„Is halt viel Sand, weit und leer, ne?“ So oder so ähnlich ist häufig zu hören, wenn man mit jemandem über die Wüste spricht. Dabei ist Wüste weit mehr als „Sand, weit und leer“ (und Sand auch ein Stoff, über den es sich ohnehin intensiver nachzudenken lohnt). Und wenn doch, dann hat auch das Charme und kann, ähnlich wie die leeren Steppen Kasachstans, große Faszination ausüben – bereits in Gregor Sailers Bildband The Polar Silk Road haben wir jüngst gesehen, welchen Charme beispielsweise eine Eiswüste ausüben kann.
In die letzte Kategorie sortieren sich Sonja Piontek und Carolyn Strover ein. Während Deutschland im Herbst 2020 in die zweite Coronawelle samt Lockdown ging, besuchten die beiden Frauen eines der wohl am meisten von der Wüste geprägten Länder der Welt: Namibia. Die Eindrücke ihrer knapp vierwöchigen Reise hielten sie in Bild und Text fest. Hieraus entstand der Band Sonnengeflüster – Zwei Frauen offroad durchs unbekannte Namibia, der jüngst bei National Geographic erschien.
Spontanurlaub im Nirgendwo
Piontek und Strover beschlossen Ende 2020 relativ spontan – für die Vorbereitung blieben ihnen gerade einmal vier Wochen – die frühere Kolonie Deutsch-Südwestafrika zu bereisen. Am besten eignet sich dafür ein Mietwagen, mit dem man auch offroad gehen kann, denn die Straßenverhältnisse im Land sind zwar für afrikanische Verhältnisse gut, aber mit denen in Europa dennoch nicht zu vergleichen.
Die beiden besuchen unter anderem „die üblichen Orte“, die Touristen anlocken: den Etosha-Nationalpark, Swakopmund und seine Dünen an der Küste sowie das bekannte Sossousvlei mit dem ausgetrockneten Salzsee Dead Vlei und seinen knorrigen, vertrockneten Bäumen. Aber auch einige weniger frequentierte Orte liegen auf ihrer Route: Damaraland im Nordwesten oder Lüderitz im Süden mit der vorgelagerten und verlassenen Geistersiedlung Kolmanskop beispielsweise.
Einige andere bekannte und sehenswerte Orte – der Fish River Canyon, die Kalahari, der berüchtigte Waterberg oder die gesamte Sambesi-Region (früher als „Caprivi“ bekannt) fehlen leider. Bei so kurzer Vorbereitung und ähnlich kurzer Aufenthaltsdauer ist das allerdings überaus nachvollziehbar, denn die Strecken in Namibia sind weit, deutlich weiter als bei uns und die Straßenbedingungen eben nicht immer so einfach.
Stämme und Geschichten
Besonders ins Auge stechen aber die Besuche bei einigen der Stämme Namibias, den San oder den Himba. Die Bilder und die Informationen, die Piontek und Strover den Leserinnen und Lesern hier liefern, sind sehr beeindruckend und lehrreich. Gerade als Deutsche mit kolonialer Vergangenheit in Namibia sind diese Einblicke überaus bedeutend – selbst wenn die San und die Himba nicht die „Hauptleidtragenden“ der deutschen Herrschaft waren.
In den Texten Pionteks gibt es immer wieder wichtige Hintergrundinformationen zu Orten, Menschen, Geschichte und deren Bedeutung. Gleichzeitig kommt auch die Beschreibung der eigentlichen Reise nicht zu kurz: schöne Momente, manch eine Panne bzw. Hindernisse oder auch einfach die Freude über Apfelkuchen und Leberkäse mitten in der Wüste. Gerade aber in vermeintlichen Belanglosigkeiten zeigt sich in Teilen auch die gute Mischung aus Information und Unterhaltung. Bei einer Kapitellänge von zwei bis ca. sechs Seiten (inklusive Fotos) ist das aber völlig angemessen und unterhält die Leserinnen und Leser sehr gut.
Die Fotos: Wow!
Das eigentliche Highlight von Sonnengeflüster sind allerdings die Bilder von Carolyn Strover. Sie hat es geschafft, viele Momente sehr gut einzufangen. Das sind Portraits von Menschen, Aufnahmen von wilden und nicht ungefährlichen Tieren, oder einfach nur großartige Momentaufnahmen der außergewöhnlichen Landschaften.
Egal ob es wilde Löwen oder Flamingos, ein domestiziertes Zebra, ein wolkenverhangener Himmel über einem verlassenen Mauerrest, gelbe, rötliche oder graue Dünen im Licht der Sonne oder Menschen bei der Jagd oder abendlichen Ritualen sind, Strover hat für den gemeinsamen Band unglaublich schöne Bilder gemacht, die große Lust auf eine Reise nach Namibia machen. Besonders auf den doppelseitigen und großformatigen Fotos kommt das sehr gut zur Geltung. Man fühlt sich fast an den wunderbaren Band Geheimnisse der Tierwelt mit detailversessenen Tierzeichnungen des aus Südafrika stammenden Ben Rothery erinnert.
Feel-too-good-Buch?
Ein kleines Manko gibt es hier allerdings doch: Die Bildbeschriftungen sind teilweise ein wenig nichts sagend. Aus den Texten Pionteks erschließt sich zumeist zwar, welche Zusammenhänge und Szenerien hier dargestellt sind, aber manchmal passt das auch nicht unbedingt gut dazu. Und was unserem Geschmack gar nicht entsprach, waren die immer wieder – vor allem in den doppelseitigen Bildern – hinzugefügten „Weisheiten“ wie „Im Leben findest du den wirklichen Luxus oft in ganz einfachen Dingen.“
Stimmt, aber solche Sprüche finden wir eigentlich lieber auf Kalendern (die wir dann stehen lassen) als in einem Reisebuch, wobei das natürlich Geschmackssache ist. Und zu einer Autorin (Sonja Piontek), die nebenher als Motivationstrainerin tätig ist, passen solche Sprüche natürlich sehr gut, ähnlich wie der etwas blumige Titel des Buches. Auch das sehr lesenswerte Vorwort von Reiseveteran Michael Martin kann das unserer Meinung nach nur bedingt auffangen.
Alles in allem lässt sich aber festhalten, dass Sonnengeflüster ein sehr schöner und abwechslungsreicher Band ist, der das Reiseziel Namibia sehr gut in Wort und vor allem Bild illustriert. Gepaart mit den fast durchgehend ansprechenden Erlebnisschilderungen Sonja Pionteks wissen vor allem die mühsam aufgenommenen und sorgfältig ausgewählten Bilder von Carolyn Strover zu überzeugen. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass Namibia ein unglaublich schönes und ansprechendes Reiseziel ist und das wird durch die beiden Autorinnen besonders unterstrichen.
HMS
Sonja Piontek (Texte) und Carolyn Strover (Fotografie): Sonnengeflüster – Zwei Frauen offroad durchs unbekannte Namibia; Vorwort von Michael Martin; 1. Auflage, September 2021; Hardcover, mit Lesebändchen; 224 Seiten; ca. 200 Abbildungen; Format: 16,8 x 24,1 cm; ISBN: 978-3-86690-775-1; National Geographic; 24,99 €
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