„Unverfrorene Freunde“ sind unverfroren informativ und unterhaltsam

Beitragsbild: Auf den Falklandinseln spazierender Felsenpinguin

Was fressen Pinguine? Warum leben sie nur auf der Südhalbkugel? Sind wirklich so viele von ihnen homosexuell? Welchen Gefahren sind sie ausgesetzt? Klemens Pütz forscht seit etwa 30 Jahren zu den watschelnden Frackträgern und ist mit seiner Arbeit einer der wohl profiliertesten Pinguinforscher der Welt. Seine Erfahrungen und Erkenntnisse aus dieser Arbeit hat er bereits vor einigen Jahren gemeinsam mit Dunja Batarilo in dem Buch Unverfrorene Freunde – Wie Pinguine leben und warum sie gefährdet sind festgehalten. Und wir nehmen schon einmal vorweg: Die Lektüre des im Ullstein Verlag erschienenen Buches lohnt sich für alle Tier- und Vogelliebhaber und für alle, die sich für die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur interessieren. Außerdem ist sie eine super Ergänzung für alle, die sich beispielsweise daran erfreut haben, wie der Brite Tom Michell in Der Pinguin meines Lebens (welches wir hier besprochen haben) in den 1970er-Jahren einen ölverschmierten Pinguin in Uruguay, bzw. Argentinien wieder hochgepäppelt hat.

Pinguine an Land, im Wasser und in Gefahr

In drei Teilen beschreiben die beiden Autoren Pütz‘ Erfahrungen aus 30 Jahren Pinguinforschung. Im ersten Abschnitt, „Pinguine an Land“, geht es um das, was wir direkt beobachten können: Pinguinbalz, Brutzeit, Aufzucht des Nachwuchses, Guanoproduktion, und so weiter. Hier wird ausführlich beschrieben, wie die Pinguine ihre Zeit an Land verbringen und wie sie sich untereinander verhalten. Vieles dabei mag einem süß vorkommen, andere Details wiederum mögen einen erstmal irritieren oder gar leichten Ekel bei den Leserinnen und Lesern hervorrufen.

Teil zwei handelt von „Pinguinen im Wasser“. Analog zu Teil eins geht es hier darum, was, wie es der Name schon verrät, die vielseitigen Vögel im Wasser so treiben. Wie und wieso sie in weit entfernte Gegenden schwimmen, wieso sie so viel fressen und wie ein Forscher eigentlich die Wanderschaft von Pinguinen nachverfolgen und diese so wie ihr Futter untersuchen kann. Auch hier ist nicht alles geschmackvoll – zumindest nach dem Empfinden eines Nicht-Meereszoologen oder -Biologen. Spannend und lehrreich ist das aber alles dennoch, denn Pütz und Batarilo steigen hier sehr in die Tiefe der Feinheiten der Forschung, ohne dabei jedoch den Leser mit zu viel technischen Details zu langweilen.

Kaiserpinguine & Küken in der ersten Mauser

Im dritten Teil geht es weniger um das Verhalten der Pinguine, als vielmehr darum, wie sich menschliches Verhalten auf ihr Leben auswirkt. Im Kapitel „Welt im Wandel – Pinguine in Gefahr“ wird detailliert dargelegt, mit welchen vor allem menschengemachten Herausforderungen Pinguine in ihrem Alltag zu kämpfen haben, wie sie sich daran anpassen oder das eben leider nicht schaffen. Pütz schreibt von Ölteppichen, Pinguintourismus, Klimawandel (ja, liebe AfD 🖕) oder der zunehmenden Problematik von Plastikmüll in den Meeren. Natürlich schildern die beiden Autoren aber auch, wie die Pinguine sich teils erfolgreich an die veränderten Umstände anzupassen wissen und andere clevere Verhaltensweisen finden, um mit neuen Bedrohungslagen umzugehen.

Zwischendrin sowie am Ende gibt es außerdem noch zwei kurze Exkurse zum Antarctic Research Trust, einer Stiftung, die Pütz federführend mitgegründet hat und die ihn in seiner täglichen Arbeit bei der Pinguinforschung unterstützt. Das kann man als Eigenwerbung abtun, ist aber durchaus sinnvoll, denn wenn man über all die Gefahren liest, derer die Pinguine sich ausgesetzt sehen, ist es umso spannender ebenfalls zu erfahren, was unmittelbar getan werden kann, um die Tiere und die Natur im Allgemeinen zu schützen. Beispielsweise hat der Trust bereits einige Inselchen vor den Falkland Islands gekauft und „forstet“ diese mit Tussockgras auf, um den Pinguinen und anderen Tieren den ursprünglichen Lebensraum zu gewährleisten. Außerdem setzt er sich für die Anerkennung der Inseln als Naturschutzgebiet ein.

Ein wissenschaftlich fundiertes Buch für ein breites Publikum

Unverfrorene Freunde erlaubt den interessierten Leserinnen und Lesern wie bereits erwähnt einen spannenden Einblick in die Erfahrung des Forschers Klemens Pütz. Dabei stellt er gemeinsam mit Dunja Batarilo wesentliche Ergebnisse seiner Forschung zusammen, trifft dabei aber einen sehr ansprechenden Ton, der einer breiten Leserschaft zugänglich sein dürfte. Das Buch beschreibt die wissenschaftliche Vorgehensweise, im Rahmen seiner täglichen Arbeit und schafft es sehr gut, teils komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge gut verständlich darzulegen und diese immer mal wieder mit einem kurzen Schwank und manch einer Anekdote auszuschmücken. Dankbar darf man auch dafür sein, dass die Autoren nie zu sehr in wissenschaftliche Fachtermini abgleiten und wenn doch einmal, dann erklären sie diese unmittelbar. Es handelt sich also sowohl auf informativer wie auch erzählerischer Ebene um ein sehr gelungenes Buch, das es schafft, harte Fakten populärwissenschaftlich aufzubereiten und die Inhalte für eine breite Masse zugänglich zu machen.

Eselspinguine in der Arktis vor einem Schiff

Besonders nützlich ist dieser Ton im dritten Teil, in welchem es um die Gefahren geht, mit denen Pinguine konfrontiert sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die Leser dabei erwischen, wie sie mit den Pinguinen mitfühlen und überlegen, wie sie sogar selbst etwas zum Pinguinschutz beitragen können – sei es durch den Verzicht auf eine Autofahrt und somit die Einsparung von Benzin oder durch die Vermeidung von Plastik bzw. zumindest durch besseres Recycling. Unverfrorene Freunde schafft es nicht nur, das sich aktuell stark in Mode befindliche Thema Klimaschutz anzusprechen, sondern weitere Aspekte wie Biodiversität, Meeresverschmutzung oder Walfang zu beleuchten und diese in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Das ist eine nicht zu unterschätzende Leistung.

Kritik bauen die Autoren in bester wissenschaftlicher Manier vor

Gibt es etwas zu kritisieren? Die Autoren bauen an vielen Stellen selbst der zu erwartenden Kritik vor: Als Pütz sein – zugegebenermaßen nicht zimperliches – Vorgehen bei einer Magenspülung beschreibt, entgegnet er direkt, dass das die genaueste und wohl auch schonendste Methode sei, die Fressgewohnheiten von Pinguinen zu erforschen. Das stimmt, spaßig finden es die Tiere wohl dennoch nicht. Auch als er über Einschränkungen spricht, die Tiere mit einer unter dem Gefieder angebrachten Sonde zum Beispiel bei der Futtersuche haben können, sagt er, dass er sich des Eingriffs in die Natur bewusst sei, dieser aber unter allen möglichen Eingriffen und Konsequenzen wohl der am wenigsten invasive sei.

Das zeigt, dass Pütz Forscher durch und durch ist, denn das Buch antizipiert die Argumente der Gegner und rechtfertigt Pütz‘ Vorgehen – genau wie es gute Wissenschaft machen sollte. Und es ist vermutlich auch richtig so, denn lieber erfahren wir mittels einiger Tiere etwas über das Verhalten von Pinguinen und nutzen die daraus gewonnenen Erkenntnisse dafür, sie bestmöglich zu schützen.

Ansicht Antarktis & Pinguine (vermutlich Königs- oder Kaiserpinguine) am Strand

Ein Eingriff in deren Natur bleibt es dennoch, hier wird aber auch gar nicht versucht diesen wegzudiskutieren. Im Gegenteil, denn nun kommen die beiden Exkurse zum Spiel: Die Autoren beschreiben hier sehr gut, wie Pütz die Erkenntnisse seiner Forschung nutzt, um Pinguine bestmöglich zu schützen. Das ist eigentlich ein tolles Vorgehen und man wünscht sich an vielen Stellen, dass Menschen so handeln würden, wie Pütz in seiner Forschung. Die eigentlich dahinterstehende Frage ist dann, wie weit die Forschung nach ethischen Maßstäben gehen darf. Aber das ist eine größere Thematik, die auch weit über die Arbeit von Pütz und die Inhalte dieses Buchs hinausgeht.

In Summe kann Unverfrorene Freunde somit als Lektüre uneingeschränkt empfohlen werden. Nicht nur die beiden Bildabschnitte in der Mitte sind supersüß, sondern es gibt obendrauf noch eine kurzweilige, halbwegs aktuelle Zusammenfassung über den aktuellen Stand der Pinguinforschung – und über die Gefahren, derer sich die Vögel aus der südlichen Hemisphäre ausgesetzt sehen, und so unmittelbar auch wir Menschen. Daher: deutliche Leseempfehlung an alle!

HMS

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Klemens Pütz & Dunja Batarilo: Unverfrorene Freunde – Wie Pinguine leben und warum sie gefährdet sind; Taschenbuch, 1. Auflage 2019; 272 Seiten, zwei Bildteile; ISBN: 978-3-548-06100-9; Ullstein Taschenbuch; 10,00 €; auch als eBook: ISBN: 978-3-843-71865-3; 9,99 €

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitstzeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert