The Cologne Cheese Grater Massacre

— oder — Im Kino hört dich jeder schnarchen

Von Alexander Schütz

Wer Horrorfilme mag, ist ein guter Mensch. Davon war ich schon immer überzeugt und bei den diesjährigen Fantasy Film Fest Nights konnte ich mich davon wieder einmal überzeugen. Einmal sind da die Leute im Kinosaal, denen man die Begeisterung für das Genre im Besonderen und Kino im Allgemeinen wunderbar anmerkt, dann der wahnsinnig sympathische Moderator, der ein Highlight vor jedem gezeigten Film ist und natürlich die Angestellten des schönen Residenz Kinos in Köln, die weder Popcorn noch Nachos verkaufen (toll!) dafür aber leckere Cocktails zur Beruhigung der mitunter sehr strapazierten Nerven mixen (noch viel toller!). Nachdem ich mit meinen beiden liebsten Festival-Buddies wieder vereint war, ging es auch schon los.

Käsereiben und Vogelscheuchen

Am Einlass wurde jede*r mit einer Minikäsereibe bewaffnet, denn der Eröffnungsfilm ließ wieder die Teufel tanzen. Evil Dead Rise wurde gezeigt und war der perfekte Start in das Festival. Lee Cronin hat seine Hausaufgaben gemacht und liefert eine Blut-Party par excellence ab. Inhaltlich bewegt man sich, mit Ausnahme des neuen Ortes, auf alten Pfaden, jedoch strotzt der Film nur so vor herrlichen, blutigen und skurrilen Ideen und sorgte für einen bestens gelaunten Kinosaal und konnte sogar mich, als eher mäßigen Fan des Franchise, rückhaltlos überzeugen. Persönlich empfinde ich ihn sogar als besten Film der Reihe. Alyssa Sutherland gibt als dämonisch besessene Mama wirklich alles und ist tatsächlich creepy. Und ja, die eingangs erwähnte Käsereibe hat einen kleinen aber schön unangenehmen Auftritt und ist somit ein willkommenes Gimmick und Sammlerstück für die Filmsammlung.

Direkt mal ein Highlight und es soll nicht das letzte gewesen sein, denn die Nights 2023 waren ein verdammt starker Jahrgang. 

*klopfklopf* – Mami ist da // © Warner Bros. Germany

Für mich ein echter Lieblingsfilm war dann Pearl, das Prequel zum letztjährigen Festivalliebling X, und Ti West schafft es, den Vorgänger zu toppen. Mia Goth (unfassbar gut) spielt sich in schönstem Technicolor die Seele aus dem Leib. Egal ob sie mit einer Vogelscheuche tanzt, sich heimlich erotische Filme in einem Lichtspielhaus anschaut oder mit einer Axt zum Befreiungsschlag ausholt, sie macht immer eine gute Figur. Pearl ist ein blutiges Märchen über (weibliche und sexuelle) Befreiung, das aber nie schwer daherkommt, sondern so leichtfüßig wie ein richtig altes HollywoodMusical. Pearl ist ein Star und wenn sie das nachdrücklich auf einer Bühne proklamiert, möchte ich ihr einfach nur zujubeln. Ein perfekter Film. Pflichtprogramm.

Feminismus und Minimalismus

Von einem feministischem Horrorfilm zum nächsten. Nightsiren von der jungen slowakischen Regisseurin Tereza Novotová ist ein hartes Brett. Die Geschichte einer jungen Frau, die in ihr Heimatdorf zurückkehrt und sich mit fanatischer Religiosität und tief verwurzelten patriarchalen Strukturen konfrontiert sieht, ist für mich ein kleines, überraschendes Meisterwerk. In wunderschönen Bildern vor ebensolcher Natur entspinnt sich eine Geschichte mit ungeahntem Sog. Die Frauen sind unangepasst, ordnen sich nicht unter, haben eine Vergangenheit, also müssen sie Hexen sein. Dafür sollen sie brennen. Ein eindrücklicher Beweis, dass der nachhaltigste und aktuellste Horror fast immer von Frauen inszeniert und geschrieben wird. Anschauen!

Eine Nightsiren // © Busch Media Group

In Monolith trägt sogar eine einzige Frau einen kompletten Film auf ihren Schultern. Nach Evil Dead Rise gab es ein Wiedersehen mit Lily Sullivan. Sie spielt eine Podcasterin, die einer Verschwörung auf die Spur kommt. Monolith ist ein Film, wie ich ihn liebe und wie für mich gemacht. Eine Darstellerin, eine Location, maximale Spannung. Diese wird dann auch tatsächlich (fast) ausschließlich über Dialoge am Telefon transportiert. Oft habe ich das Gefühl, dass solche Reduzierungen in der Inszenierung der Erzählung zu Gute kommen und die Macher*innen zwangsläufig kreativer werden müssen. Hier ist das der Fall und Monolith ist ein Film geworden, den ich bestimmt noch sehr oft und sehr gerne anschauen werde.

Angstschweiß und Neonflut

Nun zu meinem absoluten Höhepunkt, der aber gleichzeitig ein Film ist, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn mir jemals wieder anschauen kann oder möchte. Skinamarink beginnt sehr ruhig. Sehr, sehr ruhig. Nach der ersten halben Stunde konnte man ein lautes, herzhaftes Schnarchen im dunklen Saal vernehmen, was für einige Erheiterung sorgte. Das sollten aber für die nächsten 70 Minuten die einzigen Lacher bleiben, denn es wurde unheimlich. Und ich meine so richtig „Ich-halte-mir-die-Hände-vor-die-Augen-zittere-und-hoffe-dass-es-bald-vorbei-ist“ unheimlich. Skinamarink ist der furchteinflößendste Film, den ich seit The Blair Witch Project gesehen habe und in den ganzen 24 Jahren, die ich Horrorfilme konsumiere, war ich noch nie so kurz davor, den Kinosaal vorzeitig zu verlassen. Aus purer Angst! Diesen Film schaut man nicht, man erfährt ihn am ganzen Körper. Er bedient die kindliche Urangst vor der Dunkelheit, dem, was da in der Ecke und unter dem Bett lauert, kriecht einem in Augen und Ohren und trifft dann mit den perfekt platzierten Jump scares bis tief ins Mark und lässt sein Publikum schweißgebadet zurück, dankbar, dass am Ende die Beleuchtung im Kino wieder angeht.

Im Neonlichte: New Religion // © Reel Suspects

Da ich ja sowieso ein Herz für Außenseiter habe, möchte ich noch einen Film erwähnen, der es leider ein bisschen schwer hatte. New Religion aus Japan lief als letzter Film des Festivals, was leider immer ein recht undankbarer Zeitpunkt ist, und kam auch gefühlt nicht ganz so toll an. Für mich jedoch war er ein einziger Rausch. Ich liebte alles an ihm und er vereinte alles, was ich am japanischen Genrekino so schätze. Als hätte Kiyoshi Kurosawa eine Gemeinschaftsarbeit von Haruki Murakami und Koji Suzuki verfilmt. Ein stiller Alptraum in höchst verstörenden Neon-Bildern. Wunderschön und schmerzhaft.

Geht ins Kino

So, das waren meine Highlights der diesjährigen Fantasy Film Fest Nights. Wobei es echt knapp ist, denn bis auf zwei Gurken bestand das komplette Programm aus richtig starken Beiträgen. Aber ich überlasse es euch selbst, diese zu entdecken. Lobend erwähnen will ich noch: New Normal, The Elderly, Talk to me, Kids vs. Aliens, Sisu und Smoking causes coughing. Haltet nach diesen Filmen Ausschau, sie sind sehr sehenswert, alle auf ihre Art aufregend und spannend. 

Es reicht! The Elderly // © Lighthouse Home Entertainment

Somit auf Wiedersehen, bis September, dann eine Woche lang. Ich freue mich wieder verängstigt, verstört und unterhalten zu werden. 

Geht ins Kino, unterstützt Filmemacher*innen, schaut euch Horrorfilme an, sie helfen mit dem ganz realen Horror fertig zu werden. 

Unser Gastautor Alexander Schütz wurde 1985 geboren und ist gelernter Buchhändler – und Horror-Enthusiast in jeder Form. Auf Instagram betreibt er die Kanäle bookhouse_boy_from_twin_peaks und lets_scare_alex_to_death

Tickets und Termine für den September gibt es hier.

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