„Ein Höllentrip“ nennt der Focus das Buch Das Handwerk des Teufels, das im Original The Devi All the Time heißt und unter dem gleichen Namen verfilmt worden ist. Diesen Film wollen wir hier besprechen (und demnächst die Buchvorlage). Die Besprechung beinhaltet ein oder zwei kleinere Spoiler und sie spart gewisse Grausamkeiten nicht aus. Der Film ist in der Tat ein Höllentrip, es gibt zwar ein paar wenige Momente des Lichts, aber alles in allem lässt sich festhalten – „there are many sons of bitches out there.“
Boshaft, hinterhältig & egoistisch
Dieser Satz durchzieht die ganze Geschichte. Gesagt bekommt ihn unser „Held“ Arvin als Kind von seinem Vater Willard (Bill Skarsgård), der nicht nur ein wenig verstört, sondern auch nach Vernunft suchend aus dem Krieg zurückkehrt. Doch die alltägliche Bigotterie und schlicht Abgefucktheit lassen ihn verzweifeln. Arvin wird älter und die Welt nicht besser: Serienmorde, Korruption, boshafte Priester, sterbende geliebte Menschen und manchmal einfach einige dumme Zufälle, lassen auch Arvin nach und nach verzweifeln. Oder ist das einfach Gottes Plan?
Wie auch von dem oben genannten Zitat, wird der Film von dieser Frage durchzogen: Ist das Leben so oder ist das ein großer Plan? Und falls ja, wer ist berechtigt im Rahmen dieses Plans zu sprechen? Ist es der Priester? Ist es der aus einem Selbsterhaltungstrieb heraus agierende Sheriff? Ist es Arvins gutherzige und vom Leben gezeichnete Großmutter? Ist es Arvin? Oder dessen tiefgläubige Stiefschwester? Oder haben die einfach alle Wahnvorstellungen? Die Handlung wird durch die Erläuterungen des Erzählers eingerahmt, der in der Originalfassung niemand geringes als der Autor der Vorlage, Donald Ray Pollock, höchstselbst ist.
Ein gut zusammengeführtes Gesamtkonzept
The Devil All the Time ist bei aller Düsternis so großartig besetzt, dass man als Zuschauerin und Zuschauer beinahe jede Sünde und jede Dummheit vergessen haben möchte. Angefangen bei Bill Skarsgård der sich hier den Arsch abspielt und schlicht faszinierend ist, auch in seinem Wandel von abgeklärt zu liebend zu zweifelnd und dann verzweifelnd. Tom Holland als sein älter gewordener Sohn Arvin ist überzeugend und es wird gern vergessen, dass der gute Junge bereits vor Spider Man sehr ernste Rollen hatte.
Robert Pattinson als besonders bigotter evangelikaler Prediger ist so drüber, wie es für die Rolle sein muss – und das wird schon überdeutlich, wenn er das erste Mal den Mund öffnet; Eliza Scanlen als Arvins Stiefschwester Lenora ist eine große Entdeckung für mich gewesen. Haley Bennett geht etwas unter; dafür wird, wie ich finde, die großartige Leistung von Kristin Griffith als Arvins Großmutter Emma weithin unterschätzt. Sebastian Stan darf mal wieder zeigen, dass er sehr vielseitig ist und Riley Keough kommt zwar etwas kurz, wenn es um Charakterbildung geht, ist aber dennoch vermittelbar. Jason Clarke hingegen bleibt ein wenig in seiner Fähigkeit hinter einem Lächeln Böses zu verstecken stecken.
Ein Glaube & viele Interpretationen
Als ich den Film schaute, der natürlich voll von religiösen Songs ist, musste ich immer wieder an einen denken: Redemption Day von Johnny Cash. Der wird zwar im Film nicht gespielt, passt aber sehr gut um die Stimmung zu beschreiben. Ob es dann die sich erhängende schwangere Nicht-mehr-Jungfer ist oder der das Lächeln suchende Mörder oder im Sinne der (selbst ermächtigten) Gerechtigkeit handelnde Vollstrecker. Alles wird durch die Verwendung von – zumeist religiöser – Musik unterstützt und so in seiner Wirkung bekräftigt.
The Devil All the Time ist in vielerlei Hinsicht grausam. Es gibt gute Menschen und sie werden für ihr gutes Wesen, ja für ihre vermeintliche Naivität bestraft. Es gibt schlechte Menschen, die meinen Gutes zu tun. Es gibt jene, die um ihr schlechtes Selbst wissen, ihre Umgebung bewusst manipulieren und mit den Gegebenheiten in ihrer Umgebung zu arbeiten wissen. Der Glaube an Gott definiert hier alles. Wie aufgrund des Glaubens gehandelt werden sollte, wird sehr unterschiedlich interpretiert und auch für uns als Zuschauer.innen öffnen sich diverse Interpretationsmöglichkeiten. Gerade das gibt The Devil All the Time seinen besonderen Reiz.
AS
The Devil All the Time; USA 2020; Regie: António Campos; Drehbuch: António Campos, Paulo Campos; basierend auf der Romanvorlage „Das Handwerk des Teufels“ von Donald Ray Pollock; Musik: Saunder Jurriaans & Danny Bensi; Kamera: Lol Crawley; Darsteller: Robert Pattinsons, Tom Holland, Bill Skarsgård, Riley Keough, Haley Bennett, Sebastian Stan, Jason Clarke, Mia Wasikowska, Eliza Scanlen, Harry Melling; Laufzeit: ca. 138 Minuten; FSK: 16; Nine Stories Productions; seit dem 16. September auf Netflix zu sehen; empfohlen ist die OV mit englischen Untertiteln
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Seht hier den wirklich gut gemachten Trailer, der die Stimmung des Films perfekt vermittelt ohne zu viel vorwegzunehmen.
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