Eine „Sisi“ alles zu brechen

Beitragsbild: Graf Andrássy (Giovanni Funiati) begrüßt Sisi (Dominique Devenport) // Foto: RTL/Armands Virbulis

Kein Weihnachten ohne Sis(s)i — in diesem Jahr gilt das mehrfach, denn der Sisi-Hype kennt kaum ein Ende. Vermutlich auch befeuert durch den Erfolg der von Story House Pictures für RTL+ produzierten Sisi-Serie aus dem vergangen Jahr, die im Dezember 2022 in die zweite Staffel ging.

Die Netflix-Version einer ebenfalls teenie-kompatiblen namens Die Kaiserin war ohnehin in Vorbereitung, brauchte eben nur länger (und landete bei Netflix auf Platz sieben der meistgeschauten nicht-englischsprachigen Serien 2022); Karen Duve legte einen sehr interessanten Roman gleichen Namens vor (Besprechung folgt) und im Klartext Verlag finden sich gleich Sisi und Sissi. Einmal Sisi in einem Band der Reihe Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten (den der Verlag auch in unserer Festtagsbücherei empfahl) und einmal Sissi als Kochbuch mit zwar etwas verzaubert geschriebenen aber historisch verifizierten Informationen und Anekdoten sowie reichlich Abbildungen historischer Karten, Objekte und Fotos der drei österreichischen Filme Ernst Marischkas.

„Sisi“ hat uns gebrochen

Die zweite RTLSisi-Staffel ist seit dem 16. Dezember via dem gut aufgefüllten Streamingportal RTL+ verfügbar und läuft seit gestern Abend auch linear im TV. Wir haben diese zweite Staffel im Lauf der vierten Folge abgebrochen, mit der es heute Abend ab 20:15 Uhr auf RTL weitergeht. Damit hat diese im Grunde als High-End-Produkt produzierte, von Robert Krause, Andreas Gutzeit, Elena Hell und Svenja Rasocha geschriebene und von Sven Bohse und Miguel Alexandre inszenierte Serie eines geschafft, das wenige Filme und Serien hinbekommen: Sie hat uns gebrochen.

Sisi (Dominique Devenport, 3.v.l.) mit Eugénie de Montijo (Marie Sophie von Reibnitz, 6.v.l.), der französischen Kaiserin und Ehefrau von Napoleon III. // Foto: RTL/Armands Virbulis

Hier aber reichte es uns schlichtweg irgendwann. Wir starten damit, dass Sisi (ein Lichtblick: Dominique Devenport) endlich vor versammeltem Hof den heiß ersehnten Thronfolger zur Welt bringt, was auch die Wogen zwischen ihr und Gatten Franz Joseph I. (Jannik Schümann) sowie Schwiegermama Erzherzogin Sophie (Désirée Nosbusch) glättet. Doch oh weh! Ein böser Saupreiß Otto von Bismarck (Bernd Hölscher) plant wohl Krieg. Also sollen Ex-Feinde Napoleon III. (Boris Aljinovic) und dessen Gattin Eugénie de Montijo (Marie Sophie von Reibnitz) helfen, eine solide aussehende Gegenwehr zu finanzieren…

„Sisi“ bricht aus

…doch mehr oh weh! Sisi reist mit Gräfin Esterházy (Tanja Schleiff) nach Ungarn, um sich der Bestätigung eines Beistands des uns ebenfalls aus Staffel eins als Gegenspieler bekannten Grafen Gyula Andrassy (Giovanni Funiati) zu versichern. Hier allerdings bahnt sich eine von Bismarck gestützte Revolte an und Sisi und Andrassy werden kurzerhand unter der Führung von Rebell Ödön Körtek (Murathan Muslu) gefangen gesetzt. Etwas, das der Franzl Joseph natürlich nicht erfahren darf, heißblütig wie er doch ist! Außerdem ist er ohnehin schon ängstlich, dass seine Elisabeth nicht zurückkehrt, ist ihr der Hof doch eng (hier kommt es immer mal wieder zum Vergleich, des Hofes mit einem zu engen Korsett) und Andrassys Ungarn so weit.

Sisi (Dominique Devenport) versucht zu flüchten // Foto: RTL/Armands Virbulis

Natürlich kehren sie zurück, zuvor gibt es allerdings einen kaiserlichen Mauerfall und einiges an schmachtenden, benommenen, beklommenen, erzürnten und unerhörten Blicken. Vermutlich geht es in den kommenden zweieinhalb Folgen so weiter — doch für uns war das zu wenig zu viel. Es war, leider, wirklich kaum zum Aushalten.

„Sisi“ bricht Sprachbarrieren… irgendwie

Zur Erinnerung, was wir unter anderem zur ersten Staffel schrieben:

„Dennoch sei gesagt, dass diese Sisi-Neuauflage nicht schlecht ist, nur eben auch nicht wirklich gut. Fein ist definitiv die Besetzung der Titelfigur mit Dominique Devenport, die sowohl die lebhaften und stürmischen Momente, wie auch die zweifelnden und dezent verzweifelten perfekt vermittelt. Désirée Nosbusch als Erzherzogin Sophie, also Sisis Teilzeit-Schwiegermonster, überzeugt, von ihr hätten wir gern mehr gesehen. Tanja Schleiff als die Hofdame von Kaiserin Elisabeth, Gräfin Esterházy, funktioniert in Momenten, die schon beinahe Slapstick sind ebenso effektiv wie in jenen, die verschwörerisch düster daherkommen. […] Wie überhaupt die Damen-Riege nicht nur gekonnt besetzt ist, sondern ebenfalls so manch schwächelnde Stelle der durchaus abwechslungsreichen Drehbücher, die Frauenfiguren ohnehin in den Mittelpunkt rücken […] gekonnt zu überspielen weiß.“

Die österreichische Armee gegen Preußen // Foto: RTL/Armands Virbulis

Was Devenport, Nosbusch, Schleiff und Co. angeht, ist dies auch hier der Fall. Was sich geändert hat: Die Serie ist in Staffel zwei nicht mehr nur nicht wirklich gut, sondern viel eher schon primär schlecht. Die Drehbücher sind so stumpf und nicht selten stupide, dass es eine*n graust; die „Cliffhanger“ sind zudem vollkommen gaga. (In der aktuellen fünften Staffel von The Crown gibt es den berühmten Tampon-Anruf zwischen dem damaligen Prinzen Charles und Camilla Parker Bowles zu erleben, in dem sie sich auch darüber unterhalten, was eigentlich alles Entsetzliches mit der englischen Sprache angestellt wird — wir hatten ein ähnliches Gespräch in Bezug auf die deutsche Sprache nach den ersten zwei Folgen dieser Sisi-Staffel.)

„Sisi“ bricht Holz

Kaiser Franz Joseph (Jannik Schümann) versucht die Monarchie und darüber hinaus seine Familie zu beschützen // Foto: RTL/Armands Virbulis

Zudem wirkt hier nun nicht mehr nur die Besetzung von Napoleon III. wie eine Karikatur, sondern auch jene Bismarcks. Das heißt nicht, dass Boris Aljinovic und Bernd Hölscher keine guten Schauspieler wären. Aber sie sind völlig fehlbesetzt und agieren mit einem flachen und albernen Drehbuch hilflos und durch eine Maske, die dem Die-Getriebenen-Syndrom zum Opfer gefallen zu sein scheint. Anders lässt sich auch die hier schon nicht mehr nur hölzerne Darstellung Jannik Schümanns als Kaiser Franz verstehen, gerade wenn wir darauf schauen, wie er andere Rollen mit Leben zu erfüllen verstand. Sehen wir sein Nicht-Spiel also einfach als ironische Arbeitsverweigerung.

Dass die Story größtenteils hanebüchen ist — geschenkt. Gern können historische Stoffe lediglich entlang der groben Linien verlaufen und dann dazudichten und ausweiten, ein Was-Wäre-Wenn auf die Spitze treiben, rein fiktive Antagonist*innen und Protagonist*innen schaffen. Dann aber bitte mit etwas Verve (die hier und da durchschimmert; etwa wenn sich Ziehkind Marie (Romy Schroeder) an einem Peiniger rächen will oder Franz in Bayern den Hof seiner Schwiegereltern und Beinahe-Frau (ein willkommenes Wiedersehen mit Julia Stemberger, Marcus Grüsser und Pauline Rénevier) besuchen muss) und weniger närrischer Trägheit. Allein ein paar Schauwerte immer gleicher, allzu akkurat gemähter Skigebiets-Wiesen und filmbekannter Badeberge tun’s eben auch nicht.

AS

Cover zum erwähnten Sissi-Kochbuch Sissi – Köstlichkeiten aus der kaiserlichen Küche — auch hierzu folgt in Kürze eine Rezension; k. u. k. geht nämlich nicht nur zur Weihnachtszeit!

PS: Die Musik ist gut. Ist aber auch viel The Crown.

PPS: Dem RTL+ kann’s ohnehin egal sein. Denn auch hier bricht Sisi alles und alle: Nachdem die erste Staffel bereits der erfolgreichste Fiction-Neustart auf RTL+ jemals (einberechnet auch die Zeit vor der Umbenennung von TVNOW auf RTL+) gewesen ist, übertrumpfte die zweite dies noch, wie RTL Deutschland in einer Pressemitteilung bekannt gab.

PPPS: Vorschlag: Wir setzen eine frisch verliebte Person an die sicherlich kommende dritte Staffel von Sisi, dafür nimmt sich RTL Deutschland gemeinsam mit dem vormaligen Team einer Weiterführung der von ARD Degeto unglaublich grottendooferweise abgesetzten Serie Legal Affairs an. Wäre auch eine Top-Erweiterung für das Streamingprogramm. #isso

Die zweite Staffel von Sisi ist seit dem 16. Dezember auf RTL+ verfügbar; die Folgen vier bis sechs werden heute Abend ab 20:15 Uhr auf RTL zu sehen sein.

Sisi, Staffel 2; Deutschland/Österreich, 2022; Regie: Sven Bohse, Miguel Alexandre; Drehbuch: Robert Krause, Andreas Gutzeit, Elena Hell, Svenja Rasocha; Kamera: Michael Schreitel, Christian Datum, Miguel Alexandre; Szenenbild: Algirdas Garbaciauskas; Kostüm: Daiva Petrulyte; Darstell*innen: Dominique Devenport, Jannik Schümann, Désirée Nosbusch, David Korbmann, Tanja Schleiff, Giovanni Funiati, Murathan Muslu, Romy Schroeder, Bernd Hölscher, Boris Aljinovic, Julia Stemberger, Pauline Rénevier, Marcus Grüsser; sechs Folgen, jeweils circa 50 Minuten; seit dem 16. Dezember 2022 auf RTL+ verfügbar; eine Produktion von Story House Pictures für RTL

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