Völlig gleichgültig, ob man im Laufe des Jahres 2016 zu denen gehörte, die der Meinung waren, Donald Trump, „der orangene Mann“, würde auf gar keinen Fall zum 45. Präsidenten der USA gewählt werden oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eben doch: Dass mit Donald Trump eine ganz andere Art von Typ ins Weiße Haus ziehen würde und das politische Weltgefüge einigermaßen durcheinander bringen würde, davon konnte ausgegangen werden.
Diese Klarheit haben auch die beiden Hauptprotagonisten in Richard Russos Parabel Sh*tshow, Ellie und ihr Ehemann David. Die beiden liberalen, gut situierten, pensionierten Akademiker wollen nicht so recht glauben, was sich da am Wahlabend ereignete. Insbesondere Ellie hadert mit der Situation, alles scheint ihr fremd zu werden. Ähnlich sehen es die beiden Ehepaare, mit denen Ellie und David befreundet sind, die Schuulmans und die Millers, auch wenn man sich selbst in der Freundschaft ein wenig entfremdet hat. Außerdem scheint es so, als hätte da doch einer Trump gewählt. Und als Ellie dann noch eine „beachtliche orangefarbene Fäkalienwurst“ im Whirlpool findet, ist die Welt endgültig aus den Fugen geraten.
Szenisch & präzise
Richard Russo schafft es auf kurzer Strecke uns sehr konkret in die Welt von – primär – linksliberalen, ökonomisch recht sorgenfreien Amerikanern zu ziehen, die der Bildungselite angehören. „Links“ ist in diesem Zusammenhang auf die amerikanische Interpretation bezogen. Insbesondere an Ellie wird deutlich, wie die Zertrümmerung vermeintlicher Gewissheiten Leben und alltägliches Wirken durcheinander bringen können. Dass jemand, wie sie vermutet ein Trump-Wähler, ihr Eigentum quasi mit Scheiße überzieht, steigert das nur. Wobei Russo auch deutlich macht, dass schon zuvor einiges in ihrem Leben nicht mehr ganz rosig gewesen sein wird.
Die „Entknotung“ von ihrem Mann David, und ihr passiv-aggressives Verhalten, wie auch sein Unvermögen die Gefühlslage seiner Frau richtig einzuschätzen und sich dabei in seiner eigenen Gedankenwelt zu verrennen, ist so präzise hintergründig dargestellt, dass man meint, im Grunde hätten sie nur darauf gewartet, dass etwas so Erschütterndes wie die Wahl Trumps passieren möge, um endlich ein Ventil finden zu können.
Zuweilen fühlt man sich ein wenig in die Welt von Diane Lockhart in The Good Fight versetzt. Die Ungläubigkeit darüber, dass das, was geschehen ist, doch unmöglich geschehen sein kann, kombiniert mit einer gewissen elitären Arroganz: Wie können Menschen nur so etwas tun? Und, ähnlich wie in den jüngeren Folgen o. g. Serie, gibt es auch in der Sh*tshow am Ende einen Twist, der die Absurdität auf die Spitze treibt und doppelbödig die Selbstgewissheit hinterfragt.
Die kurze Geschichte sei gerade jetzt, da eine mögliche Wiederwahl Trumps bevorsteht, empfohlen. In Zwischentönen gibt Russo auch uns Europäern und Deutschen einen feinen Einblick in die amerikanische Seele. Im Grunde eine Pflichtlektüre für alle jene, die einem aus einem sehr deutschen Blickwinkel erklären wollen, warum Trump sicherlich kein zweites Mal gewählt werden wird. Man kann ja nicht erneut danebenliegen, was?
AS
Eine Leseprobe findet ihr hier.
Russo, Richard: Sh*tshow; 1. Auflage 2020; 80 Seiten; Hardcover; ISBN: 978-3-8321-8144-4; Übersetzung aus dem Englischen: Monika Köpfer; DuMont Buchverlag; 10,00€; auch als eBook erhältlich
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