Schräge Vögel in einer schrägen Freundschaft

Beitragsbild: Afrikanischer Pinguin; Boulders Beach, Simon’s Town, Cape Town, South Africa; Foto von Jean van der Meulen

Pinguine sind schon sehr knuffige Tiere. Als Haustier eignen sie sich allerdings nur bedingt, was unter anderem daran liegt, dass sie in Deutschland – anders als beispielsweise der ursprünglich aus Südamerika stammende Nandu – nicht in freier Wildbahn vorkommen.

Der Engländer Tom Michell hingegen hat eine ganz andere Erfahrung gemacht. In den 1970ern teilte er als junger Lehrer in einem Internat in Argentinien einige Zeit sein Heim mit einem Pinguin. Über diese Zeit und die dabei gewonnenen Erfahrungen schreibt er in Der Pinguin meines Lebens – Die wahre Geschichte einer unwahrscheinlichen Freundschaft.

Die Pinguin-WG von Quilmes

Worum geht es in dem von Lisa Kögeböhn übersetzten und bei S. Fischer erschienenen Buch? Während eines Ausflugs nach Uruguay entdeckt Michell, damals in seinen Zwanzigern, am Strand des Badeorts Punta del Este eine Reihe von ölverschmierten, verendeten Pinguinen. Unter den Kadavern findet er Juan Salvado(r) (der Name ergibt sich je nach Sichtweise: spanisch „Salvador“ für „der Erlöser“ oder „Salvado“ für „der Gerettete“), den überlebenden, aber dennoch über und über mit Öl benetzten Pinguin. Er beschließt ihn mit in seine Ferienwohnung zu nehmen, dort gründlich zu säubern und schmuggelt ihn am nächsten Tag mit nach Argentinien.

In den weiteren Kapiteln beschreibt Mitchell das Zusammenleben mit dem Vogel im St. George’s College in Quilmes vor den Toren von Buenos Aires. Es geht um alltägliche Szenen wie die Fütterung des Vogels, die ersten Schwimmversuche im Pool des Internats oder Spaziergänge mit dem „Herrchen“. Ganz besonders spannend sind aber die Situationen, in denen der Pinguin mit anderen Menschen in Kontakt kommt und welche Wirkung er beispielsweise auf die Angestellten der Schule, die Schüler oder Freunde von Michell ausübt. Es wird sehr oft sehr deutlich, welches besondere Band der Freundschaft und Zuneigung zwischen Tom Michell und Juan Salvado(r) entsteht, auch wenn dies nicht unbedingt zu erwarten war – am wenigsten von Michell selbst.

Südamerika hat mehr zu bieten

Darin eingestreut gibt es immer wieder kürzere Abschnitte, die sich nicht direkt um das Zusammenleben mit Juan Salvado(r) drehen. Der Autor erzählt sehr anschaulich und mit einer guten Prise Humor von seinen Reisen in Südamerika, in Argentinien und Paraguay, über vermutlich weite und atemberaubende Landschaften, von wilden Nandus und sich duellierenden Seeelefanten und hauptberuflichen Gauchos. Und natürlich ganz wichtig: Es geht auch immer wieder – wenn auch nur am Rande – um die politische und gesellschaftliche Situation in Argentinien, die zu Zeiten der Militärdiktatur alles andere als spaßig war. Das sind interessante Einschübe, die bei dem einen oder anderen durchaus das Interesse für mehr Wissen zu dem südamerikanischen Land wecken dürften.

Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Leider gibt es keine Fotos, weder von dem Pinguin, noch von anderen Reisestationen oder Erfahrungen, nur ein paar (zweifelsohne niedlichen) Zeichnungen von Pinguinen. Im Epilog wird dies mittelbar auch noch einmal aufgegriffen, aber natürlich würde man sich das eine oder andere Schwarz-Weiß- oder sogar Farbfoto wünschen, das Michells Erfahrungen und Erinnerungen noch einmal besser illustrieren könnte.

Abgesehen davon, dass Pinguine per se äußerst niedliche Tiere sind, ist Der Pinguin meines Lebens ansonsten eine gut austarierte Mischung aus Erfahrungs- und Reisebericht sowie persönlichen Memoiren. Es geht stets um das komplizierte Miteinander von Mensch und Tier sowie auch Mensch und Mensch. Michell beschreibt sehr gut, was das Zusammenleben mit seinem gefiederten Freund mit ihm und seiner Umgebung gemacht hat und somit ist ihm ein Haustierbericht der besonderen Art gelungen. Daher ist es ein sehr lesenswertes und kurzweiliges Buch, das jedem zur Lektüre empfohlen sei, der die kleinen watschelnden Tiere im Frack ebenfalls gerne mag und gleichzeitig ein wenig seichte Unterhaltung sucht. Ach ja, und dass das Buch in der englischen Originalversion im Penguin Books-Verlag erschienen ist, ist natürlich bestimmt kein Zufall 😉

HMS

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Tom Michell: Der Pinguin meines Lebens; Übersetzung aus dem Englischen von Lisa Kögeböhn; Taschenbuch, 5. Auflage 2018, ISBN: 978-3-596-03602-8; 256 Seiten, 12,00€; eBook: ISBN: 978-3-10-403742-4, 256 Seiten, Fischer E-Books, 9,99€

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