DHP 22: Eine Premiere für unsere Ohren

Zugegeben: Zwar schätzten einige von uns schon vor Jahren Hörbücher wie etwa jenes von Dieter Bohlen selbsteingelesene autobiografische Trash-Wunderwerk Nichts als die Wahrheit oder Sachhörbücher wie jenes von Journalist Markus Feldenkirchen über den untalentierten Zugführer Martin Schulz und von kleinauf an Hörspiele und ihre stetige Fortentwicklung wie Die drei ??? oder Bibi Blocksberg (letztere nur up to a certain point, wohlgemerkt), doch unterschätzten wir die wachsende Bedeutung von literarischen Hörbüchern und kunstvoll umgesetzten Hörspielen, wie etwa der Deutschlandfunk sie regelmäßig bietet. Es mag das Kreuz der vornehmlich Lesenden und dabei ihre eigenen Welten Erschaffenden sein. Who knows.

Große Titel, kleine Wölfe

Dennoch waren wir nicht blind für die immer stärker zunehmende Menge von und Begeisterung an Hörbüchern; vor allem auch jenen, die, von mal sehr prominenten, mal „nur“ sehr talentierten Personen, komplett eingelesen schließlich von meist dankbaren Hörer:innen gemütlich und zumeist bewusst gehört werden. So wollen wir es uns fortan nicht nehmen lassen, auch einen stärkeren Blick auf Hörbücher, Geschichten und Audiofeatures zu richten.

Was böte sich als Einstieg nun besser an, als der diesjährige Deutsche Hörbuchpreis, der – ohne Publikum – am 15. März 2022 in den Kategorien Beste Interpretin, Bester Interpret, Bestes Hörspiel, Bestes Kinderhörbuch, Beste Unterhaltung und Bester Podcast vergeben wird. Das Beste Kinderhörbuch wird von den „Hörwölfen“, einer fünfköpfigen Kinderjury aus Wolfschlugen, Baden-Württemberg, prämiert.

Deutscher Hörbuchpreis 2022 // © WDR/Annika Fußwinkel

Alle anderen Preisträger:innen werden von der Preisträgerjury – die sich aus Autor Alexander Bartl, Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer, Hörfunkkritiker Jochen Meißner, Lektorin und Hörbuchregisseurin und -produzentin Astrid Roth, Moderatorin und Journalistin Katty Salié, dem Referenten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Lothar Sand, und der Geschäftsführerin der Medienstiftung Hamburg/Schleswig-Holstein, Annemarie Stoltenberg, zusammensetzt – bestimmt. 

Was zu verteidigen wäre

Unter den Nominierten finden sich bekannte Namen und Titel. So haben folgende Schauspielerinnen und Sprecherinnen eine Chance auf den Preis als Beste Interpretin: Martina Gedeck liest Nastjas Tränen von Natascha Wodin (Argon Verlag), Milena Karas interpretiert Wo der Wolf lauert von Ayelet Gundar-Goshen (ebd.) und Jördis Triebel Was wäre wenn, den neuen Roman von Lizzie Doron (Der Audio Verlag). 

Ebenso finden sich unter Anwärtern als Bester Interpret drei prominente Namen: Jens Harzer mit Paul Celan / Jens Harzer: Eine Annäherung (speak low), Egdar Selge, der seinen eigenen autobiografischen Roman Hast Du uns endlich gefunden (Argon Verlag) gelesen hat und der geschätzte Devid Striesow, der die Nominierungsjury mit Fridolin Schleys Roman Die Verteidigung (Random House Audio) überzeugen konnte.

Who the fuck is Eden?

Biest & Bethany. Nicht zu zähmen: Eine ungeheuerliche Freundschaft

In der Kategorie Bestes Hörspiel konkurrieren noch drei – sehr unterschiedliche – Titel um den Sieg: John Steinbecks Epos Jenseits von Eden (NDR/Der Hörverlag), Regie: Christiane Ohaus; Jane Austens Überredung (hr/Der Hörverlag) holt Regisseurin Christine Nagel in die Gegenwart und mit Who the fuck is Kafka (NDR/Der Audio Verlag), Regie: Andrea Getto, findet sich ein weiterer Roman von Lizzie Doron unter den nominierten Titeln.

Als Bestes Kinderhörbuch stehen zur Auswahl: die Gruselgeschichte Biest & Bethany. Nicht zu zähmen: Eine ungeheuerliche Freundschaft von Jack Meggitt-Phillips, gelesen von Mechthild Großmann (Hörcompany), Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt), gesprochen von Hanno Koffler (Argon Sauerländer Audio) und die Kinder-Roadstory Mission Kolomoro oder: Opa in der Plastiktüte von Julia Blesken, vorgetragen von Stefan Kaminski (Oetinger audio).

Weihnachten aus Marzahn mit Bukow

Finalisten in der Kategorie Beste Unterhaltung sind die Autorenlesung Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte (tacheles!/ROOF Music) – wir haben übrigens recht begeistert festgestellt, dass Charly Hübner die Bücher Graham Nortons einliest -, die Sozialkomödie Ruslan aus Marzahn von Sebastian Stuertz mit Interpret Shenja Lacher (Der Hörverlag) sowie Paul Plampers Weihnachtshörspiel Stille Nacht II (Hoerspielpark/WDR), das eine Patchwork-Familie pandemiebedingt im Videocall feiern lässt.

Letzteres haben wir übrigens kürzlich gehört und empfehlen es dringend! Die gut fünfzig Minuten befassen sich mit nicht nur einem Videocall-Weihnachten und Dialoge wie „Die Stimmung kommt eben nicht aus der Steckdose.“ – „Aber wir machen schon nochmal zusammen Weihnachten?“ werden von Margarita Broich, Caroline Peters, Franz Broich-Wuttke, Schorsch Kamerun und Thomas Blisniewski ganz wunderbar rübergebracht. Gerade in der zweiten Hälfte von Stille Nacht II eskaliert das alles vollkommen herrlich. Noch bis zum 19. Januar 2022 steht das Hörspiel zum Download bereit, der erste Teil ist ebenfalls verfügbar. 

Ken Jebsen ohne Danger Dan aber mit Jagoda Danger

Zu guter letzt die Kategorie Bester Podcast, die zum vierten Mal vergeben wird (und ein wenig über den noch folgenden Wermutstropfen hinwegtröstet). Dort haben wir: Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen (Koproduktion Studio Bummens, NDR, rbb und K2H), die Dokumentation Hannes soll kein Russe werden (Audible) und den Gesprächspodcast FREIHEIT DELUXE mit Jagoda Marinić (hr/Börsenverein des Deutschen Buchhandels). 

Teile von uns kennen manches von zweien davon: Cui Bono und FREIHEIT DELUXE; hier gibt es beispielsweise eine Folge mit der Gewinnerin des diesjährigen Deutschen Buchpreises, Antje Rávik Strubel (deren Titel Blaue Frau leider nicht unser Patenbuch war, sondern der von Heinz Strunk, aber aus Erfahrungen lernt mensch…) oder eine mit Mai Thi Nguyen-Kim, die mit ihrem sehr lesenswerten Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit für den Deutschen Sachbuchpreis 2021 nominiert war, oder eine mit Daniel Donskoy und dem Titel „Jews Don’t Count“ (Hallo, David Baddiel!).

Trommelfellwirbel

Alle Preisträger:innen werden erst am Abend der Preisverleihung verkündet, die, wie erwähnt, ohne Publikum vonstatten gehen und am 15. März 2022 ab 20:04 Uhr als Live-Radioshow (es geht ums Hören, nicht ums Gucken!) bei WDR 5 und den angeschlossenen Kulturwellen der ARD übertragen wird. 

Und ja, sicherlich werden wir bis dahin noch das eine oder andere der nominierten Hörbücher hören und uns natürlich in die Rezensionsuntiefen stürzen.

Nun, zum Schluss der Wermutstropfen: Seit 2020 gibt es die Kategorie Bestes Sachhörbuch nicht mehr. Doof. Hier allerdings findet ihr ganz viele (tolle) Sachbücher. 

Eure queer-reviewer (und Teile: PM)

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