Findet ihr einen zynischen Titel? Dann Tschau mit Pfau! Wer nämlich nicht wenigstens ein wenig mit Zynismus und Misanthropie umgehen kann, für die oder den ist der neue Polizeiruf 110: Der Gott des Banktrotts in keinem Fall das richtige Abendmahl. Alles beginnt damit, dass sich Kriminalhauptkommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk), Kommissar Wiktor Krol (Klaudiusz Kaufmann) und Rechtsmediziner Marian Kaminski (Tomek Nowicki) in einer rund 500 Meter vom Jakobsweg entfernt liegenden Kiesgrube mit der Leiche des polnischen Staatsbürgers Antoni Mazur (Frank Jendrzytza) befassen müssen.
Pilger, Insolvenzen, ein Anwalt und sein Schuldnerberater
So tot, so ungewöhnlich wie das Grüppchen, das nun ohne Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) auskommen muss. Dafür bringt sich der erfahrene und wohl aufgrund seines forschen Charakters im Revier Lebus abgestellte Polizist Karl Rogov (Frank Leo Schröder), der als erster am Fundort der Leiche war, gern in die Ermittlungen ein. Nach erstem Zögern lässt Ross das gern zu und gar Marian hört irgendwann auf den vermeintlichen Störenfried anzubrüllen. Wie gut! Erfordert ein vertrackter Fall doch die volle Aufmerksamkeit aller Beteiliger.
Schnell wird klar, dass der Tote, der Teil einer Pilgergruppe war, massive finanzielle Probleme hatte und mitten in einem Insolvenzverfahren steckte. Begleitet wurde dieses von Schuldnerberater Jonathan Hüter (Godehard Giese, Die Wannseekonferenz, Neuland) sowie Anwalt und Insolvenzverwalter Udo Schick (Bernhard Schir), die nicht nur seit langer Zeit vertraut zusammenarbeiten sondern auch leben. Obwohl „vertraut“ im Lauf des Falls und Films immer mal wieder in Zweifel gezogen werden darf. Da versucht Anwalt Schick heimlich zu trinken und seine Tochter Maria (Anna-Maria Bednarzik) zu sehen, die ebenfalls dem Pilgertrupp des Toten angehörte. Und Hüter, nun, der fährt in seinem Mercedes-Cabrio ohnehin seinen eigenen Film.
Kein psychologisches Duell
Es stellt sich nämlich heraus, wer hätte es gedacht, dass die zwei Männer so etwas wie ein Duo Infernale sind. Auch Ross und Kollegen wittern das, können aber noch nicht so recht zuordnen, wer hier an welchen Strängen zieht, wer vielleicht wen manipuliert und ob es dabei „nur“ um Geld oder noch manches mehr geht. Es dreht sich in diesem ersten quasi Solo-Polizeiruf 110 für Vincent Ross — wenn er mit Gastdarsteller Frank Leo Schröder auch einen sympathischen Kompagnon an seiner Seite weiß — neben der Frage, wer Täter ist (die noch um die Frage, wie das Opfer eigentlich wirklich zu Tode kam, ergänzt wird) vor allem um jene, was manche Menschen antreibt bewusst ungute Dinge zu tun.
Hier wäre es wünschenswert gewesen, hätte das kurzweilige Drehbuch von Mike Bäuml KHK Ross erlaubt, im Deutsch-Polnischen Kommissariat in Swiecko seine Kenntnisse aus dem abgebrochenen Psychologie-Studium wie auch seine Menschenkenntnis ein wenig stärker auszuspielen. Wer sich auf ein ausgefeiltes Verhör- oder Rede-Duell zwischen ihm und dem Drahtzieher hinter verschwundenem Geld und seltsamen Verletzungen freut, wird leider enttäuscht. Dafür ist die Zeichnung der Figuren Jonathan Hüter und Udo Schick, die Giese und Schir nuanciert spielen, interessant, werden uns ihre Charaktereigenschaften doch primär durch Reaktionen und über sie Gesagtes vermittelt.
„So — möchte jemand über seine Gefühle sprechen?“
Ebenso schafft der von Felix Karolus inszenierte Polizeiruf 110: Der Gott des Bankrotts es solide, uns zumindest ansatzweise verstehen zu lassen, was so eine Insolvenz, die Aufgabe beziehungsweise der Verlust einer prägenden Idee, teilweise eines Lebenswerks, für Menschen bedeuten kann. Wie verletzlich sie sind, wie angreifbar sie sein können. Hier gibt es einige sehr emotionale Momente, ohne dass dieser Sonntagskrimi sich sonderlich melodramatisch gerieren würde. Das ist durchaus gekonnt und wirkt so, als seien die Macher*innen ernsthaft am Thema interessiert (gewesen).
Ebenso lebt der Film davon, dass wir spüren, wie Kaczmarczyks Vincent Ross mehr und mehr im Kommissariat und bei den Kolleg*innen ankommt, respektiert und geschätzt wird. In diesem Zusammenhang hätten wir auch nichts dagegen, ihn Doreen Brasch-Style vorerst solo mit dem Kommissariat im Rücken ermitteln zu sehen. Dabei darauf hoffend, dass das mit Der Gott des Bankrotts geöffnete Kapitel des Bösen an anderer Stelle weitergeschrieben wird.
JW
PS: „Wissen Sie, ich war auch mal bei der Kripo.“ — „Und wieso jetzt nicht mehr?“ — „Zu viele Chefs.“
PPS: „Sage mal, du bist heute so analfixiert. Willst du mir irgendwas sagen?“
PPPS: „Das ist Wolfgangs Platz.“ — Fritz Roths Tod hinterlässt eine Lücke.
Polizeiruf 110: Der Gott des Bankrotts läuft am Sonntag, 5. Februar 2023, um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und ist anschließend für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.
Polizeiruf 110: Der Gott des Bankrotts; Deutschland, 2022/2023; Regie: Felix Karolus; Drehbuch: Mike Bäuml; Kamera: Wolfgang Aichholzer; Musik: Sebastian Pille; Darsteller*innen: André Kaczmarczyk, Frank Leo Schröder, Klaudiusz Kaufmann, Godehard Giese, Bernhard Schir, Anna-Maria Bednarzik, Maj-Britt Klenke, Imke Büchel, Roman Wieslaw Zanowicz, Tomek Nowicki, Frank Jendrzytza; Laufzeit ca. 89 Minuten; Eine Produktion der der EIKON Media GmbH (Produzent: Mario Krebs) im Auftrag des rbb (Redaktion: Daria Moheb Zandi) für Das Erste
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