Ein Mord und viel Manipulation – Liebesgrüße aus dem Kreml

Beitragsbild: Treffen sich ein Rabbi (Florian Kleine), ein Diplomatin (Natalia Wörner) und ein russischer Botschafter (Wladimir Tarasjanz) auf einem Empfang… // © ARD Degeto/Roland Suso Richter

Wir schrieben ja schon das eine oder andere Mal, wie Kunst so Leben imitiert und dass die Kunst dann und so weiter… Oder fing eigentlich das Leben an, die Kunst zu imitieren? Egal, darum soll es hier nicht gehen. Gehen soll es um die heute Abend laufende Folge der in dieser viel zu Fuß gehenden Diplomatin Karla Lorenz aka Natalia Wörner. Die Mord in St. Petersburg betitelte Folge spielt dann auch dort, wo es sich vermuten lässt: In Berlin und seinem Brandenburger Flughafen.

Das ist insofern gar nicht so weit hergeholt und irreführend, als dass die deutsch-russischen Beziehungen nicht nur schon immer besondere und teils und vor allem aktuelle besonders komplizierte waren und sind, sondern ebenso, da so wenige russische Morde ja nun auch nicht auf Berliner Boden stattfinden. Allegedly. Angeblich versuchen „die Russen“ gerade die deutsche Demokratie zu ermorden, wie es zuletzt erst wieder berichtet wurde.

Karla Lorenz (Natalia Wörner, li.) kümmert sich um Manja Petrow (Rena Harder) // © ARD Degeto/Roland Suso Richter

Und bumms, da sind wir bei Die Diplomatin – Mord in St. Petersburg. Geht es in diesem fünften Film der Reihe um die von Natalia Wörner verkörperte Karla Lorenz doch um einen Mord, der zwar in St. Petersburg stattfand, von dem aber erstmal noch niemand weiß. Zuerst wird ein langjähriger Freund von Karla am Flughafen BER entführt, zurück lässt dieser Tochter Manja (Rena Harder) samt Karlas Nummer auf ihrem Arm.

Alle kümmern sich um was

So bekommt diese einen Anruf von der Polizei, da sei ein Kind mit ihrer Nummer und nun… komm’se halt. Karla, eigentlich im Heim-Urlaub bevor es zur neuen Stelle nach Rom gehen soll, kommt, lässt ihren ebenfalls urlaubenden Partner Jan Horava (Alexander Beyer) mal kurz allein in ihrer Wohnung. Schnell stellt sich heraus, dass Manja die Tochter von Nikolaj Petrow (Beat Marti) ist. Einem deutsch-russischen Journalisten, der an einer großen Story über russische Wahlmanipulationen dran zu sein schien. Die Russen haben ihn entführt und in ihre Botschaft verbracht. Karla kümmert sich gemeinsam mit der BND-Beamtin Anna Weimer (Anna von Haebler) – die gute Kontakte zum russischen Geheimdienst FSB (vormals KGB) pflegt – und dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Michael Wagner (Thomas Heinze), um die Hintergründe der Entführung, während Jan sich um Manja kümmert.

Jan (Alexander Beyer) kümmert sich um Manja (Rena Harder) // © ARD Degeto/Roland Suso Richter

So. Dies ist also der erste „Fall“ für Karla Lorenz im heimischen Berlin und sie ist stark eingeschränkt, da sie eben mal nicht als die titelgebende Diplomatin in Funktion agiert, sondern eher so als Hilfestellung im AA. Natürlich hilft es da auch, dass sie mit dem Staatssekretär per Du ist (was sinnvoll ist, ist sie doch mit dem amtierenden Außenminister liiert… ach nee, das ist die Schauspielerin Wörner in der Realität). Jedenfalls kennen die sich gut, im Gegensatz zu ihrem Serien-Erzfeind Burkhard von Dorssen (Michael Ihnow), der hier wieder ein Bibi-Blocksberg’sches-Comic-Relief liefert und manche Unglaubwürdigkeit so augenzwinkernd ziehen lässt und den Staatssekretär siezen muss. 

Zudem kommt es im Zusammenspiel mit von Dorssen immer zu einigen der besten Sätze von Karla Lorenz, beispielsweise wenn sie sagt: „Wissen Sie was, das ist aber nicht mein Problem. Sie können doch nicht ständig mit so einem Nölton zu mir kommen.“ Das ist fein und passt in der Tat dazu, dass die Sendung Politik und ihre Verschachtelungen nicht im Elfenbeinturm-Ton erzählen will. Turmhoch werden dafür all die Verstrickungen innerhalb der Geschichte, wobei es weit weniger persönliche Verquickungen gibt als im letzten Fall in Prag. Was gut ist, endete der doch nach gutem Aufbau in einem Desaster von nahezu unfassbar dämlichen und den Zuschauenden den Mittelfinger zeigenden Soap-Ausmaßen.

Undurchsichtige Spannung

Apropos Mittelfinger: Wessen länger ist, dieses Spiel spielen hier auch Lorenz und der bald in den Ruhestand gehende russische Botschafter Sergej Bellousow (Wladimir Tarasjanz – übrigens ein viel zu selten in deutschen Produktionen auftauchender Darsteller). Da hätten wir uns mehr Momente gewünscht. Auch hier funktioniert das Drehbuch von der Diplomatin-Debütantin Rebecca Mahnkopf ganz fabelhaft, lässt es doch lange, laaaange im Unklaren, was die Motive des Botschafters sind – ist er Ausführender, wie weit gehen seine eigenen Interessen, wird er auch im Dunklen gelassen – und somit auch, was Trick und was echte Aufklärungshilfe im Fall des Mordes in St. Petersburg ist. Denn die Botschaft kommt mit der Info, sie hätten Kolja wegen des Mordes an seiner Frau, einer renommierten Journalistin, festgenommen. 

Karla Lorenz (Natalia Wörner) kümmert sich um Burkhard von Dorssen (Michael Ihnow) und Michael Wagner (Thomas Heinze, re.). // © ARD Degeto/Roland Suso Richter

Aber dann: Wieso kein Auslieferungsgesuch? Gute Frage, nächste Frage. Hier ist dann wieder dieses Vertrackte und wir sind bei Kunst und Leben und Imitation: Die Russen planen in die anstehenden Wahlen einzugreifen. Sie planen die deutsche Öffentlichkeit zu manipulieren (beziehungsweise tun sie es bereits… aber das Ausmaß!). Also in der Tat war Kolja an einer Geschichte dran, aber womöglich ist er in der Tat auch ein Mörder. 

All dem muss sich Karla mit Hilfe eines ihr nur bedingt vertrauten (und vertrauensvollen) Teams widmen, dieses Mal auch ohne Nikolaus Tanz (Jannik Schümann), dem wir in Rom hoffentlich wieder begegnen werden. In Mord in St. Petersburg begegnen wir jedoch auch wieder dem einen oder anderen gewohnten Logikloch, das nichts damit zu tun hat, dass Fiktion nicht Realität abbilden muss, sondern mit „es fehlt ein Halbsatz zur Erläuterung“. Kolja hat jahrelang nicht mit Karla gesprochen, aber ihre Handynummer – als eine sicherlich nicht uneingeschränkt private Person – ist seit Jahren die selbe geblieben? Und auch wenn sie hier wieder mehr Instinkt beweist als in Prag, geht ihr doch an mancher Stelle die Kombination von eins und eins verloren (und ja, mit Berliner Abi wäre die Lösung natürlich sieben). 

Politik ist wichtig

Ein großes Verdienst von Die Diplomatin als Reihe wie auch des aktuellen Teils im Besonderen ist es allerdings, die Menschen ein wenig mehr an außenpolitische Gegebenheiten und Notwendigkeiten heranzuführen. Denn was die Reihe noch nie tat, war es Schuldige immer in dem Anderen bzw. dem Fremden zu suchen, sondern in der Tat auf diplomatisch notwendigen Austausch zu verweisen. Das ist wirklich klasse. 

Natalia Wörner sagte dazu, dass, als der Film entstand, der Tiergarten-Mord schon Thema war (eine „Zäsur im deutsch-russischen Verhältnis“ nennt sie es) und auch klar war, dass die Bundestagswahlen stattfinden würden. Aber gedreht wurden dann „noch bevor der Fall Nawalny – und andere Ereignisse, die diesen Film nach dem Entwicklungs- und Produktionsprozess in eine Aktualität setzen – geschah. Diese Entwicklungen konnten wir nicht antizipieren.“ Das ist schon krass und zeigt eigentlich auch, wie viel uns vielleicht unterbewusst doch klar ist, was die Wirkmacht und den Willen russischer Einflussnahme angeht. 

Die BND-Beamtin Anna Weimer (Anna von Haebler) und Rest kümmern sich um die politisch knifflige Lage. // © ARD Degeto/Roland Suso Richter

Einfluss nimmt jedoch auch wieder der Soap-Moment. Das Finale auf dem Teufelsberg, was symbolisch solide ist, lässt Lorenz mal wieder in eine selbstverschuldete, nicht zu ihrer starken Figur passenden, extrem blöden Situation landen, sicherlich vor allem um Oma Hildes Puls nochmal hochzujagen. Das hätte nicht sein müssen. Sich hier auf die Kraft der zuvor auch teils subtil wirkenden Dialoge zu verlassen und mit einem Duell der Worte zu beenden hätte gereicht. Manchmal ist weniger mehr und weit diplomatischer. 

Dennoch ist Die Diplomatin – Mord in St. Petersburg wirklich gutes Fernsehen, zumeist enorm spannend und gut getimt, samt vieler toller Berlin-im-Februar-Eindrücke (danke, das hier niemand über die Oberbaumbrücke fahren musste, um von Spandau nach Mitte zu kommen), primär tollen schauspielerischen Leistungen und einer wichtigen Message: Interessiert euch mehr für (internationale) Politik. 

AS

PS: Kann bitte Agent Alex Nikitin (Philippe Reinhardt) ein Spin-Off bekommen? 

PPS: Zehn Stück Zucker, von nun an immer.

PPPS: Die Diplomatin – Mord in St. Petersburg war übrigens der erste Film, der am neuen Berliner Flughafen BER gedreht wurde.

PPPPS: Politik – da!

Die Diplomatin – Mord in St. Petersburg läuft heute Abend um 20:15 im Ersten und ist bis zum 18. März 2022 in der ARD-Mediathek verfügbar.

Die Diplomatin – Mord in St. Petersburg; Deutschland 2021; Regie: Roland Suso Richter; Drehbuch: Rebecca Mahnkopf; Musik: Chris Bremus; Darstellende: Natalia Wörner, Alexander Beyer, Beat Marti, Anna von Haebler, Thomas Heinze, Michael Ihnow, Philippe Reinhardt, Alessija Lause, Valery Tscheplanowa, Wladimir Tarasjanz; Laufzeit ca. 90 Minuten; Eine Produktion der UFA Fiction im Auftrag der ARD Degeto für die ARD

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