Raquel Welch ist tot – die schönste trans*Frau aller Zeiten

Ein Nachruf von Nora Eckert

Wie bitte? Da stimmt doch was nicht. Also bitte, mit Nachrufen macht man keine Späße. Völlig richtig und richtig ist auch, sie war keine, aber sie hat eine gespielt, eine trans*Frau, ja 1970 in dem Hollywood-Film Myra Breckinridge. Sie war großartig, schlimm war nur der Film drumherum, eine Klamotte, die jede Satire zum Verstummen brachte. Bei der Filmkritik damals löste der Film das aus, was wir heute einen Shitstorm wohl nennen würden

Gute Schauspielerinnen brauchen gute Rollen in guten Filmen, um auch zeigen zu können, was sie können. Daran scheiterte es zu oft in ihrem Fall. Denn Raquel Welch, geboren am 5. September 1940 in Chicago, war ohne Zweifel eine Begabung und teilte das Schicksal so mancher Schauspielerin, die einfach zu schön war, um auch noch ihr künstlerisches Talent zeigen zu dürfen (ich denke hier beispielsweise an Marilyn Monroe). Manchmal gelang es, aber am Ende doch zu selten.

Die Rolle der Myra jedenfalls wäre wirklich grandios gewesen – eine trans*Frau, die das binäre Establishment aufmischt und endlich die richtigen Antworten auf uralte Fragen von Sexualität und Geschlecht gibt und bei der die so vielversprechende sexuelle Revolution der 1960er Jahre nicht zum buchstäblichen Papiertiger verkommen wäre, um sie als Pin-up oder Porno im Hochglanz-Magazin zu beerdigen.

Aber Schönheit ist offenbar Schicksal in der Filmbranche. Zumindest wurde Raquel Welch mit einem anderen unsäglichen Film berühmt, nämlich 1966 in Eine Million Jahre vor unserer Zeit – eine Steinzeit-Liebesgeschichte, in der sie einen Fell-Bikini trägt. Der Film war ein Publikumserfolg, anders als der Flop Myra Breckinridge. Die New York Times vom 22. Februar 1967 rühmte Raquel Welch immerhin als „ein wundervolles, atmendes Denkmal für die Frau“. Aus der langen Liste ihrer Filme lohnt es sich kaum zu zitieren und irgendwann war auch die „Sexgöttin“ nurmehr in Nebenrollen gefragt.

Natürlich hat sie den Sexismus erfolgreich für sich arbeiten lassen, anders jedoch als Barbie hatte sie Verstand und sicherlich mehr als die, die ihr die Rollen schrieben. Welche Frauenbilder damals möglich waren zeigte allerdings ein Abend in der Late Night Show von Dick Cavett von 1970, wo Welten aufeinander trafen: Janis Joplin und Raquel Welch. Welch kommentierte später das Zusammentreffen so: „Wer war ich?! Janis ließ alles raus und war so echt, „Jack Daniels“ in ihrem Stiefel versteckt, und ich versuchte, Miss Zimperlich zu sein, auch wenn mein Rock bis zu, nun ja – wirklich kurz war.“

Noch ein Wort zu Myra: Der Film, man will es nicht glauben, hatte einen wunderbaren Roman als Vorlage. Er trägt den gleichen Titel wie der Film und stammt von Gore Vidal. Der Autor hatte ihn Christopher Isherwood gewidmet. Weil Myra den Roman als Gattung für tot erklärt und es also keinen Sinn ergebe, erfundene Geschichten zu schreiben, erzählt sie einfach ihr Leben, mit dem sie „völlig außerhalb des üblichen menschlichen Wissens stehe […], denn ich bin die NEUE FRAU, deren erstaunliche Geschichte eine pikante Mischung aus vulgären Träumen und messerscharfen Tatsachen ist.“ Ihre  Mission: „die Geschlechter neu zu erschaffen und damit die Menschheit vor dem sicheren Untergang zu bewahren“. Gut, es bleibt bei Vidal eine Satire mit einem Knalleffekt zum Schluss, aber Raquel Welch war zumindest ein wenig daran beteiligt, dem „Zeitalter der Myra Breckinridge“ auf die Sprünge zu helfen. Wir bleiben dran Myra-Raquel.

Raquel Welch verstarb im Alter von 82 Jahren am 15. Februar in Los Angeles.

PS: Demnächst will ich mehr über den Roman erzählen – unter der Rubrik „Wiedergelesen“. Natürlich ist er in Sachen trans* ein Zeitdokument der späten Sechziger, aber darum keineswegs veraltet. Im Gegenteil. Der Roman belehrt uns darüber, wie wir selber erst lernen mussten, wer und was wir sind.

Nora Eckert ist Publizistin, im Vorstand beim Bundesverbandes Trans* e.V. und bei TransInterQueer e. V. und Teil der Queer Media Society

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