Nicht ganz seelenlos

In einer Szene im vierten Teil des Bad Boys-Franchise Ride or Die sagt der von Martin Lawrence gewohnt überkandidelt gespielte Detective Marcus Burnett zu seinem weniger comichaften, aber nicht weniger exaltierten Parter-in-Crime-against-Crime, Detective Michael „Mike“ Lowrey (Will Smith), er habe eine kleine Seele ohne Schwanz. Daraus entspinnt sich ein Wortgefecht, das bis zu einem gewissen Punkt recht unterhaltsam ist, bis es drei, vier Sätze zu lang und später in einer schwachen Pointe erneut aufgegriffen wird.

Mike (Will Smith) und Marcus (Martin Lawrence) – immer im Einsatz // © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved. // Foto: Frank Masi

So ließe sich auch der brutal-blutige, sich im Vergleich zu den beiden Vorgängerfilmen Bad Boys for Life (2020) und Bad Boys II (2003) jedoch fast zahm ausnehmende Bad Boys: Ride or Die gut beschreiben: Alles ganz nett, doch aber irgendwie zu viel. Das Gespräch über schwanzlose Seelen und Ding-Dongs könnte auch so gedeutet werden: Das belgische Regieduo mit marokkanischen Wurzeln Adil El Arbi und Bilall Fallah aka Adil & Bilall sowie die Drehbuchautoren Chris Bremner und Will Beall wollen zeigen, dass sie den Größten haben. Nun ist bigger nicht immer better, es kommt auch auf die Technik an.

Alles wie gehabt, nur bunter

Wie seit dem zweiten Teil der abstrusen Miami-Action-Kracher-Reihe, beginnt es auch in Ride or Die, der heute in unseren Kinos startet, flippig und lustig. Es kommt zu einem unerwarteten Zwischenfall, der sich fix mit loser Zunge und ein wenig Gewalt lösen lässt. Ab geht’s zur Hochzeit von Mike und Christine (Melanie Liburd), seiner vormaligen Physiotherapeutin. Auf dieser erleidet Marcus eine Herzattacke, sieht für einige Zeit „die andere Seite“, dort auch den von Mikes Sohn Armando (*schleck* Jacob Scipio) ermordeten Captain Conrad Howard (Joe Pantoliano), der ihm sagt, dass es noch nicht seine Zeit sei.

Peng, peng, peng // © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved. / Foto: Frank Masi

Also raus aus’m Bett und quasi nackt rauf auf’s Dach. Von hier geht es direkt zum Fall, der, natürlich wie immer, schnell auch schrecklich persönlich wird. Das von Mikes Ex-Freundin Rita Secada (Paola Núñez) geführte Miami Police Department, das FBI und die Staatswanwaltschaft, angeleitet von Bürgermeisterkandidat und Ritas neuem Partner Lockwood (Ioan Gruffudd), ermitteln gegen den toten Howard. Dieser soll angeblich gemeinsame Sache mit den Drogenkartellen gemacht und dabei um die 20 Millionen US-Dollar eingestrichen haben.

Run, Will, Run // © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved. / Foto: Frank Masi

Nicht nur Mike und Marcus wissen (!), dass das nicht stimmt, sondern auch wir Zuschauer*innen. Immerhin sehen wir wie kurz zuvor der „Banker“ (Ex-Grey’s Anatomy-Heartthrob Eric Dane) das Geld transferieren lässt und dabei schon mal eine blutige falsche Fährte legt! Hui, hui! Um sich abzusichern fragen die M&M’s dennoch mal eben beim Kartell in Gestalt von Mikes inhaftiertem Sohn Armando nach – der bestätigt, dass da eine große Sache läuft. Kurz darauf gibt es ein Video vom toten Captain aus dem Jenseits (quasi wie bei NetflixDead Boy Detectives – nach einer Nahtoderfahrung kannst du Geister sehen) und die Bad Boys wissen, was zu tun ist. Den Namen ihres Ex-Chefs posthum reinwaschen und nebenher die Hintermänner ausfindig machen und erledigen.

Wischi-Waschi-Unterhaltung

Dies geschieht nach einer eher langatmigen ersten halben Stunde (die wie zum Ausgleich von unnötig wilden Kamerafahrten Robrecht Hayvaerts und hektischen Schnitten geprägt ist) schließlich für knapp neunzig Minuten vergleichsweise kurzweilig, wenn auch so vorhersehbar, wie mir die erste Sauce Hollandaise des Jahres ausflockt. Das allerdings tut vielen recht guten Actionsequenzen ebensowenig weh, wie manch durchaus gut sitzendem Witz (Stichwort: Esel). Ebenso freut das Wiedersehen mit Waffenspezialistin Kelly (Vanessa Hudgens) und Technikexperte Dorn (Alexander Ludwig).

„Bad boys, bad boys / Whatcha gonna do? / Whatcha gonna do when they come for you?“ // © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved. / Foto: Frank Masi

Dennoch ist’s irgendwie ein buntes Durcheinander von crazy Ideen, mutigen Sequenzen, Wischi-Waschi-Momenten, Cameo-Auftritten aus früheren Teilen, die mal besser und mal weniger gut funktionieren, mal plumpem, mal garstig passendem Humor, einer Bad-Boys-Und-Jerry-Bruckheimer üblichen Prise Sexismus und Menschenverachtung (aka was zählt ein Leben, wenn’s nicht die eigene Familie oder der beste Freund ist). In der recht eilig herbeinahenden finalen Ballersequenz wechseln wir mal eben in die Ego-Shooter-Perspektive, nachdem es schon Drohnenaufnahmen gab und während ein Flieger zu Boden geht, kommen Erinnerungen an das Zug-Brücken-Finale von Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One hoch (Score übrigens hier wie da von Lorne Balfe). Ein Albino-Alligator wird traktiert, weil er sein Revier verteidigt, Marcus denkt er könne nicht sterben, einen völlig überraschenden Verräter aus den eigenen Reihen gibt es, Captain Howards Tochter (blass: Rhea Seehorn) sinnt auf Rache an Armando, der wiederum wird vom kalten Killer zum melancholischen Menschen und, und, und…

Wie gesagt viel los in diesen knapp zwei Stunden, die dennoch alles in allem Freude bereiten. Wenn den Bad Boys auch die nicht nur inszenatorische Klasse eines John Wick, der hintergründige Witz eines Nobody oder die wirklich mutige Abstrusität einer Mandy abgehen, bieten sie doch verlässlich immer wieder einen halbwegs frischen Aufguss auf die immergleichen Saunasteine (es wird sehr viel geschwitzt in Ride or Die, einer der wenigen realistischen Punkte). Soll heißen: Wer bisher gern mit den Bad Boys die Regeln der Physik und des körperlich Machbaren außer Kraft gesetzt hat, wird dies hier gern wieder tun. Alle anderen dürften nur irritiert bis verärgert den Kopf schütteln. Sommerkino für Fans.

AS

Bad Boys: Ride or Die startet am heutigen 5. Juni 2024 im Kino.

Bad Boys: Ride or Die; USA 2024; Regie: Adil & Bilall; Drehbuch: Chris Bremner, Will Beall; Bildgestaltung: Robrecht Hayvaert; Musik: Lorne Balfe; Darsteller*innen: Will Smith, Martin Lawrence, Jacob Scipio, Paola Núñez, Vanessa Hudgens, Alexander Ludwig, Eric Dane, Melanie Liburd, Ioan Gruffudd, Rhea Seehorn, Tiffany Haddish, Tasha Smith, DJ Khaled, Joe Pantoliano, John Salley, u. a.; Laufzeit ca. 119 Minuten; FSK 16

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