Lenskis Abschied: Schwanengesang ohne Gefühl

Beitragsbild: Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon, l.) spürt die flüchtige Täterin Louisa „Lou“ Bronski (Luzia Oppermann, r.) auf und gerät ernsthaft in Gefahr. // © rbb/Eikon/Oliver Feist

Sonntags im Januar im Ersten: Ob Tatort oder Polizeiruf 110 – 2021 ist bisher von zwei Abschieden geprägt. Am 1. Januar 2021 verabschiedete sich Lessing aus der Goethe-Stadt Weimar und am heutigen 31. Januar 2021 heißt es „Cześć!“ für Olga Lenski, die seit 2011 recht kernig von Maria Simon gespielt wird und seit mehreren Jahren zwischen Frankfurt an der Oder und Polen ermittelt. Ihr letzter Fall hat es dabei an theoretischer emotionaler Wucht und körperlicher Herausforderung in sich. Monstermutter geht kompromisslos mit allen Beteiligten um. Bleibt die Frage: Verabschiedet Lenski sich mit einem fröhlichen „Tschüss“ oder endet alles mit einen Schuss?

Das Ende kommt schleichend

Tatsächlich wissen wir es nicht. Das Ende des Polizeiruf 110 wurde auch der Presse vorenthalten, schließlich entscheidet sich hier nicht nur Olgas Schicksal. Diese ist zu dem Zeitpunkt eher unfreiwillig mit Louisa Bronski (Luzia Oppermann) unterwegs, die zuvor eine Mitarbeiterin des Jugendamtes umgebracht hat. Und zwar direkt nach dem Verbüßen einer zweijährigen Haftstrafe. Hat sie diese umgebracht, um ihre Tochter zu finden? Olga wird in die Ermittlungen einbezogen, obwohl sie eigentlich nur ihren Resturlaub abstottern wollte, bevor sie den Dienst endgültig quittiert. Das allerdings hat sie ihrem Kollegen Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) vorenthalten, der naturgemäß ordentlich angepisst ist. Hilft nichts: Dieser unerwartete letzte Fall muss gelöst werden. Das allerdings läuft stockend. Bis auf Louisas Mutter Nicole Bronski (Jule Böwe) gibt es kaum Personen, die helfen könnten, Licht ins Dunkel zu bringen und Mutter und Tochter haben ein eher nicht so enges Verhältnis. Schließlich kommen Lenski und Raczek auf den Anwalt Veith Hannwacker (Rainer Strecker), der allerdings aus gesundheitlichen Gründen nicht sonderlich kommunikativ ist…

Lenski (Maria Simon, l.) wird von ihrem Dienststellenleiter zum Leidwesen ihrer Tochter Alma (Aenni Lade, r.) aus dem Urlaub zurückbeordert. // © rbb/Eikon/Oliver Feist

Der Titel Monstermutter ist programmatisch: In verschiedenen Ausprägungen finden wir sie hier überall. Das fängt mit Olga Lenski selbst an, die im Clinch mit ihrer Tochter Alma liegt, was durchaus auch mit dem enormen Arbeitspensum der bald Ex-Kommissarin zu tun hat. Olga fühlt sich dabei sichtlich schlecht (und ist ein wenig genervt, das auch wiederum von ihrer eigenen Mutter Maria). Die gewaltbereite Louisa saß gerade erst zwei Jahre im Gefängnis, derweil ihre Tochter von Adoptiv- oder Pflegeeltern großgezogen wird und um diese nun zu finden, geht sie nicht gerade humanistisch vor. Louisas Mutter Nicole wiederum legt ein ausgeprägtes Desinteresse, absolute Resignation und ein wenig Angst in Bezug auf ihre Tochter an den Tag. Waren in der jüngst von uns besprochenen Autofiktion Das achte Kind noch die Väter eher die Raben, ist es hier unzweifelhaft, dass Nicole der jungen Louisa keine gute Mutter war. 

Nun scheint sich Louisas Mutter, die eine neue Familie gegründet hat, unsicher, ob sie ihre Tochter schützen will und ob es wirklich einen Schutz bedeutet, wenn sie dicht macht. So beißen Lenski und Raczek lange auf Granit, drehen sich im Kreis. Das hat auch Au17swirkungen auf die Story, die zeitweilig ebenso wenig vorankommt wie die Ermittelnden. Zwar wird hier einige emotionale Energie in die Waagschale geworfen, doch auch das Drama bleibt häufig an der Oberfläche, so dass auch hier durch mangelnde Tiefe irgendwann der Stillstand eintritt. 

Kleid und Tapete bilden ein Traumensemble. Außerdem: Lenski (Maria Simon, r.) und Raczek (Lucas Gregorowicz, Mitte) befragen Nicole Bronski (Jule Böwe, l.), die Mutter der flüchtigen Täterin. // © rbb/Eikon/Oliver Feist

Viele Konflikte und wenig Gefühl

Der Konflikt zwischen Lenski und Raczek nervt etwas, da Raczek zwar nachvollziehbarer Weise sauer auf Lenski ist, aber sich dann doch wie ein bockiges Kind verhält und sie damit nur spiegelt. Ist in der Konstellation nun deren Dienststellenleiter Karol Pawlak (Robert Gonera) die Monstermutter? Die „Kinder“ im Griff hat er jedenfalls nach wie vor nicht. Obwohl sie sich doch zuletzt eigentlich gut verstanden. Insbesondere nach den Ereignissen in Heilig sollt ihr sein! konnte doch von gewachsenem Verständnis füreinander ausgegangen werden?!

Insbesondere nach diesem und den zwei vorherigen Lenski-Raczek-Polizeirufen fällt Monstermutter ab. Was in Anbetracht der grundsätzlichen Schwere der Geschichte und der Sorge um das Schicksal Lenskis verblüfft. Denn sie ist uns nicht egal, nur den Weg zu ihrem Ende in der einen oder anderen Form begleiten wir mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Das sogar, obwohl es Olga auch mal wieder körperlich an den Kragen geht. Überhaupt: Die Polizeirufe schonen ihre Protagonistinnen nicht. Doreen Brasch hat in ihren letzten Fällen auch immer ordentlich abbekommen. Dennoch bleibt bei Monstermutter abzuwarten, ob die letzten fünfzehn Minuten der auf dem Papier stehenden Dramatik gerecht werden können. Bis dahin ist es ein eher dröger Schwanengesang. 

Sorge: Pawlak (Robert Gonera, r.) bespricht die akute Gefahrenlage mit Raczek (Lucas Gregorowicz, l.) und Polizeihauptmeister Wolfgang Neumann (Fritz Roth, Mitte). // © rbb/Eikon/Oliver Feist

Polizeiruf 110: Monstermutter: Heute um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Polizeiruf 110: Monstermutter; Deutschland, 2021; Regie & Drehbuch: Christian Bach; Kamera: Namche Okon; Musik: Sebastian Pille; Darsteller*innen: Maria Simon, Lucas Gregorowicz, Luzia Oppermann, Jule Böwe, Natalia Bobyleva, Petra Hartung, Robert Gonera, Fritz Roth, Klaudiusz Kaufmann, Aennie Lade, Rainer Strecker, Johannes Scheidweiler; Laufzeit ca. 88 Minuten; Eine Produktion der Eikon Media GmbH im Auftrag des Rundfunk Berlin-Brandenburg für Das Erste

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