Das ist die beste Zeitverschwendung meines Lebens

„Die Zeit ist ein merkwürdig‘ Konstrukt: Ist sie knapp, so verrinnt sie dir wie Sand zwischen den Fingern. Hast du aber zu viel davon, so klebt sie wie ein zäher Teig zwischen deinen Händen.“ Es wäre wohl nicht unwahrscheinlich, solch bedeutungsschwangere Sätze von den philosophischen Vordenkern dieser Republik zu hören. Robert Habeck wäre so ein Kandidat.

Kaputt: Borowski wird ins Krankenhaus gebracht // © NDR/ARD/Thorsten Jander

Ein anderer, der solche Sätze von sich geben könnte, kommt ebenfalls aus Schleswig-Holstein, nämlich Klaus Borowski. Der von Axel Milberg verkörperte Kieler Ermittler bekommt ja gerne solche oder ähnlich klingende Sätze auf den Leib geschrieben. So auch im Tatort: Borowski und die große Wut, der am heutigen Abend im Ersten läuft.

„Wo ist denn Ihr Keller?“

Anders als sonst an dieser Stelle fangen wir nicht mit der Handlungsbeschreibung, sondern direkt mit der (kurzen) Analyse an. Denn an diesem Fall des Teams um Regisseurin Friederike Jehn und die Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn stimmt kaum etwas. Die Mono- (vor allem Borowski) und Dialoge sind unglaublich schlecht geschrieben und lassen uns einfach nur die Hände über dem Kopf zusammenwerfen, dass wir uns selbst für die Village People halten.

Dr. Kroll (Anja Antonowicz) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) beraten sich – wo der Keller sein könnte? // © NDR/ARD/Thorsten Jander

Wenn beispielsweise Borowskis Co-Ermittlerin Mila Sahin (Amila Bagriacik) aufgelöst an den Empfang eines Krankenhauses kommt, in dem Borowski nach einem Schlag auf dem Hinterkopf kein stiller Gast ist, und fragt: „Wo ist denn Ihr Keller?“, mögen sich manche denken, dass dieser Satz der Gefahr im Verzug geschuldet ist. Aber ein einfaches „Wie komme ich zu Ihrem Keller?“ hätte es doch auch getan.

Bei Anruf Mord – bitttteeeee!

Keller, gutes Stichwort. Dort war nämlich auch die Aufmerksamkeitsspanne bei diesem Fall. Ein junges Mädchen stößt eine Frau vor einen Lastwagen, während sie frustriert oder verstört durch die Stadt läuft. Mag es daran liegen, dass die von Caroline Cousin verkörperte Celina – so heißt die junge Dame, wie wir später erfahren – ihre Großmutter in deren Keller erstochen hat? Oder ist sie einfach nur auf der Flucht und packt dabei ihre Schwester Finja ein, weil den beiden Gefahr droht?

Wir wissen es nicht und der lädierte Borowski versucht es aus dem Hospital herauszufinden, indem er versucht, Celina (und manchmal Finja), die rein zufällig seine Nummer hatten, Details zu entlocken und sie für die Polizei greifbar zu machen. Leider ist das noch weniger spannend und nachvollziehbar als in den anderen jüngeren Fällen des Drehbuchduos Zahn, nämlich die Kölner Fälle Abbruchkante und Hubertys Rache. Sorry, aber diese Art der Fernsprechermittlung hat bei uns nicht einmal die Aufmerksamkeitsspanne einer Telefonseelsorge geweckt.

Auch kaputt: Borowskis ach so geliebte Drecksschleuder. Schladitz (Thomas Kügel) hat Mist gebaut // © NDR/ARD/Thorsten Jander, honorarfrei – Verwen

So bleiben wir bei diesem Tatort: Borowski und die große Wut vielleicht nicht wütend zurück, aber fragen uns dennoch, wo unser Abend hin ist. Denn – um zu unserem Ursprungsgedanken zurückzukommen – dafür, dass hier tatsächlich so wenig geschieht, die Handlung so unglaublich wenig nachvollziehbar und packend, ist und die Dialoge im Idealfall ein lautes „Ha!“, im Regelfall aber ein genervtes Augenrollen hervorrufen, hat uns diese Folge erstaunlich viel Lebenszeit geraubt. Von Putzen über Wurzelbehandlung bis Steuererklärung oder vermutlich sogar das Manuskript von Club Sandwich ist mensch mit fast jeder Tätigkeit besser bedient als mit diesen (ja, tatsächlich nur) knapp 90 Minuten.

HMS

Kann schön blöde aus dem Rohr gucken: Borowski (Axel Milberg) // © NDR/ARD/Thorsten Jander

Tatort: Borowski und die große Wut läuft am 7. Mai 2023 um 20:15 Uhr im Ersten; um 21:45 Uhr auf one und ist anschließend für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Borowski und die große Wut; Deutschland 2023; Regie: Friederike Jehn; Drehbuch: Eva und Volker A. Zahn; Bildgestaltung: Sten Mende; Musik: Lorenz Dangel; Darsteller*innen: Axel Milberg, Almila Bagriacik, Thomas Kügel, Anja Antonowicz, Roger Bonjour, Caroline Cousin, Sophie von Kessel, Joel Williams, José Barros, Jil; Laufzeit ca. 89 Minuten; Eine Produktion der Nordfilm  GmbH, gefördert von der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks für Das Erste.

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