Zwischen dir, dem Teufel und dem Tod

Obacht, wen du ein dein Leben, dein Haus und dein Herz lässt. So oder so ähnlich könnte die Quintessenz der Geschichte von The Good Liar – Das alte Böse lauten. In der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Nicholas Searle (erschienen bei Rowohlt) lernt die verwitwete Betty McLeish (Helen Mirren) über ein Online-Datingportal den charmanten Trickbetrüger Roy Courtnay (Ian McKellen) kennen. Ziel ist es, die vermeintlich einfältige Dame um ihr Vermögen zu bringen. 

Ob dies so einfach gelingen wird, ist jedoch fraglich, schließlich steigen beide gleich mit ein bis zwei Lügen in das Leben des oder der  jeweils anderen ein, noch bevor sie einander jemals zu Gesicht bekommen haben. Wie viele Lügen, Halbwahrheiten und Auslassungen die beiden einander im Laufe des Films, der am 2. August um 22:50 Uhr im Rahmen der Sommerkino-Reihe im Ersten zu sehen ist, noch zuteilwerden lassen, ist die große Frage in The Good Liar, der als leichtfüßige Gaunerkomödie beginnt und sich im Verlauf zu einem hintergründigen und doppelbödigen Thrillerdrama entwickelt.

Skrupellos und doch voller Gefühl?

Dabei schaffen es das Drehbuch von Jeffrey Hatcher und die sattelfeste Inszenierung von Regisseur Bill Condon (der mit McKellen unter anderem schon bei Gods and Monsters und Mr. Holmes zusammenarbeitete) es, uns über den größten Teil der Laufzeit launig bei der Stange zu halten und sich nicht allzu sehr in die Karten blicken zu lassen. Zwar wird schnell klar, dass McKellens Roy Courtnay mitnichten nur ein Trickbetrüger der guten alten Schule, sondern ein so gewiefter wie skrupelloser Krimineller ist. Doch genauso deutlich, wie dies ist so unklar bleibt, ob seine Gefühle für Betty, in deren Haus er zwischenzeitlich als Gast einzieht, womöglich echt sein könnten.

Stephen (Russell Tovey) begleitet Betty (Helen Mirren) nach Berlin – auch weil er Roy misstraut // © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. and BRON Creative USA, Corp. All Rights Reserved

Bei deren Enkel Steven (Russell Tovey; Looking, Years and Years, The Pass) hingegen schrillen alle Alarmglocken (und ja, es gibt eine minikleine schwule Einfügung). Zurecht wie wir Zuschauer*innen wissen und doch bringt es enorme Freude, dabei zuzusehen, wie sich Roy nicht nur mithilfe seiner Lebensklugheit und Schlagfertigkeit, sondern auch seines Komplizen Vincent (Jim Carter; Carson in Downton Abbey) dem Störenfried immer wieder verbal zu entledigen weiß.

Ein Misstrauen, das gerechtfertigt sein mag, denn der gerissene Betrüger Roy (Ian McKellen) kann es auch auf die harte Tour // © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. and BRON Creative USA, Corp. All Rights Reserved

Der allerdings beißt sich fest, was zu einer Konfrontation mit Roys möglicher Vergangenheit bei einer gemeinsamen Berlin-Reise führt. Spätestens hier beginnt The Good Liar auch sich endgültig von der Idee einer Gangsterkomödie mit brutalen Einschüben zu verabschieden, befinden wir uns doch durch Rückblenden plötzlich inmitten des zerbombten Berlins 1948 und einer verschachtelten Hintergrundgeschichte.

In der Vergangenheit liegt die Gegenwart

Leider beginnt die Story auch an dieser Stelle allmählich zu kranken. Was jedoch weniger am Tonwechsel sondern eher an der Fortsetzung dieser Hintergrundgeschichte liegt, die zu einem Finale führt, das zwar durch die Klasse der zwei Stars Dame Helen Mirren – die so undurchsichtig und voller Elan aufspielt – und Sir Ian McKellen – bisweilen gruselig nuanciert – zu bestechen vermag und doch recht plump eingepflanzt oder passenderweise untergeschoben wirkt. 

Der wichtigste Haarschnitt ihres Lebens? Betty und Roy // © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. and BRON Creative USA, Corp. All Rights Reserved

Das ist insofern schade, als dass das Ende dieses gar nicht mal so spielerischen Täuschungsspiels mit ein wenig bewussterer Vorarbeit durchaus überzeugender hätte ausfallen können. Hier scheint jedoch auf überraschende Wucht gesetzt worden zu sein, sodass es bis auf minimale Momente, die jedoch beinahe als Zufälle der Inszenierung gelten könnten, wenig gibt, die das letzte Drittel des Films auch den aufmerksamsten Zuschauer*innen andeuten dürften.

Verarsche keine*n Verascher*in!

Dass hier am Ende womöglich der Verarscher der Verarschte sein könnte, scheint ohnehin möglich und damit ist The Good Liar auf charmante Art bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar. Doch wer schließlich die Oberhand behält, das muss damit noch nicht gesagt sein. Umso bedauerlicher, dass der große Aha-Moment inhaltlich zwar herb aber ebenso unmotiviert und einigermaßen hanebüchen daherkommt. 

Die verwitwete Betty McLeish weiß sich in Szene zu setzen // © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. and BRON Creative USA, Corp. All Rights Reserved

Gerade, da in der Vergangenheit der von Tobias A. Schliessler routiniert-gediegen gefilmten Geschichte, sehr interessante Fragen um Schuld und Schuldigkeit, Profitieren vom Leid und Karma liegen, die ein wenig zu ergründen sicherlich interessanter gewesen wäre, als ein Melodrama zum Schluss.

Dessen unbenommen ist The Good Liar ein unterhaltsames Stück Film, das inszenatorisch elegant am großen Wurf vorbeifliegt, dabei aber mit zwei Hauptdarsteller*innen aufzuwarten weiß, die hier nicht nur das erste Mal mit- sondern auch gleich gegeneinander antreten. Untermalt wird dies von gewohnt erstklassiger Musik Carter Burwells, die sich gerade im wackeligen Ende bezahlt macht.

JW

The Good Liar wird am Dienstag, 2. August 2022 um 22:50 Uhr im Rahmen des Sommerkinos im Ersten ausgestrahlt (Wdh. in der Nacht auf Mittwoch um 2:15 Uhr). Leider kann aus rechtlichen Gründen zu The Good Liar kein Video und kein Livestream in der ARD-Mediathek angeboten werden.

The Good Liar – Das alte Böse; Deutschland 2018; Regie: Bill Condon; Buch: Jeffrey Hatcher (basierend auf dem Roman The Good Liar von Nicholas Searle); Kamera: Tobias A. Schliessler; Musik: Carter Burwell; Darsteller*innen: Helen Mirren, Ian McKellen, Russell Tovey, Jim Carter, Laurie Davidson, Phil Dunster, Mark Lewis Jones, Aleksandar Jovanovic, Jóhannes Haukur Jóhannesson, Lucian Msamati; Laufzeit ca. 107 Minuten; FSK: 12

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitstzeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert