Nichts Gutes passiert auf dem Weg nach Busan

O, du meine liebe Gewaltspirale — welch wunderbare Ausmaße du doch annehmen kannst! Aufmerksam gemacht von unserem Gastautoren Alexander Schütz aka bookhouse_boy_from_twin_peaks, der den südkoreanischen Kracher Project Wolf Hunting kürzlich als Deutschlandpremiere auf den Fantasy Filmfest — White Nights sehen konnte, war es keine Frage, dass wir nach guten Erfahrungen mit den südkoreanischen Aggressionsuntersuchungen im Horror-Genre diesen besprechen würden. Und herrjemine — was sollte ich nicht enttäuscht werden…

„Wie kommt es, dass du immer voller Blut bist?“

…allerdings zeichnet sich der Film von Hongsun Kim eher dadurch aus, dass er von ungerührter, scheinbar willkürlicher Gewalt erzählt und weniger sozialkritische Töne anschlägt. Allerdings muss nun nicht jeder Film aus Südkorea eine blutige Studie menschlicher Abgründe sein. Davon abgesehen, lassen sich auch im seit heute im Verleih von capelight pictures in unseren Kinos laufenden Project Wolf Hunting durchaus Elemente entdecken, die die Frage aufwerfen, was Mensch und Tier eigentlich so trennt. Ich behaupte mal: Tiere sind emphatischer

Alle an Bord! // © capelight pictures

Das Grundkonstrukt des zweistündigen Blutrauschs ist recht schnell erläutert: Nachdem die Philippinen ein Auslieferungsabkommen mit Südkorea geschlossen haben, soll eine mittelgroße Gruppe von vorrangig brutalen Schwerverbrechern, die in dem Inselstaat untergetaucht waren, nun ausgeliefert werden. Nachdem der Versuch, dies via Flugzeug zu tun, schon vor Beginn bombig scheitert, wird der zweite Anlauf auf dem Seeweg gewagt. Hierfür wird der Riesenfrachter „Frontier Wolf“ mal eben zweckentfremdet.

Begleitet werden die Gefangenen von supererfahrenen Polizist*innen, unter ihnen der Einsatzleiter Oh Dae-woong (Dong-il Sung) und die Polizistin Lee Da-yeon (Jung So-Min). Dae-woong scheint eine Vergangenheit mit dem ganzkörpertätowierten Vollzeitsadisten Park Jong-doo (Seo In-Guk) zu verbinden. Natürlich ist nicht nur den versierten Zuschauer*innen klar, dass diese Überfahrt, die vom Zielhafen in Busan aus durch eine vom undurchsichtigen Lee Seok-woo (Park Ho-San) geleitete Spezialeinheit überwacht wird, nicht reibungslos verlaufen dürfte…

„Project Wolf Hunting… Wie billig.“

…so kommt es, wie es kommen muss und die Gefangenen meutern und kapern. Die Bewacher*innen sind in erster Linie überrumpelt und die Crew sowieso. Jedenfalls die Teile, die nicht ohnehin mit den Gefangenen unter einer Decke stecken. Und was ist eigentlich mit dem schweigsamen Lee Do-il (Dong-Yoon Jang), über den selbst der Sadist Jong-doo sagt, er sehe unschuldig aus, sei aber ein eiskalter Killer? Wir werden es herausfinden.

Peng, peng! Peng! // © capelight pictures

Denn der hier beschriebene Teil bildet nur die erste von mehreren Handlungsebenen oder passender Windungen, die diese Spirale aus Blut so nimmt. In diesem Zusammenhang soll gar nicht allzu viel darüber verraten werden, wer hier womöglich welche Rolle spielt, wer aus dem vermeintlichen Nichts auftaucht, wieso Schönheitswahn tödlich sein kann und weshalb das auch irgendwie alles mit der japanischen Besatzung Koreas zusammenhängt, deren Folgen wir bis heute weltweit spüren (Ah! Eben doch gesellschaftskritisch!)… 

„Diese Panik im Gesicht… nun erinnere ich mich“

…verraten werden kann dafür allerdings, dass Alexander völlig recht hat, wenn er von einer „heiß erwarteten Schlachtplatte — ultrabrutal, Splatter und Gore galore“ spricht. Die Gewalt steigert sich mehr und mehr. Das Blut spritzt in derlei Ausmaßen, dass wir das Ganze wirklich nur als großen Spaß verstehen können (Hallo, John Wick! Der vierte Teil startet übrigens am 24. März in den Kinos, eine Rezension folgt). Das Wort „overkill“ gewinnt eine ganz neue Bedeutung und die Geräuschkulisse wenn Knochen brechen, Gedärme quellen und Gliedmaßen fliegen, tut ihr Übrigens, um Project Wolf Hunting so abgefuckt wie unterhaltsam sein zu lassen. 

Geschmackvoller Wahnsinn // © capelight pictures

Ebenso ist es durchaus ansprechend, dass die erwähnten Windungen, also Wendungen, in der absolut stimmungsvollen und für zwei Stunden auch kurzweiligen Geschichte, durchaus funktionieren — wenn mensch sich eben darauf einlässt. Und Freude dabei hat, zu sehen, wie eine Person X einfach mal mit einem eben ausgerissenen Arm erschlagen wird. Regisseur und Autor Hongsun Kim geht keinerlei Kompromisse ein. Dies lässt die Konsequenz, die No-Bullshit-Attitüde, aber auch das teilweise Verschmitzte von Project Wolf Hunting umso glaubhafter wirken. Der angedeutete zweite Teil darf als sehr gern kommen. 

JW

PS: Es gibt durchaus einiges an Eye Candy, ein wenig Homo-Kram und gar sowas wie Pissplay. Aber auch hier gilt: Ohne Blut geht halt auch beim Fetisch nix. 

Project Wolf Hunting; Südkorea 2022; Buch und Regie: Hongsun Kim; Kamera: Ju-Hwan Yun; Darsteller*innen: Seo In-Guk, Dong-Yoon Jang, Jung So-Min, Dong-il Sung, Gwi-hwa Choi, Park Ho-San, Chang-Seok Ko, Jang Young-Nam, Son Jong-hak, Moon-Sung Jung; Laufzeit ca. 122 Minuten; FSK: 18; im Verleih von capelight pictures seit dem 2. März im Kino

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