„Vorsicht, der beißt!“

Von Ruhestand nichts zu spüren… Hatten wir im letzten Münchener Tatort, der zu Weihnachten ausgestrahlt wurde (und wie erwartet das Publikum arg polarisierte – es handelte sich um den Tatort mit den schlechtesten Quoten im Jahr 2022), noch vermutet, dass dort angedeutet wurde, dass sich die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) auf ihre Pension vorberieten könnten, sehen wir die beiden in ihrem 91. Fall Hackl quietschfidel und an den Streit, der uns in Mord unter Misteln noch durch die Folge führte, war hier nichts mehr zu denken.

Alte Bekannte

Stattdessen haben wir es in dieser Folge im ersten Eindruck gar nicht mit einem Mord, sondern einem Unfall zu tun. Der 22-jährige Adam Moser (Tolga Türk) stirbt bei einem nächtlichen Motorradunfall im relativ armen Münchener Stadtteil Hasenbergl, in dem er gemeinsam mit Mutter Samira (Berivan Kaya) und Bruder Alex (Aaron Reitberger) lebt. Eigentlich also kein Fall für die Kripo, denn Unfälle passieren eben, so tragisch sie auch sind.

Alex Moser (Aaron Reitberger) trainiert nach dem Tod seines Bruders Adam verbissen im Fitnessstudio // © BR/Tellux Film GmbH/Hendrik Heiden

Relativ schnell wird aber klar, dass Adam mit einem Laser geblendet wurde, der Unfall also hierauf zurückzuführen ist. Was für ein Zufall, dass – unter Berücksichtigung des Winkels, aus dem der Laser eingesetzt wurde – ein den beiden Kommissaren altbekannter, vorbestrafter und permanent grantiger Bekannter neben der ebenfalls mit ihren Problemen kämpfenden Familie Mittermeier (Carolin Conrad und Lorenzo Germeno) wohnt: Johannes Bonifaz Hackl (Burghart Klaußner).

Batic und Leitmayr schießen sich (sehr) schnell auf ihren alten Bekannten ein (was mit Köln verlinken?) und lassen seine Wohnung und seine Parzelle im Schrebergarten durchsuchen. Sie nehmen den alten Grantler mit Beißschutz mit aufs Revier und in der Tat sprechen viele Indizien gegen den Hobbyangler, der sich in den Kopf gesetzt hat, unter keinen Umständen zurück ins Gefängnis zu gehen…

„Der Hackl“ muss nicht mehr „hackeln“

Die beiden Kommissare Batic und Leitmayr müssen sich also in den wenig einladenden Münchener Norden begeben, in ein Milieu, das wir klischeemäßig von München gar nicht kennen. Keine FC Bayern-Schickeria, kein Pomp und P1. Das Hasenbergl ist als eine der am wenigsten einladenden Gegenden Münchens bekannt. Und dort scheint manch niederes Motiv die Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnklotzes zu prägen.

Von links: Jonas Mittermaier (Lorenzo Germeno) muss im Beisein seiner Mutter Sandra (Carolin Conrad) im Präsidium einige Fragen beantworten // © BR/Tellux Film GmbH/Hendrik Heiden

Es ist der Neid auf Adam, der zwar auch aus diesem Milieu stammt, sich aber scheinbar vieles glaubt erlauben zu können – sowas wie ein „kleiner Pascha“ (Femizide) also. „Der Hackl“ hingegen, der muss nicht mehr „hackeln“, wie es im nicht ganz so fernen Österreich gerne heißt. Arbeit in der Druckerei? Schon lange nicht mehr. Dafür Hartz IV, Geldsorgen und selbst das schrebergärtnerische Kleinod droht ihm verlustig zu gehen. Könnte also auch Rostock sein.

Arena, Windrad, Wohnblocks

Dass in einer Einstellung die glamouröse Allianz Arena und das seit Jahren armselig und verloren dastehende Windrad im Norden Münchens vor unschönen Wohnblocks zu sehen sind, ist sinnbildlich für diesen Fall, der sich lange nicht in der Figur des Hackl erschöpft. Gerade hier prallen eigentlich Welten aufeinander – ein Gastauftritt des FC Bayern-Stars Joshua Kimmich unterstreicht dies nur.

Von links: Joshua Kimmich (Rolle: Fitnesstrainer Kenny) und Ferdinand Hofer (Rolle: Kalli Hammermann) bei den Dreharbeiten // © BR/Tellux Film GmbH/Hendrik Heiden

In diesem Sinne haben die Macherinnen und Macher dieses Tatorts um Regisseurin Katharina Bischof und Drehbuchautorin Dagmar Gabler eine Folge geschrieben, die den sozialen Sprengstoff der heutigen Gesellschaft aufgreift, ihn aber in eine Stadt gesetzt, in der wir ihn nicht erwarten. Außerdem schient es nach dem Tatort: Was ist das für eine Welt aus Wien vor zwei Wochen der zweite Tatort in kurzer Zeit zu sein, in dem während der Handlung Daten gezeigt oder genannt werden, die erst nach der Ausstrahlung liegen. Vielleicht da etwas in der Programmplanung des Ersten in schiefgelaufen?

„Verstehst mi?!“

Wie dem auch sei, im Tatort: Hackl läuft bei den Ermittlungen auch einiges schief – sonst könnte diese Folge vermutlich keine 90 Minuten füllen. Batic und Leitmayr schießen sich wie gesagt relativ schnell auf Hackl ein – mit gravierenden Folgen. Der Hackl selbst ist ein Unsympath, wie er im Buche steht – und dennoch eine gebrochene Figur. Sein hartes Bayerisch ist für einen Muttersprachler vielleicht verständlich, aber für alle, die dessen nicht mächtig sind, dürfte dieser Tatort (ohne Untertitel) eine akustische Belastungsprobe sein. Und auch sonst geht es hier relativ häufig laut zu und die Nuscheleien des Hackl sind oft einfach unverständlich, was vermutlich Teil der Figur sein soll.

Hackl (Burghart Klaußner, Mitte) wird von zwei Polizisten abgeführt, die ungewöhnliche Schutzmaßnahmen ergriffen haben // © BR/Tellux Film GmbH/Hendrik Heiden

Leider baut sich hier keine so rechte Spannung auf. Die weiteren für die Tat in Frage kommenden Personen werden eher aufdringlich als subtil in Szene gesetzt und so ist leider relativ schnell klar, wer den Mord begangen haben dürfte und welche Motive dahinterstehen. Und die Problematiken, die die Macherinnen und Macher ansprechen, sind auf jeden Fall gesellschaftlich relevant, aber gleichzeitig fühlen wir uns von dieser Folge nur mäßig berührt.

So ist festzuhalten, dass der Tatort: Hackl mit dem Team Batic und Leitmayr zwar in einem für die Stadt und das Team eher ungewohnten Milieu spielt, einige gesellschaftlich recht relevante Themen anspricht, aber gleichzeitig nicht die ganz große Show bietet. Für den Sonntagabend ist das vielleicht ausreichend Unterhaltung, aber ohne diesen Film würde die Welt vermutlich auch nicht untergehen.

HMS

Von links: Udo Wachtveitl, Regisseurin Katharina Bischof, Burghart Klaußner, Miroslav Nemec und Produzent Philipp Schall (Tellux-Film GmbH) // © BR/Tellux-Film GmbH/Hendrik Heiden

Tatort: Hackl läuft am 12. März 2023 um 20:15 Uhr im Ersten und um 21:45 auf one und ist anschließend für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Hackl; Deutschland 2023; Buch: Dagmar Gabler; Regie: Katharina Bischof; Bildgestaltung: Robert von Münchhofen; Musik: Jessica de Rooij; Darsteller*innen: Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Ferdinand Hofer, Burghart Klaußner, Carolin Conrad, Hanna Scheibe, Lorenzo Germeno, Robert Joseph Bartl, Pia Amofa-Antwi, Irina Kurbanova, Ulrike Willenbacher, Berivan Kaya, Aaron Reitberger u. a.; Laufzeit: ca. 88 Minuten; Eine Produktion von Tellux Film (Produzenten: Martin Choroba, Philipp Schall; Ausführende Produzentin: Eva Gerstenberg) im Auftrag des BR

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