Post (von) Covid

„So langsam bin ich in dem Alter, in dem es besser ist, wenn der Arzt oder die Ärztin jünger ist, als man selbst.“

Als ich diesen Satz das erste Mal von meinem Vater hörte, habe ich noch gelacht. Inzwischen suche ich mir meine Ärzt*innen auch danach aus. Meine letzte Hausärztin war eher der Mütterchentyp. Die hat Dich nur angesehen und wusste in der Regel direkt, was Sache war. Sie hat zugehört und sich Gedanken gemacht. War nie zu schnell mit Antibiotika zur Hand, hat sich aber auch nie gescheut, eins zu geben wenn nötig. Wann das nötig war, das entschied sie. Und sie hatte Recht. Von Ihr habe ich auch den wunderbaren Eröffnungssatz: „Was kann ich tun?“, der mir selbst in Fleisch und Blut übergegangen ist, wenn ich derjenige bin, der in einer Angelegenheit aufgesucht wird. 

Nun diese Ärztin hat irgendwann ihrem Alter entsprechend die Praxis dicht gemacht. Einziger Nachteil, ich wusste es nicht. So habe ich dann eines Februartages vor Jahren dort angerufen und hörte „Praxis für Kinder und Jugendgesundheit….“ Der Rest ging mir unter, war aber auch nicht mehr wichtig. Fazit: ein(e) neue(r) Hausarzt/-ärztin muss her. Und zwar pronto. Leider merkt mensch ja erst bei längerem Patiententum, ob das was ist, oder nicht. Also habe ich dann zwei Jahre später noch einmal die Praxis gewechselt. Was für mich ein Glücksfall war. Alle in der Praxis arbeitenden Mediziner sind jünger. Meine Hausärztin ist immer fröhlich, offen und (was sicher das Wichtigste ist) nimmt sich die Zeit. 

So konnten wir dann auch in der 5. und 7. und 9. Woche meiner Covid-Geschichte ausführlich darüber sprechen, dass man noch nicht sehr viel darüber weiß, ich aber irgendwie schon im Rahmen dessen liege, was mensch so über die Nachwirkungen hört. Ja super. Das bringt mich nicht wirklich weiter. Ich möchte doch bitte die Frage geklärt haben, ob ich denn wohl wieder gesund werden kann. Das hat ja grundsätzlich für jeden Menschen Priorität, wird bei mir aber durch eine leichte Muskulaturschädigung aufgrund einer neurologischen Erkrankung noch verstärkt. 

Ich habe schon einmal einen Muskelaufbau am rechten Oberarm hinter mir, der dann irgendwann einfach stagnierte und nach knapp drei Jahren waren sich Mediziner und Physio einig: Mehr geht nicht. 

Also verabschieden wir uns vom knackigen und wohlgerundeten Bizeps und sind dankbar. Dafür, dass es keine weiteren Einschränkungen gibt und ich auch keinen wahnsinnigen Kraftverlust hatte. Mit dem, was ich davon zurückbehalten habe, kann mann locker, auch in der healthy queeren Community leben und bestehen. Wobei ich mir nie großartig was draus gemacht habe, was diese „Immer Jung und Gesund“-Truppe wohl von mir hält. Aber Mitleid aus der Richtung möchte ich nun auch nicht. 

Ich hatte immer ein bisschen mehr auf der Hüfte und schon im Herbst meinen Waschbärbauch für nächsten Sommer und damit ging es mir gut. Selbst als ich Anfang 20 Leistungssport machte, war ich nie ganz dürr. Ja, es gibt sie, diese gestählten, muskulösen und leicht behaarten Daddys mit und ohne Glatze, die so vor Saft und Kraft strotzen, dass es eine wahre Wonne ist. War ich nie und jetzt mit Anfang 50 werde ich das sicher nicht mehr ändern. Aber ich möchte das, was mir dieses C-Monster da hinterlassen hat, auch nicht dauerhaft ertragen müssen. 

Und so spreche ich mit meiner immer fröhlichen jungen Ärztin meine Situation immer wieder durch. Selbst kleinste Besserungen im Zustand, seien sie auch noch so langsam, stellen einen Grund zur Freude dar. Ihrer Meinung nach. Ich könnte da ja größere Fortschritte… Ah, ich sehe, die geneigte Leserschaft erinnert sich an die Geduldgeschichte und deren Entwicklungspotential. Ja, nicht nur meine Ärztin mahnt dazu. Mein lieb Mütterlein erzählt mir auch immer wieder gerne, was ihr so alles zippert und zappert und dass mensch da geduldig sein und auch mal was hinnehmen muss. 

Ok Herrschaften, Geduld ja, aber hinnehmen? Nein!

Also dann. Gehen wir es an. Nach sieben Wochen der erste Lichtblick. Wir müssen in den Norden, an die Küste, Rügen, um genau zu sein. Zwar nur für zwei Nächte, aber immerhin. Es stellt schon eine Riesenherausforderung dar, die Reisezeit wach zu bleiben, was mir nicht gelingt. Kaum vor Ort möchte ich am liebsten direkt wieder schlafen. Und doch schaffen wir es noch ans Wasser. Nach dem wunderbar durchwindeten Spaziergang bleibe ich noch einen Moment stehen, bevor wir zum Auto gehen. Und plötzlich fällt mir auf, dass ich ganz intuitiv etwas gemacht habe, was seit dem Abklingen der Symptome nicht mehr ging. Ich habe ganz tief eingeatmet. Und dann einfach ganz langsam die Luft rausgelassen. Ach, was habe ich das vermisst. Ich versuche das bewusst noch einmal und scheitere mit Husten und Prusten. Ok, bewusst geht das also nicht. 

Aber nun habe ich endlich etwas, was ich bis dato nicht hatte. 

Eine Perspektive. 

Es bleibt spannend. 

Frank Hebenstreit 

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