Hand (oder was davon übrig ist) auf’s Herz: Ist euch schon einmal ein Böller oder ähnliches Gewerk hochgegangen? Ja, nein, weiß’ nicht Digga? Sei’s drum… Martin Hofmann (Matthias Brandt) jedenfalls wollte zu Schulzeiten einen Mülleimer hochjagen und dabei erwischte es seine Hände, so dass er lange mit Verband rumlief und auch zum Arsch abwischen Hilfe brauchte. An der Schule hieß er fortan nur noch Doofmann.
„Doofmann“ verliebt in „Busen-Betty“
Als dieser Doofmann die Geschichte nun also von der Moosbacher Bürgermeisterin Bettina Maurer (Anke Engelke) erzählt bekommt, findet er das nicht so richtig witzig. Immerhin erkennen die beiden einander an dieser Stelle aber wieder. Seit geraumer Zeit sitzen sie im Vorraum der kleinen Sparbank-Filiale fest, nachdem Bettinas Karte im EC-Automaten stecken geblieben ist und Martin sie, kraft der femininen Seite seiner Männlichkeit, mit einer Haarnadel aus dem Automaten retten wollte — woraufhin es zum titelgebenden Kurzschluss kam.
Doch der Wunsch an diesem Silvesterabend kurz vor Mitternacht aus der Filiale kommen zu wollen trübt die ohnehin nur mittelgroße Wiedersehensfreude. Bettina muss auf einen Knopf drücken für ein ortsweit koordiniertes Feuerwerk, das das individuelle Massenballern eindämmen soll (schöne Idee!) und Martin muss seine betrunkene Tochter abholen. Sein Smartphone ist samt seiner tendenziell desinteressierten Begleitung (Franziska Ferrari) im SUV und Bettinas hilft ebenfalls kaum, hat so eine örtliche Moosbacher Sparbank (Werbemotto am Fenster: „Ohne Moos, nix los“ — herrlich und vermutlich noch aus den 90ern des letzten Jahrtausends) doch kein Netz.
„Ich hab’ die Schnauze voll. Ich bleib’ jetzt einfach hier liegen.“
In dem Kurzfilm Kurzschluss von Regisseur Erik Haffner (u. a. Frau Jordan stellt gleich, verfügbar auf Joyn) nach einem Drehbuch von Claudius Pläging (u. a. Der Vorname, Unter Freunden stirbt man nicht) und Max Bierhals (u. a. bis 2019 Neo Magazin Royale, seit 2020 Die Carolin Kebekus Show) wimmelt es vor kleinen, feinen Ideen und Anspielungen, die mal auf eine eingeschlafene Gesellschaft, mal auf alte Gedankenkonzepte des Immergleichen und mal einfach auf herrliche persönliche Scharmützel verweisen.
Anke Engelke und Matthias Brandt, die hier erstmals gemeinsam spielen und beide angeben, dass dies eine große Freude und die Erfüllung eines langgehegten Wunsches sei, funktionieren hervorragend zusammen. Mensch nimmt ihnen die anfängliche Antipathie ebenso ab wie die allmählich entstehende Vertrautheit, weil sie eben a) in der gleichen beschissenen Situation stecken und einander b) wohl besser kennen und verstehen, als sie es anfänglich dachten. Dass mit Haffner und Pläging auch zwei Meister der Situationskomik und des Timings mitverantwortlich sind, lässt Kurzschluss beinahe zum Selbstzünder werden.
In kurzen Momenten noch einem besoffenen Tom Keune und einem dealenden Vincent Krüger zu begegnen, steigert die Kurzzeitfreude, die dieser feine, kleine, so humorvolle wie warme Silvesterkracher mit sich bringt, um ein Weiteres. Ob es dann zum „potentiellen TV-Klassiker“ reicht, wie Anke Engelke es sich wünscht, werden wir sehen. Sofort vergessen ist Kurzschluss jedenfalls nicht und sei mit Wumms empfohlen.
AS
PS: „Sie haben mich vorhin beinahe umgefahren“ – „Ja, ich hab’s halt eilig“ – „Achso, na dann is’ ja gut.“
Kurzschluss ist ab heute in der ARD-Mediathek zu finden und wird sowohl heute im Anschluss an 2022 — Das Quiz um 23:30 Uhr im Ersten ausgestrahlt als auch am 31. Dezember 2022 um 19:30 Uhr, erneut im Ersten.
Kurzschluss; Deutschland 2022; Regie: Erik Haffner; Drehbuch: Claudius Pläging, Max Bierhals; Kamera: Joseph Strauch; Musikkomposition: Vivan & Ketan Bhatti; Darstellende: Anke Engelke, Matthias Brandt, Vincent Krüger, Tom Keune, Franziska Ferrari, Max Bierhals, Axel Boxhammer; Laufzeit ca, 28 Minuten; Eine Produktion der bildundtonfabrik (Executive Producing: Jule Everts, Philipp Käßbohrer, Matthias Murmann) im Auftrag des WDR für Das Erste (Redaktion WDR: Leona Frommelt)
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