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Die wenigsten von uns dürften etwas gegen eine sommerliche Liebschaft oder gar Liebe haben. Wir sprechen nicht umsonst von Frühlingsgefühlen, kommen doch mit den ersten warmen Sonnenstrahlen die Dinge ein wenig beschwingter in Wallung. Im Sommer erst recht. Sich etwas verknallt an einem Strand, einer Promenade oder auch im sonnigen Abendlicht auf der Langen Reihe in die Augen zu schauen, ist eben etwas anderes als bei den berühmten Schnee– und Graupelschauern in Dunkelheit um 16:13 Uhr. Genau diesem Gefühl gibt sich der niederländische Film Just Friends hin, der am heutigen Donnerstag im Rahmen der vierten rbb QUEER-Staffel seine Free-TV-Premiere feiert.
Anziehung und Gefühl
Der 26-jährige Yad (Majd Mardo) hat gerade sein Medizinstudium in Amsterdam geschmissen und kommt nach einer bewegten Partyzeit für den Sommer zurück in die holländische Kleinstadt, in der seine syrisch-stämmigen Eltern leben. Seine Mutter Maryam (Nazmiye Oral) macht gleich zu Beginn klar: Er wäscht seine Wäsche selber und zahlt für sein Essen. Da er seinen alten Job als Surflehrer nicht wieder antreten kann, beginnt er als Haushaltskraft für ältere Menschen zu arbeiten, unter anderem für die patente Ans (Jenny Arean). Eines Tages lernt er dort ihr „Äffchen“ – Enkel Joris (starke Wentworth Miller-Vibes: Josha Stradowski) – kennen, der erstmal gleich oben ohne Omas Hecke und mehr kürzer macht.
Zwischen beiden sind Anziehung und Neugierde spürbar, doch scheinen sie unterschiedlich. Während Yad sich treiben und nicht in das von seiner Mutter vorgesehene Lebenskorsett drängen lassen will, stählt Joris seinen Körper, ist in sich gekehrt und muss irgendwie überlegen, was mit der Asche seines vor Jahren verstorbenen Vaters geschehen soll. Dennoch nähern die beiden sich an, verbringen mehr Zeit, lassen Drohnen steigen, Yad bringt Joris surfen bei, sie kuscheln im Weizenfeld, … doch nach und nach wird auch klar, dass sie nicht in einer Blase rosafarbener Glückseligkeit leben. Was soll ihre Zukunft bestimmen? Die Gefühle oder die Befürchtungen?
Witz und Ernsthaftigkeit
Das wirklich Schöne an Just Friends, der in Deutschland im Verleih von Salzgeber ist, ist, dass der Film als lebensnahe romantische Komödie ohne Kalauer es ganz wunderbar schafft, kritische und ernste Töne anzusprechen, ohne auf einmal in ein drastisches Sozialdrama zu kippen. Und durch den greifbaren, zuweilen sarkastischen Humor funktionieren auch die ernsteren Momente, ohne dass es wie ein Bruch wirken würde. Überhaupt sitzt der Humor an fast jeder Stelle und dass jede Figur hier ihre eigene Nuance im Witz hat, lässt die handelnden Personen auch nicht wie Witzeerzähler wirken.
So wird unter anderem der Konflikt, den Joris’ alkoholgetränkte Mutter Simone (Tanja Jess) mit dem „Flüchtling“ Yad, der nun bei ihrer Mutter Ans putzt, hat, erst mit Humor und später einer deutlichen Ansage von Ans begegnet. Vieles andere erschließt sich Mutti aber auch selbst. Ähnlich ergeht es uns mit der Mutter Yads, die aus irgendwelchen Gründen schon bei einem ersten Blick auf das Bild Joris’ weiß, dass der nichts für ihren Jungen sei. Hier sind es also die Wahrnehmungen oder viel eher die Vermutungen der Eltern, nein – die der Mütter (da haben wir in dieser Woche noch so einen Problemfall) – die zum Teil überhaupt erst dazu führen, dass die verliebten Jungs sich fragen: „Ist er das?“
Kein „Schwulen“-Konflikt
Nun haben aber sowohl Yad als auch Joris den Vorteil, mit einer gewissen Portion Selbstsicherheit und vor allem in Joris’ Fall auch Geld ausgestattet zu sein, was natürlich gewisse Freiheiten mit sich bringt. Joris fragt sich und auch Yad zwar manches Mal, ob er dumm sei (woher das kommt hätte noch ein wenig besser ausgearbeitet werden können) und hadert mit dem Verlust seines Vaters, ist jedoch nicht durch Fragilität geprägt. Yad ebensowenig, der im Grunde zu wissen scheint, wie sein Leben aussehen könnte, nur passt das eben nicht zu dem, was die Familie sich wünscht.
Schön hierbei ist es, dass das Schwulsein der Jungs kaum eine Rolle spielt, der Film könnte im Grunde genommen auch von Heteros handeln. Hier geht es darum, ob es menschlich passt, was die Familie sagt, ob Vorurteile aufgrund von Herkunft oder vermuteten Wesenszügen das junge Glück ins Wanken bringen. Und es wankt. Daher auch der Filmtitel Just Friends. Es fällt natürlich irgendwann der Satz: „Lass und doch Freunde sein.“
Spannend ist es, wie der Film es in knapp 80 Minuten meistert so einiges an Themenbereichen abzuhandeln, ohne sich zu fest zu verbeißen, aber auch ohne allzu oberflächlich daherzukommen. Das liegt eben auch an dem natürlichen Drehbuch von Henk Burger und der Chemie zwischen allen Darsteller*innen. Die Bande, die der Film erzählt, scheinen glaubhaft. So reichen kurze Momente, um das komplexe, aber nicht lieblose Verhältnis zwischen Joris und seiner Mutter deutlich zu machen. Großmutter Ans, ohnehin die heimliche Heldin des Films, bekommt noch eine tragische Kindheitserfahrung, die sie eben die sein lässt, die sie heute ist.
Das Herz geht auf
Dazu inszeniert Regisseurin Ellen Smit die gemeinsamen Szenen von Yad und Joris von Beginn an so, dass es aussieht wie wahre Annäherung. Vom ersten Interesse, der ersten Flirterei, dem ersten echten Herantasten, die ersten Momente von Körperlichkeit und so weiter. Die Art, wie das hier aussieht, gibt uns schon ein gutes Gefühl und lässt einen durchaus ein wenig schmachtend seufzen. Dass die Kamera von Tjitte Jan Nieuwkoop dazu noch die passenden licht- und sonnendurchfluteten Bilder einfängt, den Himmel in so vielen Einstellungen so fantastisch abbildet, ohne dass diese aussähen als seien es Gemälde rundet das lebensnahe Erlebnis ab.
Just Friends ist ein wunderschöner, lebensnaher (ja, kann nicht oft genug betont werden), witziger und romantischer Film, der uns in der Tat das Herz aufgehen, uns lächeln und am Ende ein Tränchen verdrücken lässt. Ansehen!
Just Friends ist u. a. im Salzgeber Club verfügbar.
Just Friends (OT: Gewoon Vrienden); Niederlande, 2018; Regie: Ellen Smit; Drehbuch: Henk Burger; Kamera: Tjitte Jan Nieuwkoop; Musik: Rob Peters; Darsteller*innen: Majd Mardo, Josha Stradowski, Jenny Arean, Tanja Jess, Nazmiye Oral, Melody Klaver, Sonia Eijken;Laufzeit ca. 80 Minuten; FSK: 6; Originalfassung mit deutschten Untertiteln; eine Produktion von CTM Films im Verleih von Salzgeber; als VoD, Download und auf DVD (ca. 11,00 €)
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