Knoblauchmayonnaise, Eiscreme und sehr blutige Steaks

Dass die Briten von Kulinarik nicht unbedingt viel verstehen, sollte vielen bekannt sein. Fish and Chips sind zwar wunderbares Junkfood, aber Haggis und Plumpudding sind und bleiben etwas für die Liebhaberinnen und Liebhaber des besonderen Geschmacks (und das schreibt jemand, der ein Jahr in einem schottischen Fischerdorf lebte).

Ganz anders sieht das beim britischen Humor aus. Queen Elizabeth und ihr Mann Prince Philip waren für diesen bekannt und auch vielen anderen Britinnen und Briten wird ein böser, schwarzer Humor nachgesagt. Bitterböse Geschichten wie Das Leben des Brian oder Plebs sind vielen von uns bekannt.

Geistiges Junkfood

Und wo wir gerade schon bei Junkfood waren, in diese Kategorie geistigen Junkfoods zählt auch die Stranger-Times-Reihe des irischen und im britischen Manchester lebenden Comedians und Autoren C. K. McDonnell. Nachdem Band 1 der Reihe hierzulande viele Leserinnen und Leser begeisterte, war der Ende September 2022 erschienene zweite Band This Charming Man in der öffentlichen Wahrnehmung erstaunlicherweise kaum präsent. Das verwundert etwas, wurde The Stranger Times doch weithin positiv rezipiert – und das ganz zurecht, wie wir bereits vor einem Jahr befanden.

This Charming Man knüpft inhaltlich an den ersten Band an. Nach den teils erschreckenden Vorkommnissen und Erkenntnissen sind viele der Charaktere um Chefredakteur und Ekelpaket (beides hauptberuflich) Vincent Banecroft, seine nicht mehr ganz so unbedarfte und jetzt geschiedene Stellvertreterin Hannah, Praktikantin und Kraftzentrum Stella sowie eine knappe Handvoll weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch immer damit beschäftigt, sich so manche Wunden zu lecken. Manch neuer Charakter mag außerdem damit beschäftigt sein, Süßkram zu lecken oder gegen Hochprozentiges die Wahrheit kundzutun, aber das mal nur am Rande.

Auge um Auge, Eckzahn um Eckzahn

Bereits kurz nach den Geschehnissen von The Stranger Times wird die Redaktion der gleichnamigen Zeitung jedenfalls durch einige unerwartete Entwicklungen erschüttert: Der mysteriöse Todesfall des Webentwicklers Philip Butler trägt ihnen Rätsel auf, die die Polizei vorschnell zu den Akten legen will – mit Ausnahme des blickigen Beamten Sturgess, der auch eines seiner Augen auf Hannah geworfen hat – er hat ja genug davon.

Als sich jedoch weitere merkwürdige Vorfälle mehren – einer davon geht sogar in einem Insta-Live viral – mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Redaktion der Stranger Times es nach Werwolfartigen im ersten Band nun mit Vampirartigen zu tun hat – ein Verdacht, der sich spätestens bestätigt, als ein Exemplar an die Tür der Redaktion klopft und zum Schutze aller erst einmal in den Keller gesperrt wird – entgegen aller Menschen- und Vampirrechte ohne einen Sarg.

Ausgesaugt und abgetaucht

Apropos Keller: Hier gibt es ein zweites Rätsel, vor das die Redaktion gestellt wird: Irgendjemand scheint die Stranger Times im wahrsten Sinne des Wortes untergraben zu wollen, denn bei Sanitärarbeiten stellt ich heraus, dass ein dubioser Bauarbeiter eine Falltür in das einzubauende Bad eingearbeitet hat. Wer will der Redaktion hier etwas Böses? Ist es jemand von den Begründern oder dem Altvolk, die wir bereits im ersten Band kennenlernen durften? Oder besteht hier eine Verbindung zu den aktuellen Blutsaugern

Wie in jeder größeren Metropole, ist auch Manchester eine Stadt, in der Menschen mit vielen verschiedenen Hintergründen zusammenkommen. Nicht erst seit dem originalen Queer as Folk wissen wir, dass Geselligkeit und Dating in dieser früher vor allem durch die Textilwirtschaft so bedeutenden Metropole eine wichtige Rolle spielt. Anders als vor 20 Jahren aber lässt sich C. K. McDonnell ganz auf die neueren Entwicklungen dessen ein.

Date or Drop?

Eine Dating-App rückt immer mehr in den Fokus der Ermittlungen von Polizei und Redaktion und das verknüpft McDonnell ganz wunderbar mit archaischen Legenden aus dem Vampirkult sowie dem kleinen Universum, das er in Band 1 der Reihe zum Leben erweckt hat. Die Dating-Perspektive erlaubt es zudem, dass in diesem Buch auch die eine oder andere hochaktuelle Frage, beispielsweise der Umgang von Männern mit Frauen, gut thematisiert werden können. 

Dazu kommt, dass er auch seinen Humor aus dem ersten Band nicht verloren zu haben scheint. Ja, nach dem ersten Band der bei Eichborn erscheinenden Trilogie, die mir vor Lachen teils die Tränen in die Augen trieb, war die Erwartungshaltung natürlich hoch, dass Band 2 ähnlich witzig wäre. Dass dieser Anspruch nur sehr schwer zu halten sein würde, war eigentlich von Anfang an klar und so muss ich auch festhalten, dass This Charming Man leider im Humorfaktor nicht mit The Stranger Times mithalten kann.

Zum Lachen in den Keller?

Das liegt auf keinen Fall an der erneut grandiosen Übersetzung des Deutschlandfunk Kultur-Journalisten André Mumot, denn die ist erneut auf den Punkt. Es liegt wohl vor allem daran, dass manche der beiläufig eingestreuten humorvoll gedachten Elemente ein wenig gezwungen wirken. Sie sind oft dennoch lustig, aber beim Lesen merkt mensch– oder bildet sich dies ein – dass hier eine Geschichte bewusst auf beiläufigen und schwarzen Humor getrimmt wurde. Einige oder viele Lacher gab es natürlich trotzdem, aber eben nicht mehr so unbeschwert wie noch bei der ersten Geschichte. 

Auch inhaltlich ist die Story irgendwie nicht ganz so ausgereift. Wir arbeiten uns lange – sehr lange – an das Finale heran, das allerdings erstaunlich unspektakulär verläuft und mir bis heute leichte Rätsel aufgibt. Da wird so viel in einen ellenlangen Aufbau der Story investiert und dann ist das Ende anders als beispielsweise beim letzten John Wick-Film doch gefühlt unspektakulär. Schade, aber vielleicht liegt es auch hier gerade an der arg hochgelegten Latte, die wir seit The Stranger Times hüten wie Eckzähne und Augäpfel.

…zumindest ins Erdgeschoss

Das klingt jetzt alles arg defätistisch. Beileibe nicht! This Charming Man mag in puncto Humor und Ungezwungenheit nicht an den ersten Band der Reihe heranreichen, aber es handelt sich dennoch um ein humorvolles und unterhaltsames Buch, das vielleicht ein wenig dem Fluch des vorletzten Bandes bzw. Folge unterliegen mag. Bei der vielfach beliebten Sherlock-Serie der BBC war die zweite Folge in jeder Staffel die schwächste und Herrgott, denken wir an den vorletzten Band von Harry Potter (unabhängig davon, dass die Erfinderin dieser Reihe mittlerweile ohnehin in die Abgründe der Transphobie und -feindlichkeit abgedriftet ist, aber das ist eine andere Baustelle).

Nein, This Charming Man von C. K. McDonnell ist trotz aller Kritik ein lesenswertes Buch, das mir gut die Zeit vertrieben hat. Es knüpft an einigen Stellen gut an den Vorgänger an und legt wohl auch schon manch eine Ausgangssituation für den dritten und letzten Teil Love Will Tear Us Apart, der am morgigen Tag in die Läden kommt – wobei sich die Anzeichen mehren, dass aus der Trilogie ein vierbändiges Werk werden könnte. Wie es bei Junkfood eben so ist – und da ist es egal, ob es um schon halb ranzige und im Abwehrkampf gegen Vampire dennoch effektive Knoblauchmayonnaise geht, um klebrige Softdrinks oder eben um humorvoll-seichte Lektüre aus einem kleinen Fantasy-Universum: Irgendwie wissen wir, dass wir uns nicht zu sehr daran ergötzen sollten, aber geil ist es eben doch.

HMS

Eine Leseprobe findet ihr hier.

C. K. McDonnell: This Charming Man – Sie sind hier. Sie haben Hunger. The Stranger Times fühlt ihnen auf den Zahn.; Aus dem Englischen von André Mumot; September 2022; Hardcover gebunden; 528 Seiten; ISBN: 978-3-8479-0116-7; Eichborn Verlag; 22,00 €

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