Post (von) Covid X

In dieser einen Frage liegt so viel. In meinem Fall die tiefe Zuneigung und Sorge meines Mannes. Der scheint von den Ereignissen nämlich auch ein bisschen überrollt. Aber es war ja sein Vorschlag, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und dass meine Frau Doktor so enthusiastisch für die Idee war, hat ihn selbst etwas überrascht.

Nein nein, nicht, dass sie dafür war, da war er sich sicher. Aber dass sie genauso fix wie er sein würde, das hat ihn überrascht.

Ihre Frage war genau: „Super, wann soll‘s losgehen – morgen?“

Jupp, am liebsten. Aber da habe ich ja noch die ein oder andere kognitive Schwäche zu überwinden, muss Koffer packen, was in diesem Zustand bekanntlich dauert und schließlich irgendwie auch die Strecke hinter mich bringen.

„So in der Art“, ist also meine salomonische Antwort. „Ich sag mal so schnell wie ich es schaffe.“

Damit ich das alles schaffe, bekomme ich den ersten sechs Wochen Krankenschein meines Lebens. „Und bitte wirklich die fünf Wochen bleiben. Das ergibt in Ihrem Fall einfach Sinn…“ Sprach’s und war draußen. Ach die fröhliche kleine Maus, sag ich mal. Jetzt habe ich Arbeit an der Backe.

Ich weiß bis heute nicht, wie ich es geschafft habe so schnell alles hinzubekommen, aber tatsächlich: Zwei Tage nach der Entscheidung steht ein kleines altes grünes Auto voll bepackt vor dem Haus. Es verfügt über eine Hundedecke auf der Rückbank, mit Sicherheitsgurt und der Kofferraum ist auch soweit klar, dass es passen müsste. Eine vernünftige Playlist und auch drei Hörspiele sind im Streamingportal runtergeladen, so dass mir das auf dem Weg irgendwann zwangsläufig auftretende Edgeland nicht die Tour vermasseln wird.

Proviant ist das Zauberwort. Ich fahre nach einem normalen Frühstück und werde mir meine Portion Nudeln mit Sauce, die wir gestern aufgeteilt hatten, auf der Insel warm machen. Mittagessen sollte ich abdecken und ggf. einen Snack. Da kommen mir die Bananen gerade richtig. Und noch während ich überlege, was ich machen könnte, reicht mir der Mann eine Brotdose.

„Ich hab Dir mal einen Wrap gemacht. So für Mittag. Bissi Schoki ist auch in der Dose.“

Habe ich schon mal verlauten lassen, dass ich diesen Kerl mit Haut und Haaren liebe? Auch ihm fällt dieser Morgen schwer, denn ich fahre, ohne einen Termin für die Rückfahrt. Wir wissen also nicht, wann wir uns wiedersehen. Wenn alles gut geht, kommt er zwischendrin auf die Insel, falls das doch nicht klappt, dann sehen wir uns erst, wenn ich heimkomme. Was also vermutlich knappe fünf Wochen dauern könnte.

Und doch haben wir beide diese Entscheidung getroffen – zugunsten meiner Gesundheit. Da ist nämlich immer noch so viel Luft nach oben, dass es Zeit wird etwas zu unternehmen. Eine Kur. Ja eben, eine Kur, aber selbst organisiert. Der erste Termin steht auch schon: Am Freitag habe ich einen Physiotermin beziehungsweise ich gehe zum Milon.

Aber der heutige Tag liegt mir auch ganz schön in der Nase. Es sind immerhin 652 km von Tür zu Tür und ich bin ja nun nicht wirklich der Fitteste. Da ich aber all das Zeug nicht schleppen kann und den Hund dazu mitnehmen, war es klar, es wird das Auto. Auch wenn das erstmal da oben bleiben wird, ich werde also mit der Bahn zurückfahren, so ist doch diese eine Strecke eine Wahnsinnsherausforderung.

Nun denn: Es geht los. Weil einmal muss Mann ja los, wenn Mann und Hund da ankommen sollen, nicht?

„Ja habe ich. Hier noch der Kaffee und den Schlüssel. Joe ist schon auf dem Rücksitz. Auf geht’s!

Kaffee in den Becherhalter, Handy in die Halterung, Schlüssel in das Schloss.

Bevor ich den Zündschlüssel drehe, wird mir schon recht mulmig. Ich steige noch mal aus.

„Warte mal!“, sage ich. „Wir haben was vergessen!“

Und so ziehe ich meinen Mann in meine Arme und drücke, so fest ich kann. Das ist zwar nicht sehr fest, aber innig und er erwidert diesen Abschied. Dann ist es soweit, ich muss ins Auto, wenn ich los will. Ob ich das will? Keine Ahnung. Die letzten Tage schien es ein guter Plan, aber in diesem Moment bin ich mir nicht mehr so sicher. Aber ich muss einfach was für meine Gesundheit tun, und hier rumzusitzen und warten, dass es besser wird? Keine Option.

Also drehe ich… mutig den Zündschlüssel im Schloss. Der kleine Wagen springt freudig an, als wisse er, dass es jetzt auf eine größere Tour gehe. Und so fahren wir winkend vom Hof, während der Mann winkend darauf stehen bleibt. Blinken, um die Kurve und schon ist er nicht mehr zu sehen…

Ob er auch so einen Kloß im Hals hat? Fragte ich, bekäme ich vermutlich zu hören: „Neee ich musste ja schnell los, den Sekt aufmachen…“ oder so.

Insel, ich komme. Kur, geht los. Ganz anders als gedacht… Aber auf geht’s.

Und ja, auch im Nachhinein betrachtet, war das einer der ersten ganz entscheidenden Schritte ins Aufwärts.

Es bleibt spannend

Frank Hebenstreit

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