„Ich mag Klatsch und Tratsch“

„Nie wieder!“ Das ist nicht nur unser Credo, wenn es um den Holocaust und Judenfeindlichkeit geht (wie stringent wir dem folgen, konnten wir in den vergangenen Tagen mal wieder erleben *hust*), sondern laut Tina Brown auch jenes der britischen Royals wenn’s um „Rosen, die wie Meteoriten einschlagen“ geht. Mit anderen Worten: Keine neue Lady Di.

Nun ist die Verantwortung der Windsors dabei nicht vollends von der Hand zu weisen; entsetzliche Traditionen werden ja kaum dadurch legitimiert, dass mensch sie hochhält. Solch wertenden Einschüben enthält sich die Dokumentation The Princess – Lady Diana von Ed Perkins glücklicherweise, letztlich hatten wir davon genug. Lady Diana, die Princess of Wales, und die Windsors, das scheint ein eigenes Genre zu sein. Stattdessen nutzt der Film, um dieses moderne „Märchen, in dem die Protagonisten nicht glücklich bis ans Ende ihrer Tage lebten“ wiederzugeben, ausschließlich Archivaufnahmen und lässt diese umkommentiert.

Ähnlich wie der Regisseur war auch ich um die elf Jahre alt, als Diana im Sommer 1997 starb und auch hierzulande verhielt sich die Elterngeneration so, als hätten sie eine gute Freundin verloren. 

„Ich erinnere mich an Erwachsene um mich herum, die in einer landesweiten Welle von Aufruhr und geteiltem Leid mitgeschwemmt wurden, welche bis dahin und seitdem nie wieder erlebt wurde. Es war als hätten sie ein Mitglied ihrer eigenen Familie verloren, obwohl die große Mehrheit Diana nie persönlich getroffen und immer nur durch die Medien erlebt hatte. Ich erinnere mich, dass mich das verwirrte. Welche Verbindung hatte die Welt zu dieser Person? Warum waren diese Menschen alle so betroffen?“

Blumen und Trauernde vor dem Kensington Palace in den Tagen nach der Beerdigung von Prinzessin Diana, in London, England, September 1997 // © NDR/Alamy Stock Photo/Jeremy Sutton-Hibbert, honorarfrei

„Die Ereignisse in den Tagen nach ihrem Tod – und die öffentliche Reaktion darauf – mag nicht einfach zu verstehen oder zu erklären sein. Aber seit einiger Zeit habe ich den Gedanken, dass ein Film, welcher versucht, Dianas Geschichte ohne die üblichen, ausgetretenen, rückblickenden Diskussionen und Analysen zu erzählen, zu dem Diskurs, den wir immer noch über sie haben, etwas Neues beitragen könnte. Ich wollte eine immersive und unmittelbare Erzählung schaffen, welche nur mit zeitgenössischem Archivmaterial arbeitet – genau die Bilder, durch welche die Menschen Diana ‚kannten‘. Keine Interviews. Keine rückblickende Reflektion. Meine Hoffnung war, die Ereignisse mit mehr Tiefe, einer größeren emotionalen Klarheit und Ehrlichkeit darzustellen, um die Wirkung, die sie selbst heute noch haben, nachvollziehbar zu machen.“

Regisseur Ed Perkins im Presseheft

Alles nur ein Spiel?

Hier gilt also: Bilder sprechen Bände. Natürlich auch die Kommentare von Diana und Prince Charles, wenn sie etwa in einem Interview vor ihrer Hochzeit gefragt werden, welche Gemeinsamkeiten sie hätten und die Antwort nach einem zu langen Schweigen in etwa „irgendwas mit draußen, Humor, Musik“ ist. Das reicht ja nicht mal für Are You the One? In der Matchbox wären sie ein „No Match“ gewesen.

Prinzessin Diana besucht Ascot in lila und rosa Mütze und mit rosa Blazer // © NDR/Kent Gavin, honorarfrei

Überhaupt stellt sich während der schnell vergehenden 100 Minuten, die die Dokumentation läuft, nicht nur einmal ein bedrückender Eindruck ein. Es sieht selten so aus, als sei hier ein hart verliebtes Paar am Start. Spannend dabei ist, dass die Presse – ob nun seriös oder yellow – die zwei dem britischen Volk und allem, was dem Commonwealth angehört, als ein Traumpaar verkauft, um dann, schon wenig später, von einer Zweckehe, Ausnutzen und emotionaler Kälter zu berichten.

Der Finger zeigt auf uns

Prinzessin Diana lächelt neben einem Warnschild in einer Bombenweste // © NDR/Kent Gavin, honorarfrei

Wenn eine Britin sagt, sie habe das Gefühl Lady Di persönlich zu kennen, mag dem so sein, die Ergänzung „ich mag Klatsch und Tratsch“ gibt es direkt dazu. Das schärft für uns Zuschauende den Blick darauf, dass Diana als Medienphänomen auch von uns kreiert wurde. Wenn etwa ein Herausgeber schon vor gut zwanzig Jahren sagte, dass Fotos von ihr geschossen, den Zeitungen angeboten und von ihnen gekauft würden, weil die Menschen es lesen wollen, zeigt der Finger auf „unsere“ Nase. 

Ohne Gier nach Story keine Story. Dass sich sowohl Diana als auch Charles im Willen der Inszenierung nichts genommen haben, wird durch die Archivvideos ebenso deutlich. Wir wollen nicht vergessen, in welcher Form der ewige Thronfolger vom Entfremden und seiner „Affäre“ mit Camilla zur besten Sendezeit zu berichten wusste. Auch sehen wir Ausschnitte des berühmt-berüchtigten Interviews mit dem BBC-Mann Martin Bashir, der sich die Offenheit Dianas durch Lügen erschlich (im Übrigen bat Prinz William inständig darum, diese Aufnahmen nie wieder zu zeigen).

Das Narrativ kontrollieren

Wieder landen wir bei Tina Brown, die in ihrem im April bei Droemer erschienenen Buch Palace Papers den damaligen Herausgeber der Daily Mail, David English, zitiert, der zu Charles’ Medienberater Mark Holland sagte: „Einer ihrer Jobs ist es, dem Prinzen von Wales beizubringen, dass wir nie gegen ihn waren, sondern nur für Diana… das war eine wirtschaftliche Entscheidung. Diana verkauft Zeitungen. Charles nicht. Wenn er etwas tut, das Zeitungen verkauft, unterstützen wir ihn.“

Beerdigung von Prinzessin Diana im Zentrum von London. Aufgenommen im September 1997 // © NDR/Alamy Stockfoto/Justin Leighton, honorarfrei

Deutlich ist also, gerade in diesem Kontext, es ging um Macht, die Kontrolle des Narrativs und des Images – was wiederum nur das Bild der Royals als Unternehmen, das den Mythos des funktionierenden Glanzes aufrechterhalten mag, bestätigt. Was im Grunde absurd ist – nichts gegen Deine Resilienz, Sausage – wenn wir bedenken, wer alles den Kopf verlor, wie viel Ehebruch, uneheliche Kinder, Naziverbindungen, Missbräuche und Blut es gab. Dass alles möglichst sauber wirken soll (im Film heißt es dazu „die Magie der Monarchie verträgt kein Tageslicht“), nun, also, uhm…

Unser Verhältnis zu Prominenz hinterfragen

Diana, Prinzessin von Wales, umgeben von Polizei und Sicherheitskräften, als sie zu einem Besuch in der pädiatrischen AIDS-Abteilung des Harlem Hospital in Harlem ankommt. New York City, USA. Februar 1989 // © NDR/Alamy Stockphoto/Parkerphotography, honorarfrei

Es mutet im Übrigen müßig an, wenn das Unternehmen fortwährend versucht, das humanitäre Engagement Dianas als pures Kalkül zu verkaufen. Sich HIV-Patienten zuzuwenden – insbesondere in der Reagan-Ära in den USA und später auch unter Clintons eher mäßig entschlossenem Kampf gegen das Virus und dessen Stigma – ist etwas, das kaum nur Kalkül sein dürfte. Mensch nimmt ihr Menschlichkeit ab, das Fremdeln eines Hauses, das fortwährend unterkühlt ist, muss nicht als bestätigendes Argument einer angeblichen Inszenierung gelten. 

So zeigt The Princess also nicht nur – größtenteils chronologisch – was war, sondern dient ganz praktisch auch dazu, uns über „unser Verhältnis zu Prominenz und, letzten Endes, unsere Mitschuld an dieser Geschichte“ nachdenken zu lassen, wie Perkins es sich wünschte. Durchaus wird er seinem eigenen Anspruch hier gerecht und hat ein in der Tat komplexes Werk zusammengestellt, das nicht nur in Großbritannien für manchen Diskussionsstoff sorgen dürfte. 

AS

PS: Die Musik zum Film kommt übrigens von Komponist Martin Phipps, der untern anderem auch einige der Soundtracks zu The Crown und Victoria komponierte.

Prinzessin Diana nimmt am 24. September 1996 an einer Veranstaltung des Weißen Hauses in Washington DC teil // © NDR/Alamy Stockfoto/Richard Ellis, honorarfrei

Das Erste zeigt The Princess – Lady Diana am Mittwoch, 24. August 2022 um 22:50 Uhr; bis zum 22. November 2022 ist sie außerdem in der ARD-Mediathek verfügbar

The Princess – Lady Diana; UK 2022; Regie: Ed Perkins; Edited by: Jinx Godfrey, Daniel Lapira; Musik: Martin Phipps

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