„Vielleicht hast Du es geträumt“

Beitragsbild: Stefan Crépon als Karl bei Probeaufnahmen für seinen Chef Peter von Kant (Dénis Menochet)

Statt einer neuen Ausgabe unserer Reihe 5 Fragen an… lest ihr heute ein Interview mit Stefan Crépon, der im vergangene Woche in unseren Kinos gestarteten Peter von Kant den schweigsamen und scheinbar stoischen Assistenten Karl der titelgebenden Figur spielt. François Ozons neuer Film ist eine Neuinterpretation der Adaption von Rainer Werner Fassbinders Theaterstück Die bitteren Tränen der Petra von Kant – unsere Besprechung lest ihr hier und ein Interview mit dem französischen Regisseur hier

Crépon beeindruckt in dem Kammerspiel – das während der Lockdown-Phase der Corona-Pandemie gedreht wurde – als schleichender, ja gleitender Assistent/Mitbewohner/Diener mit einer Performance, die vielen noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Wie er sich diese wortlose Rolle erschloss, wie die Zusammenarbeit mit Ozon und Dénis Menochet lief und was das mit Insekten zu tun hat, hat er uns im Luxushotel ZOO am Kurfürstendamm erzählt. 

„Stark, sonderbar und rätselhaft“

the little queer review: Denis Ménochet, der Peter von Kant spielt, steht seit vielen, vielen Jahren vor der Kamera, Du wiederum häufiger „erst“ seit drei, vier Jahren. Wie ist es, nicht nur mit sondern auch so jemandem entgegen oder gar gegen ihn zu spielen? Gerade in der Kombination der sehr exaltierten Rolle Peters und der zurückgenommenen Karls.

Stéfan Crépon: Für mich war es gar kein Gegen-Ihn-Spielen, sondern schon ein Mit-Ihm-Spielen, diese Figuren miteinander interagieren lassen. Das war eines der größten Geschenke für mich bei diesem Film – die Beziehung zwischen diesen beiden Figuren, Peter und Karl, ist so stark, sonderbar und rätselhaft und so viele andere Dinge. Wenn Du einen Charakter wie Karl hast, der niemals spricht, Dinge nur in Gestik und Mimik andeutet und geheimnisvoll bleibt, weil niemand weiß, was er denkt, das ist spannend.

Alles, was ich hatte, um mich auszudrücken, waren mein Körper, meine Augen und was ich auf keinen Fall wollte, war, dass es ein Witz würde. Ich wollte, dass es aufrichtig und dem Charakter gegenüber treu ist. Das alles also in dieser Beziehung der Figuren mit Denis Ménochet, der als Schauspieler schon lange Inspiration für mich war und den ich bewundere, und der mit einer Kraft und Zärtlichkeit spielt, zu schaffen, war wunderbar. Es war für mich so einleuchtend „sein Karl“ zu sein.

the little queer review: Damit hast Du im Grunde schon Teile meiner zweiten Frage vorgegriffen… Du sagst, Du sprichst so gut wie gar nicht…

Stéfan Crépon: …nein, ich spreche gar nicht, nicht ein Wort.

the little queer review: Sicher? Brüllst Du nicht irgendwann? 

Stéfan Crépon: Ja, sicher, ich sag’s Dir. Vielleicht hast Du es geträumt, aber ich mache nur diese andere Sache, sage aber kein einziges Wort. [Stéfan Crépon benennt diese Sache, aber das wäre ein Spoiler; außerdem hat er natürlich recht und wir müssen es wohl geträumt haben; Anm. d. Red.

„So habe ich den Leib gefunden“

the little queer review: Auf jeden Fall, wie Du sagtest, hast Du nur Deinen Körper und Dein Gesicht, um Dich auszudrücken und Deine Figur sprechen zu lassen. In Deinem Gesicht finden dabei eine Menge Mikroexpressionen statt, was übrigens arg beeindruckend ist. Jedenfalls kann ich mir nur vorstellen, wie komplex es sein muss, sich einen Menschen so zu erschließen. 

Karl-Darsteller Stefan Crépon und Regisseur François Ozon im Gespräch mit Heike-Melba Fendel, Barbarella Entertainment, im Rahmen der Eröffnung des Queerfilmfestivals in Berlin // © the little queer review

Stéfan Crépon: Zuerst ist es furchteinflößend. Du liest das Skript und merkst: „Ok, Dein Charakter ist immer da, in jeder Szene, sagt aber nie was…“ Wie kann ich diese Geschichte von Karl so authentisch und echt erzählen, wie nur möglich? Und das mit allem gebotenen Respekt, vor der Figur ohne dieses tolle Werkzeug namens Sprache, namens Text. 

Dann dachte ich, super, das ist eine spannende Herausforderung. Also fein, dann habe ich eben „nur“ meinen Körper, mein Gesicht, vor allem meine Augen. Dann bat François mich so zwei Monate, bevor mit dem Dreh begannen, so rätselhaft wie nur möglich zu sein, so dass niemand wissen kann, was Karl möchte – zum Beispiel möchte er Peter lieben oder töten? Oder beides? 

Dann habe ich nach Inspiration gesucht, für eine Figur, von der ich wollte, dass sie geheimnisvoll, dabei aber nicht sexy ist. Ich denke bei so etwas gern an Tiere, nutze Tiere, die für mich etwas Mysteriöses haben als Inspiration und kam so auf Schwarze Panther, Wildkatzen und so. Das war aber zu sexy. Wirklich geheimnisvoll allerdings sind Insekten und ja, so habe ich den Leib gefunden. Den etwas eigenen Körper, die Art sich zu bewegen, dabei keine Geräusche zu machen, auch nicht zu schnell. 

„Wir fühlten uns zu Hause, waren zusammen“

the little queer review: Du bewegst Dich in diesem Kammerspiel wie durch ein verschlossenes Terrain, dazu habt ihr, wie François Ozon uns verriet, im Lockdown gedreht – wie war das? Diese Enge, Nähe, Intensität, … 

Stéfan Crépon: Es war fantastisch! Zunächst einmal haben wir den Film sehr schnell abgedreht. Innerhalb von 18 Tagen; eigentlich sollten es zwanzig sein, François ist einfach zu schnell [lacht]. Und es war einfach faszinierend, die ganze Zeit gemeinsam an einem Set zu sein – zuvor hatten wir dort noch eine gute Woche Probe -, insgesamt also um die vier Wochen an diesem Ort. Das wurde sehr schnell unser Zuhause. Wir fühlten uns zu Hause, waren zusammen, in den Pausen konnten alle miteinander sprechen, all sowas. 

Peter von Kant (Dénis Menochet), Amir (Khalil Gharbia) und Karl (Stefan Crépon) // © Carole Bethuel_Foz / 2022 FOZ – France

Das half sicherlich auch dabei, diesen Film so zu machen, wie er nun ist. Außerdem haben wir, bis auf ganz wenige Ausnahmen, alles in chronologischer Reihenfolge gefilmt. Das ist unglaublich toll, weil Du immer vom letzten Punkt aus agierst. Wir mussten also „nur“ unseren Charakteren gegenüber treu bleiben und am Set die Handlung leben und schauen, wohin uns das führt.

the little queer review: Das ist ganz sicherlich eine wunderbare Art zu arbeiten. Gerade für einen Film, der so komplex und detailliert ist, ihn dann während des Entstehens immer noch etwas weiterzuentwickeln und diese Details zu formen. 

Stéfan Crépon: Absolut, das ist es. Eine großartige Erfahrung. 

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