Zynisch und menschenfeindlich: Zwangs-Outings von queeren Schutzsuchenden

Das Auswärtige Amt und das BAMF zeigen mit ihren „bedauerlichen Fehlern“ von Zwangs-Outings und dem beinahe zynischen Umgang mit diesen sehr deutlich, was sie von Sorgfaltspflicht, Menschenrechten und dem Schutz des Lebens halten. Ein Kommentar.

70 Staaten kriminalisieren homo- und auch bisexuelles Verhalten, in 11 Staaten droht aufgrund der gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung gar die Todesstrafe. Die Zahlen dürften bekannt sein. Dennoch sollte immer wieder auf die prekäre Lage frauenliebender Frauen und männerliebender Männer hingewiesen werden. Worauf allerdings nicht hingewiesen werden sollte, ist auf die sexuelle Orientierung Flüchtender in ihrem Herkunftsland, bei ihren oft intoleranten Familien und gegenüber den repressiven Regimen. Genau da jedoch sind der Bundesregierung „bedauerlicherweise Fehler“ unterlaufen.

Wir prüfen, vielleicht…

Dies hatten das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesinnenministerium gemeinsam in einem Brief an den Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) erklärt. Dabei ging es konkret „nur“ um zwei Fälle von Geflüchteten aus Pakistan und Nigeria, wie der Evangelische Pressedienst (epd) kürzlich berichtete. In den beiden Fällen hatten sogenannte Vertrauensanwält*innen des SPD-geführten Auswärtigen Amts bei Nachforschungen in den Herkunftsländern die betreffenden Geflüchteten geoutet. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Praxis nicht nur in den zwei Fällen angewandt wurde – in einem dritten Fall wird ein ähnliches Muster vermutet. Patrick Dörr, Bundesvorstand des LSVD ergänzt, dass auch nichts darauf hindeute, dass es keine weiteren Fälle gebe, ganz im Gegenteil: In einem Instagram-Update benennt der LSVD weitere Fälle.

Doch liegt die Verantwortung hier nicht allein beim AA, sondern ebenso beim CSU-geführten Innenministerium, das Asylanträge über das ihm angeschlossene, vom CSU-Mitglied Dr. Hans Eckhard Sommer geleitete, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bearbeitet. Bestehen dort Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe und an der Schutzbedürftigkeit – wie beispielsweise der Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung – geht eine Anfrage an das Auswärtige Amt, welches dann vor Ort Nachforschungen anstellt. 

Der LSVD zu den Zwangs-Outings. // via Instagram

Das Innenministerium gab nun an, das BAMF werde künftig „Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und die übermittelten Inhalte einer Anfrage an das Auswärtige Amt vorab noch stärker überprüfen.“ Na, wunderbar! Nach dem Bekanntwerden solcher Fälle kommt man nun also darauf, dass es so etwas wie eine nicht nur einseitige Sorgfaltspflicht geben könnte. Also nicht nur den Schutz vor illegaler Zuwanderung, sondern auch den Schutz des Lebens und der Privatsphäre der Flüchtenden. Ach ja, ganz nebenbei: Das Vorgehen der Ministerien verstößt ganz eindeutig gegen die Verfassung.

„Paranoide Angst“

Wir können es nicht treffender sagen als Patrick Dörr: „Im BAMF scheint es eine fast schon paranoide Angst davor zu geben, dass Asylsuchende nur vortäuschen, lesbisch oder schwul zu sein, sodass auch reihenweise tatsächlich lesbischen, schwulen und bisexuellen Geflüchteten ihre Identität abgesprochen wird.“

Beinah passend zynisch wirkt da schon die wegwischende Antwort des BAMF-Präsidenten, der nicht konkret auf die Fälle eingeht und, wenn wir es genau lesen, nur die Möglichkeit in den Raum stellt, anders vorzugehen, da das Eingeständnis der unterlaufenen Fehler noch lange kein Abweichen von der gängigen Praxis bedeutet. Ganz im Gegenteil wird in dem Schreiben auf die Zweckmäßigkeit und Richtigkeit verwiesen, wenn es heißt: „Unabhängig von dem grundlegenden Nutzen der Sachaufklärung im Herkunftsland sind in den von Ihnen geschilderten Fällen bedauerlicherweise Fehler unterlaufen.“

Sven Lehmann und Ulle Schauws, Sprecher und Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion für Queerpolitik, hatten sich bereits im März mit einem Schreiben an BAMF-Präsident Dr. Sommer gewandt und kommentieren nun, dass die Praxis der Outings sofort beendet werde müsse: „Sie basiert auf dem Misstrauen gegenüber queeren Menschen, denen schlimmste Strafen in ihren Herkunftsländern drohen. Und sie ist Ausdruck der Ignoranz gegenüber dieser vulnerablen Gruppe, deren Angehörige kriminalisiert, schikaniert und in manchen Ländern wegen ihrer sexuellen Identität ermordet werden.“

Spiel mit Menschenleben

Der LSVD zeigt sich zwar zuversichtlich, dass diese Outings nun ein Ende hätten und fordert via Instagram: „Das BAMF und das AA müssen diese skandalösen Menschenrechtsverletzungen sofort beenden.“ Die Grünen Lehmann und Schauws scheinen ebenso größere Zweifel an der auch von ihnen als unzureichend befundenen Antwort und möglichen Konsequenzen zu hegen und fordern Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und Dr. Sommer auf, „das Leben der in Deutschland Schutz Suchenden und ihrer Familien nicht weiter zu gefährden und die verfassungswidrige Praxis in ihren Behörden umgehend zu stoppen.“ Der Sprecher für LSBTIQ*-Themen in der FDP, Jens Brandenburg, sagt gehe offensichtlich nicht nur um Einzelfälle: „Die Zwangsoutings sind ein systematisches Problem, für das bisher niemand die Verantwortung übernimmt. Die Bundesregierung darf die ungewollten Outings nicht länger kleinreden. Sie sind verfassungswidrig und ein menschenrechtspolitischer Skandal“, denn das Outing Asylsuchender in deren Herkunftsstaaten durch deutsche Behörden, könne Leben kosten. 

Das AA gab immerhin an, seine Botschaften bei der Amtshilfe in Asylangelegenheiten dafür sensibilisieren zu wollen „besonderes Augenmerk auf datenschutzrechtliche Bestimmungen zu legen“. Da können wir uns doch vor Begeisterung kaum mehr halten! Es ist nicht ohne bittere Ironie, dabei im Blick zu haben, dass sich das Auswärtige Amt zum einen immer wieder wortkräftig gegenüber der Fraktion der AfD zu seiner internen LGBTIQ*-Arbeitsgemeinschaft Rainbow bekennt und mit der Bundesregierung – nach langem und zähem Ringen – nun endlich auch ein LSBTI-Inklusionskonzept für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit verabschiedet hat. Mit diesem will man sich international stärker für die Menschenrechte queerer Personen einsetzen.

Noch einmal: Zwangs-Outings sind verfassungswidrig.

AS

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