Grundrente voraus

Bundesfinanzminister Olaf Scholz scheint ein wichtiges Etappenziel für die SPD erreicht zu haben. Die Grundrente mit eingeschränkter Bedürftigkeitsprüfung dürfte morgen um die Mittagszeit vom Deutschen Bundestag beschlossen werden – und zwar ohne eine solide Gegenfinanzierung, wie es von der CDU/CSU stets gefordert war. Einige Millionen der jährlichen Kosten von etwa einer Milliarde Euro sollten durch Einsparungen im Etat des Bundesarbeitsministeriums erbracht werden. Der Großteil aber sollte nach Scholz‘ Planung durch eine Transaktionssteuer auf Aktien erbracht werden.

Beides kommt nun erst einmal nicht und die Union ist an dieser Stelle tatsächlich umgekippt. Scholz argumentiert, dass bei der Menge an Garantien und Zuschüssen, die gerade im Rahmen des Konjunkturpakets ausgegeben werden, doch eine Milliarde für bedürftige Rentnerinnen und Rentner vorhanden sein müsse. Und nun so kurz vor der Sommerpause scheint es das Kalkül der CDU/CSU zu sein, dass Scholz und seine SPD mit diesem Argument die Sommerpause füllen und Stimmung gegen die Blockadehaltung der Union machen würden. Daher das heiße, langwierige Thema Rente lieber vorher abräumen.

SPD zeigt Bigotterie

Das mag sein, aber dennoch macht die Situation ein wenig stutzig. Einerseits sagte Scholz‘ Parteifreund und fachpolitisch zuständiger Kollege, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, erst kürzlich in der WDR-Dokumentation Regieren am Limit (unsere Besprechung findet ihr hier), dass Corona nicht dazu dienen solle, die Umsetzung lange gehegter Pläne von Parteien zu rechtfertigen. Scholz führt dieses Argument mit seinem Handeln vollkommen ad absurdum, aber Heil hält natürlich still, denn natürlich ist so der größte Brocken in seinem Ressort endlich abgeräumt.

Andererseits wird einmal mehr einmal mehr das Klischee bedient, dass Sozialdemokraten nicht mit Geld umgehen können. Ob die Finanztransaktionssteuer jemals kommt – ihre Daseinsberechtigung ist ohnehin fragwürdig, zumindest in der geplanten Ausgestaltung als reine Steuer auf Aktienkäufe – ist vollkommen unklar und somit, ob die Grundrente irgendwann gegenfinanziert wird. Da Steuererhöhungen per se unpopulär sind, ist leider viel wahrscheinlicher, dass in wenigen Monaten und dann für alle Zeit niemals wieder jemand über eine solide Gegenfinanzierung der Grundrente sprechen wird. Anders gesagt: Die junge Generation wird vermutlich mit höheren Steuern irgendwann dafür zahlen müssen, dass die Grundrente nun umgesetzt wird – Ressourcen, die für Projekte wie Digitalisierung oder Klimaschutz fehlen werden, Frau Neubauer.

Haltloses Einknicken der Union

Kritik ist aber auch an der Union gerechtfertigt. Sie hatte wohl Angst, dass sie nun in der Sommerpause von der SPD vorgeführt wird – der Medienhype um den Fall Amthor ist wohl noch zu frisch, auch wenn die Umfragen weiter Werte um die 40 Prozent für die CDU/CSU sehen. Dennoch wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es eine Grundrente nur mit vollständiger Bedürftigkeitsprüfung geben solle und eine solide Gegenfinanzierung essentiell sei. Es bleibt zu hoffen, dass die Union dies nicht vergisst und in ihrem Wahlprogramm für die nächste Bundestagswahl entsprechende Nachbesserungen vorsieht. Alles andere wäre ein unnötiges und unverhältnismäßiges Einknicken zulasten der Jüngeren. Vielleicht stimmen ja zumindest ein paar jüngere Abgeordnete der Union gegen diese Maßnahme und übernehmen so die Verantwortung für ihre Generation.

HMS

P.S.: Hier findet ihr den Gesetzesentwurf (19/18473).

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