Zum Lachen in den Kreml gehen

Was darf Satire? Spätestens seit Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdogan vor mittlerweile mehr als acht Jahren und dem Erstarken der AfD und rechtspopulistischer Kräfte ist die Frage, wie weit Satire gehen dürfe, immer wieder im öffentlichen Diskurs präsent.

Das Thema Erdogan ist dabei ein gutes Beispiel. Ein ausländischer Staatschef wird von einem deutschen Comedian öffentlich bloßgestellt – und eigentlich wurde die Sache erst dadurch groß, dass der Mann vom Bosporus sich zu beleidigt fühlte und gegen den Bremer Stadtlyriker vor Gericht zog. Ansonsten hätte die Affäre vermutlich herzlich wenig Leute interessiert.

Brüche in der Vita

Eine wesentliche Frage, die hinter dem Prozess stand und steht: Darf mensch sich über Staats- und Regierungschefs lustig machen? In halbwegs demokratischen Ländern wie Thailand oder Kambodscha ist Majestätsbeleidigung bis heute strafbar und wird auch geahndet, von autoritären Regimen einmal gar nicht zu reden. Unstrittig ist aber wohl, dass Kritik am russischen Machthaber Wladimir Putin zu wesentlichen Bruchstellen in der eigenen Vita führen dürfte. 

Dessen unbenommen hat der bei Hamburg lebende Satiriker Gerhard Henschel im August 2023 das Buch Putins nutzlose Idioten – Die schlechtesten Fälschungen des russischen Geheimdienstes bei Hoffmann und Campe veröffentlicht. Auf rund 170 Seiten hat Henschel dort Dokumente und Texte versammelt, die bei einigermaßen klar denkenden Menschen nur Kopfschütteln hervorrufen können.

Es gibt verschiedene Arten der Fälschungen, die wir hier antreffen. Es sind beispielsweise Fake-Briefe an den Bundeskanzler oder sonstige Würdenträger, es sind Texte, die auf „Aussagen“ russischer Diplomaten rekurrieren und es ist eine ganze Breite an Putin-Glorifizierung. Der jeweilige Textteil wird hier stets durch Bilder und schlechte Fotomontagen ergänzt und es gibt sogar so etwas wie eine übergeordnete Story bzw. einen Roten Faden, der sich durch die Textteile zieht. Auch gibt es Charaktere, die an verschiedenen Stellen wiederkehren.

Was muss,…

„Darf man über Putin lachen?“, so der erste Satz in diesem Buch. Und die Antwort sollte hinlänglich bekannt sein: Ja, darf man. Zumindest hierzulande – in Russland drohen vermutlich Folter, Arbeitslager oder – vielleicht im besten Fall – ein schneller Tod. Aber muss mensch es auch? Bei Gerhard Henschels kurzem Buch ist es tatsächlich diese Frage, die sich einem aufdrängt. 

Auf der Homepage des Verlags firmiert Putins nutzlose Idioten als Sach- oder Geschenkbuch. In dem Sinne war – zumindest mir – nicht wirklich klar, welche Art Buch da vor mir lag. Vermutlich war ich zu blauäugig (Toni Morrison). Aber ich dachte ernsthaft, dass es sich hier um eine Zusammenstellung von echten Fakes handelt, über die ich genüsslich lachen könnte.

…das muss auch?

Der Titel, der Untertitel und die Aufmachung legen das zumindest nahe, zumal wir immer wieder hören, welch ausgefeilte Methoden Russland anwendet, um die Meinung im eigenen Land wie auch im Ausland zu beeinflussen. Da hören wir oft von den Trollfabriken in St. Petersburg, von Hacks gegen den Bundestag, die (traditionell ja eher kremlfreundlicheSPD oder sonstige Institutionen. Und natürlich davon, dass deutsche Politiker Geld aus Russland bekommen haben sollen, um russische Interessen zu vertreten (oder für russisches Gas zu lobbyieren).

Die Einflussmöglichkeiten sind also groß und bekannt, zumindest ein wesentlicher Teil davon. Dass dabei gerne einmal etwas schiefgehen mag oder arg plump daherkommt, das kann durchaus passieren und auch für den einen oder anderen Lacher sorgen. So war auch meine Hoffnung, als ich begann, mich Gerhard Henschels Zusammenstellung zu widmen.

Auf nen „Capputino“

Ich sollte mich in diesem Fall stark getäuscht haben und hätte vielleicht mehr auf die Kategorisierung als „Geschenkbuch“ gucken sollen. Anstatt dass es sich hier um tatsächliche Fälschungen handelt, scheint nämlich Henschel selbst sich an Photoshop gesetzt und das Konterfei Putins an die absurdesten Stellen gesetzt oder aus einem Cappuccino einen „Capputino“ gemacht zu haben.

So blöde jedoch – zumindest meine Denke – kann doch nicht einmal ein russischer Geheimdienst sein, oder? Personenkult ist schön und gut, aber Putins Kopf auf Marilyn Monroes Körper, das widerspricht ja tatsächlich jeder bei dem Diktator im Kreml so populären Abneigung gegen gendernonkonforme Vorstellungen. 

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht behaupten, dass die von Gerhard Henschel zusammengetragenen Fälschungen schlecht seien oder die Lektüre des Buches keine Freude bereite (auch wenn bei mir in der Tat nicht so ganz der Fall war). Vielmehr hatte ich offen gesagt etwas anderes erwartet, nämlich die Zusammenstellung tatsächlicher Fälschungen anstatt eines Spaßbuchs, das scheinbar vom Autoren frei erfundene Fälschungen beinhaltet.

Satire vs. Desinformation

Was mich aber ein wenig stört – und das hätte auch dem Autoren sowie den Verantwortlichen im Verlag auffallen können und aus meiner Sicht aus müssen – gerade in Zeiten der Desinformation (siehe die vorgenannten zielgerichteten Täuschungs- und Angriffsversuche seitens russischer Trolle) wäre es doch sinnvoll, gäbe es zu Beginn oder am Ende noch eine kurze Einordnung, die eindeutig klarmacht, ob es sich um „echte Fälschungen“ handelt oder um Satire. Ja, Autor Henschel fügt seinem Buch zwar ein Geleitwort bei, aber dass es sich bei dem ganzen Buch um Satire handeln dürfte, geht für mich daraus nicht hervor. 

Nur die abschließende Biografie Gerhard Henschels und mein Gesamteindruck von Putins nutzlose Idioten („Das ist so dumm, das können doch nicht mal die blödesten russischen Trolle so blöd machen“) lassen mich zu dem Schluss kommen, dass es sich hier um Satire handeln muss. In dem Sinne hat die Satire ihren Zweck dann wohl doch ein wenig erfüllt, nämlich mich komplett verwirrt und dabei allerdings den Witz und Charme vermissen lassen, den ich aus den Satiresendungen und -magazinen kenne, an denen ich mich ansonsten hin und wieder labe. Das mag an meinem Humor liegen, den das Buch nicht ganz getroffen hat, aber eben auch daran, dass ich nicht mehr wusste, wie ich die „Fälschungen“ einordnen sollte.

HMS

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Gerhard Henschel: Putins nutzlose Idioten. Die schlechtesten Fälschungen des russischen Geheimdienstes; August 2023; 176 Seiten; Hardcover, gebunden; ISBN: 978-3-455-01623-9; Hoffmann und Campe Verlag; 22,00 €

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