Ein Pinguin macht noch keinen guten Film

Es gibt bekanntermaßen Dinge, die verkaufsfördernd wirken sollen. Leicht oder gar nicht bekleidete Personen beispielsweise. Oder Kinder. Oder Tiere. Also manche. Grottenolme bringen vermutlich nur wenige Kassen zum Klingeln. Pinguine gehören mit ihrem süßen Watscheln, ihren herumfliegenden Flossen und ihren eindringlichen Äuglein oftmals auch dazu.

Umso nachvollziehbarer also, dass ein Pinguin namens Paul eine wesentliche Rolle in dem Film Die Chaosschwestern und Pinguin Paul von Regisseur Mike Marzuk spielt, der am 25. Januar 2024 in den deutschen Kinos startet. Paul nämlich soll aus einem Zoo in seine chilenische Heimat überführt werden. Allerdings landet er statt in einer Propellermaschine beim Möchtegern-Magierduo Mary und Marc (Janine Kunze und Max Giermann), das mit Paul als neuem Star seiner Show die hierzulande erfolglose Karriere in Las Vegas nach einer Überfahrt per Kreuzfahrtschiff neustarten will.

Quintett mit flugunfähigem Vogel

Paul jedoch büxt aus und landet während der Ferien im Haus der vier Schwestern Livi, Tessa, Malea und Kenny (Lilit Serger, Momo Beier, Cara Vondey und Rona Regjepi). Mutter und Vater sind für ein paar Tage ungeplant aus dem Haus und die jungen Mädchen somit auf sich selbst gestellt.

©DCM blueeyes Schlieter

Livi ist die erste, die Paul entdeckt und eine Art Rädelsführerin. Gemeinsam mit ihren Schwestern sowie dem Nachbarsjungen Deniz macht sie sich auf, um Paul in seinen Zoo zurückzubringen, denn natürlich war Pauls Rückführung ein kleines Medienspektakel. Mary und Marc kommen dem Quintett mit flugunfähigem Vogel jedoch auf die Schliche und jagen sie – schließlich steht mit Paul auch ihr Schicksal auf Messers Schneide…

Pinguin-baiting

Es gab vor einigen Jahren einen Münsteraner Tatort, in dem es um einen aus dem dortigen Zoo entführten Pinguin ging. Dieser sollte einem stinkreichen Mann zum Essen serviert werden, denn er hatte sich nach einem Flugzeugabsurz Jahre zuvor von polaren Tieren ernähren müssen – ein Gefühl, das er sich an seinem „zweiten Geburtstag“ noch einmal „gönnen“ wollte.

©DCM blueeyes Oliver Oppitz

Nun sind die Tatorte mit Thiel und Boerne im Volke zwar beliebt, aber nicht immer von allergrößter Logik auf der Handlungsebene gekennzeichnet. Leider lässt sich das auch über die Chaosschwestern behaupten. Inspiriert von der erfolgreichen Kinderbuchreihe haben die Drehbuchautoren (neben Marzuk noch Korbinian Wandiger) nämlich hier ein nicht sehr überzeugendes Konzept für den Film erdacht.

Etwas gezwungen

Wir haben verschiedenste Elemente, die gerade eine junge und jugendliche Zielgruppe ansprechen sollen: eine Influencer-Schwester, eine komplizierte Liebelei mit dem Nachbarsjungen, dazu die Repräsentation von Minderheiten (Deniz und sein etwas… spezieller Vater haben einen – wie es so unschön heißt – Migrationshintergrund) und Eltern, die sich nicht ganz so um ihre Kinder kümmern, weil sie zu sehr in ihren eigenen Welten leben.

©DCM blueeyes Frank Dicks

Für viele junge Menschen dürfte das einigermaßen dem heutigen Alltag entpsrechen, also halbwegs realistisch sein. Dazu kommt das Antagonisten-Duo, das von Kunze und Giermann herrlich überzeichnet verkörpert wird und zu einem späteren Zeitpunkt sogar zu einem Trio anwächst. Etwas dümmliche Feinbdilder (und Chef-Antagonistin ist in diesem Fall einmal mehr die Frau – da wird mal wieder das Böse-Hexen-Klischee bedient) gehören in solchen Jugendfilmen zwar dazu, aber das ist in diesem Fall schon eher Satire, auch wenn Kunze und Giermann das durchaus gekonnt verkörpern.

Unlogisch und impulsiv

Noch ärgerlicher sind jedoch die vielen Logikfehler oder unerklärlichen Impulshandlungen, die Livi und Co. an den Tag legen. Ja, Kinder und Jugendliche denken und handeln zumeist weniger rational und planvoll als Erwachsene und das sei ihnen auch zugestanden. Aber die Fehler und Ungereimtheiten summieren sich bei den Chaosschwestern schon arg zusammen.

©DCM blueeyes Menke

Paul auf eigene Faust in den Zoo zurückzubringen, nachdem nicht einmal versucht wurde, ein Missverständnis mit der Polizei aufzuklären oder den Pinguin nach viel Fürsorge einfach vertrauensvoll in die erstbesten Hände abzugeben, nein, das und noch manch anderes klingt nicht nach halbwegs sorgsam agierenden jungen Menschen, als die uns die Chaosschwestern trotz des Namens zumindest in Teilen präsentiert werden.

Achtsam sein statt schlampig

Natürlich folgen Kinder- und Jugendfilme an vielen Stellen ihren ganz eigenen Logiken und müssen nicht durchchoreografiert werden wie ein Oscar-Film oder auch manch ein guter Tatort oder Polizeiruf 110. Das erwartet auch niemand. Gerade Kinderfilme können auch ein wenig Magie und Mystik vertragen, Dinge, die nicht erklärbar sind. Bei Die Chaosschwestern und Pinguin Paul jedoch sind Drehbuch und Handlung derart schlampig und wenig konsequent umgesetzt, dass einem das Publikum ähnlich leidtut wie die wohl nicht unwesentlichen Summen an Filmförderung, die hier verbrannt wurden.

Den Pinguinen auf der Welt geht es nicht gut – und die Schuld daran trägt vor allem der Mensch. Durch sein Handeln hitzt er die Atmosphäre auf und nimmt den Pinguinen so ihren Lebensraum. Darauf aufmerksam zu machen ist eines der Ziele des heutigen Penguin Awareness Day.

Deshalb ist es gut, wenn Pinguine eine Rolle bereits in Kinderfilmen oder -büchern spielen und in unserem Alltag präsent sind. In Die Chaosschwestern und Pinguin Paul ist der flugunfähige Vogel jedoch nur Staffage und Objekt, das vermutlich auch für eine Art Pinguin-baiting sorgen soll. Schade, denn aus der Story um Livi und Co. hätte sich vermutlich ein guter Film machen lassen. Was hier passiert ist, ist allerdings leider eher in die Hose gegangen.

HMS

Die Chaosschwestern und Pinguin Paul startet am 25. Januar 2024 in unseren Kinos.

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