Skandal um Françoise 

Ein Skandal zwar nicht im Sperrbezirk und nicht um Rosi, aber wohl doch einer, der diverse Arrondissements Paris’ beschäftigte und konsequent Sittenwächter auf den Plan rief. Und den Erfolg von Bonjour tristesse, dem 1954 erschienen Debütroman der gerade einmal achtzehnjährigen Françoise Sagan, ordentlich ankurbelte. Nicht nur Leser*innen französischer Literatur, sondern auch Menschen, die nicht hinterm Mond oben links leb(t)en, dürften von Roman sowie der berühmten Verfilmung von Otto Preminger mit David Niven und Deborah Kerr wohl zumindest gehört haben.

Zu hören gibt es die Geschichte um ein co-abhängiges Vater-Tochter-Verhältnis, das für eine Geliebte des Vaters tödlich enden soll, seit einiger Zeit als sehr gerafftes und stimmungsvolles Hörspiel; produziert für den Hessischen Rundfunk und im Sommer als CD und digitale Version bei Der Audio Verlag erschienen. Beinahe wundert es, dass es bald siebzig Jahre dauerte, bis wir erstmals ein Hörspiel der an der Côte d’Azur ablaufenden Geschichte auf die Ohren bekommen.

Ein von Liebe gestörter Urlaub

Die 17-jährige Cécile (gesprochen von Elisa Schrott) und ihr Vater Raymond (Sprecher: Michael Rotschopf) haben sich für die Sommermonate ein Haus in der beliebten und beleibten Urlaubsgegend gemietet und freuen sich auf vertraute Zweisamkeit, die sich nach dem Tod der Mutter entwickelt hat und die Cécile ein liebevolles und sorgenfreies Leben bietet. Begleitet werden sie von der Geliebten des Vaters, Elsa, die für Cécile jedoch keine Konkurrenz bedeutet.

Bald lernt sie den Studenten Cyril kennen, mit dem sie ein Verhältnis entwickelt. So scheint also alles auf eine sommerlich leichte, unbeschwerte und glückselige Urlaubssaison hinzudeuten. Bis Anne Larson auftaucht, eine Freundin der Mutter und Bekannte des Vaters, die vor allem durch Selbstbewusstsein und Eigensinn auffällt und nicht durch geistige Leichtigkeit wie die sonstigen Geliebten des Vaters.

Schnell wird der Entschluss verkündet, dass Anne und Raymond heiraten wollen und sie zu einer Ziehmutter für die flatterhafte Cécile werden soll. Das beginnt schon fix damit, dass sie ihr das Verhältnis zu Cyril untersagt. So jedoch nicht, denkt sich die reife Jugendliche und fasst einen Plan, wie sie einen Keil zwischen Anne und Papa treibt. Wenig überraschend: Mit fatalen Folgen. 

„[C]harmantes kleines Monster“

Zur ARTE-Sendung Bonjour tristesse – Kult und Skandal: Mit nur 18 Jahren wurde die Schriftstellerin Françoise Sagan durch den Skandal um ihren Debütroman zur lebenden Legende // © ANL/REX/Shutterstock Foto: ARTE F

Kurz nach Erscheinen des Buchs verfasste der konservative Autor und Kritiker François Mauriac eine Besprechung in Le Figaro, in der er die Autorin als „charmantes kleines Monster von achtzehn Jahren“ bezeichnete. Dass diese Betrachtung zum Erfolg des Romans beigetragen hat, wird auch in der arteDokumentation Bonjour tristesse – Kult und Skandal, die morgen im TV zu sehen und bereits in der Mediathek verfügbar ist, deutlich. Wohl nicht die Absicht des Autoren des Verrisses. 

In der Tat bot Sagan, die 1935 eigentlich als Françoise Quoirez geboren wurde, gerade in der damaligen Zeit (hierzulande sprachen wir von der „Bleiernen Zeit“) Angriffsfläche für die (nicht selten katholischen) Sittenwächter des Landes. Setzte ihr Roman sich doch auch mit Selbstbestimmung, sexueller Freiheit, Boshaftigkeit und den Wünschen der jungen Generation auseinander.

Diese Themen kommen auch im von Uli Lampen wunderbar bearbeiteten Hörspiel deutlich zum Tragen. Unterstützt wird die Stimmung nicht nur durch eine stringente und doch in passenden Momenten verspielte Inszenierung, sondern auch durch die die geraffte Erzählung unterstützende Musik, die an manch einem Moment in der Tat an jene des Filmsoundtracks von Georges Auric erinnert. 

Faszinierend: Stimmen und Stimmungen

Das Hörspiel darf also vollends als Empfehlung gelten (wie auch der bei Ullstein erschienene Roman); bei der arte-Dokumentation kommt es ganz darauf an, was sich die Zuschauer*innen von dieser versprechen. Bei uns wurde sie etwa nach Hälfte der Laufzeit abgebrochen, da sie neben geschmeidig inszenierten Redundanzen vor allem vorrangig Bekanntes zu sagen hatte. Je nachdem also, inwieweit mensch sich schon mit Sagan, deren im Alter von 22 Jahren nach einem Unfall etablierte Drogenabhängigkeit auch künftige Romane der Bestsellerautorin beeinflussen sollte, befasst hat, dürfte die Dokumentation eher als Hintergrundrauschen dienen (wobei manch Interviewmoment durchaus zur Vertiefung mit dem umfassenden Werk der 2004 verstorbenen Sagan einlädt).

Bonjour tristesse als gut einstündiges Hörspiel hingegen dürfte sowohl für Kenner*innen der Autorin wie auch Neulingen einigen Mehrwert bieten und nicht ohne Faszination für die nuancierten Stimmen der Beteiligten und Stimmungen des Arrangements wahrgenommen werden. 

AS

PS: Das Hörspiel ist auf der Longlist der Nominierungsjury für den Deutschen Hörbuchpreis 2023.

Françoise Sagan: Bonjour tristesse; Hörspiel; Regie und Bearbeitung: Uli Lampen; Übersetzung: Rainer Moritz; Mit: Elisa Schrott, Michael Rotschopf, Karin Hanczewski, Bettina Engelhardt, Kilian Land, Wolfram Koch; Laufzeit: ca. 76 Minuten; erschienen im Juli 2022; ISBN 978-3-7424-2376-4; Der Audio Verlag; 16,00 €

Bonjour tristesse – Kult und Skandal; Frankreich 2022; Regie: Priscilla Pizzato; Laufzeit ca. 53 Minuten; bis zum 27. Februar 2023 in der arte-Mediathek und am 30. November 2022 um 22:00 Uhr im TV

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