Neben der faszinierenden und wirklich auch für Kinder ansprechenden und verständlichen Geschichte um Macht und Machtmissbrauch, Obsession und Wahnsinn (die mit einer schönen Pointe Castagnolis aufwartet, dazu aber gleich mehr) und dem gesetzten Wort, sind natürlich die Illustrationen von Carll Cneut die Krönung von Der goldene Käfig. Diese lassen den großformatigen, gebundenen und mit Halbleinen ausgestatteten Prachtband auch weit über ein Kinderbuch hinaus relevant sein, darf er doch gut und gern als Kunstband bezeichnet werden.

Und die Moral von der Geschicht… ihr erkennt sie oder nicht

Die Bilder, die der Belgier Cneut hier zum Text schafft, sind eine Wucht, sprechen auch gern für sich. Nicht nur verknüpft er die mannigfaltige Vogelwelt mit der der verängstigen Diener*innen, die ebenfalls sehr verschieden sind, sondern integriert viele kleine Details – mal grausige, mal sehr witzige – und lässt Farben und Schraffuren aus- oder ineinanderfließen, gern auch in die Flora eintauchen. Natürlich ebenso immer wieder die Prinzessin und eine Auswahl ihrer diversen Hüte, die deutlich machen, dass eine fröhliche Garderobe noch lange nicht auf eine fröhliche Person schließen lässt.

Malerische Wucht in der Entstehungsphase // © Carll Cneut/Bohem Press

So bilden Text und Bild in Der goldene Käfig eine kraftvolle Melange, die noch lange nachwirkt und vor der Eltern ihre Kinder in keinem Fall abschirmen sollten. Ja, die Geschichte ist zielstrebig und zuweilen brutal. Doch erinnern wir uns an klassische Märchen und Sagen. Zudem gibt es eine Moral, die jedoch anders daherkommen mag, als viele es sich denken. Am Ende jedenfalls ist alles eine Frage des Vertrauens und der Geduld, was wir daraus machen, ist unsere Sache. Buchstäblich. 

AS

PS: Die Liebe zu Vögeln ist nachvollziehbar

Anna Castagnoli (Text), Carll Cneut (llustrationen): Der goldene Käfig; 2. Auflage, 2016; Aus dem Italienischen von Ulrike Schimming; Hardcover, Halbleinen mit Farbprägung; 48 Seiten, durchgehend farbig illustriert; Format: 26,0 x 34,0 cm; ISBN: 978-3-95939-016-3; Bohem Press; 28,95 €

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert