O du nervige,…

In der Einleitung eines Gastbeitrags für Dagmar Eckhardts wunderbaren Buchkind-Blog schrieb ich kürzlich, dass ich mit der kalten, winterlichen Zeit hadere und bezog da natürlich auch ein wenig den ganzen Weihnachts-Klimbim mit ein. Freunde und Bekannte von mir, aber auch Menschen, die meinen Gesprächen in Bus und Bahn oder in Cafés und Bars lauschen, wissen, dass mein Verhältnis zum wohl ironisch so genannten Fest der Liebe, ähnlich dem der Windsors zu den Sussexes ist. 

Doch der Grad der Abneigung, den der 1992 geborene, österreichische Influencer Michael Buchinger in seinem größtenteils herrlich garstigen Band Alle Jahre NIE wieder. Alles, was mich an Weihnachten tierisch nervt verschriftlicht, ist nur vergleichbar mit dem der Windsors gegenüber den Spencers. Auf knapp zweihundert Seiten und in neun Themenkapiteln arbeitet sich Buchinger an allem möglichen Weihnachtskram, diversen Bräuchen, Klischees, vermeintlichen Verpflichtungen und einigem mehr ab.

o du verhasste,…

Michael Buchinger – sieht freundlicher aus, als er schreibt // Foto: © Dominik Pichler

Dass es dabei zu manch einer Überschneidung und auch Dopplung kommt, bringt das Feld wohl mit sich. Das fällt allerdings kaum kritisch ins Gewicht, denn das im Heyne Verlag erschienene Buch ist vor allem kurzweilig und lässt sich größtenteils in wunderbaren Zwischenmahlzeit-Happen konsumieren. Was jedoch nicht bedeutet, dass Michael Buchinger — 2020 übrigens in die Forbes-30-under-30-Liste aufgenommen — nicht doch an mancher Stelle einen beinahe ernsten Vernunftappell an die geneigten Leser*innen richtet und sich nicht häufig zwischen den Zeilen manch aufrichtige Besorgnis ob aufdringlicher Idiotie mancher Mitmenschen finden ließe. Dabei sollten wir immer im Kopf haben: Die dürfen alle wählen!

Los legt er mit Traditionen, was schon einmal ein wunderbarer Rundumschlag und im Grunde eine erweiterte Einleitung ist. Ob der Stress mit Weihnachtskarten (eine Tradition, die er einmal mit seinem Freund begründen wollte und dann an den damit einhergehenden Folgeverpflichtungen verzweifelte), nervigen Kinderchören, dem Nikolaus (der Nicky Hilton wäre, wenn Paris Hilton der Weihnachtsmann ist), Weihnachtsbäumen, komischen Geschenken, kitschiger Dekoration und der Heuchelei auf einmal religiös sein wollen zu müssen (Amen!). Warum, fragt er, sollte er sich am Weihnachtstag wie eine Person verhalten, die er die anderen 364 Tage des Jahres auch nicht ist.

Stress bringende Weihnachtszeit!

Viel Wahres findet sich also in den heiter geschriebenen Anwürfen ans Fest oder auch die vorfestliche Zeit voller Stress. Denn schließlich gibt’s auch im Vorfeld der Feierlichkeiten, derer der schreibende Ex-YouTuber sich als nächstes annimmt, so einiges zu beachten. „Kontrollierte Ausgelassenheit“ nennt er das Weihnachtsfeier-Modul an einer Stelle und treffender könnt’s kaum sein. Ebenso lädt sein Anna-Wintour-Konzept zum Besuchen von Partys und Veranstaltungen zur Nachahmung ein.

Buchinger lästert in seinem Buch allerdings nicht nur über das Fest und diverse Menschen, sondern gewährt auch einen Einblick ins eigene Leben. Manches Mal voller Humor, wenn er etwa einen Weihnachtsbrunch dezent faked, aber auch mal ganz geerdet, wenn es um Therapieerfahrungen, Perfektionismus, Arbeitseinstellung, Nervosität oder Bewältigungsstrategien geht.

Geduld ging verloren, Alkohol ist vergoren:

Eine dieser ist — absolut nachvollziehbar — Alkohol. Ohnehin eine Angelegenheit, die im Dezember solide salonfähiger ist; was nicht zuletzt auch an der überteuerten Zucker-Pissplörre auf den Weihnachtsmärkten liegt. Im Kapitel Essen und Trinken arbeitet er sich jedenfalls an diversen Punkten ab und wird mir hier direkt sympathischer: Wenn es nämlich Eierlikör versus Wodka heißt, gewinnt bei ihm letzterer. Guter Mann! Mal gucken, ob er auch Wodka nutzt, wenn er ab März 2023 in der fünfzehnten Staffel von Dancing Stars mit am Start ist.

Bei Filmen, Musik und Fernsehen trennt den High-Maintenance-Autoren und mich dann auch nicht allzu viel; wobei es durchaus Weihnachtsmusik gibt, die mensch gern und vielleicht gar ganzjährig hören könnte. Da denke ich beispielsweise an das Weihnachtsalbum der Puppini Sisters oder den Ally McBeal-Weihnachtssoundtrack. Dennoch stimmt es: Dass so viele Künstler*innen aus Bequemlichkeit einfach mal uralte Songs unmotiviert einspielen und auf den Markt werfen, ist eher oll als toll. Seine Abneigung gegenüber pietätlosen Spendenshows dürfte von jedem empathischen Menschen, wie er einer zu sein scheint, geteilt werden, wie auch jene von Vlogmas. 

Lahass, lahass mich, Menschenheit.

Thema Geschenke, nun, tja. Ich sag mal so: Wie mensch es macht, macht mensch es falsch (in unserer Festtagsbücherei gibt es natürlich tolle Vorschläge). Vor allem: Schenke einmal Kindern etwas (ich wäre übrigens nicht nur bei Hochzeiten oder manch großem Geburtstag, sondern auch zu diesem Anlass für Geschenklisten; bei kleinen Kindern gern im 1,10€-Shop, denn wie Buchinger schreibt — am Ende ist das Geschenk dem Kind egal und es spielt lieber mit der Telefonschnur). In den letzten beiden Kapiteln widmet er sich dem Winter im Allgemeinen und dann Sonstigem. 

Schmelzender Schnee (und der Wahn, die ersten Flocken in Social Media abbilden zu müssen), Eis, Skifahren, Energielosigkeit, Jahresrückblicke in den sozialen Medien (spannend übrigens, wie kritisch der Kabarettist Buchinger vieles im Bereich der Influencer*innen sieht und dabei meiner Meinung nach meist den Nagel auf den Kopf trifft) und Spotify Wrapped; teure Preise, Ugly-Christmas-Sweater (hier harter Widerspruch und Hässlichkeit liegt im Augen der Betrachtenden), Weihnachtswahn, gezwungene Fröhlichkeit und Weihnachten im Herzen — alles wird bedacht und fein besudelt. 

Zum Ende des unterhaltsamen aber doch keinen Moment zu spät endenden Buches also die Frage: Bleibt es bei fortwährendem bitterbösem Wehklagen oder gibt es eine Lösung für den aktuell blondierten Teilzeit-Grinch? In der Tat und ein wesentlicher Teil dieser Lösung bedeutet für ihn Offenheit. Und so haben er und sein Partner sich einen verpflichtungsfreien Tag geschaffen und an den anderen werden nur noch jene besucht, die er entweder aufrichtig mag oder, viel wichtiger, von denen es mal etwas zu erben geben wird. Alle anderen und alles andere, nun, die und das können ihn halt einfach mal… (in Ruhe lassen).

AS

PS: Apropos Weihnachtsalbum: Sarah Connor hat sich in diesem Jahr tatsächlich die Mühe gemacht ein neues namens „Not So Silent Night“ aufzunehmen. Also mit neu geschriebenen Texten und Melodien (u. a. mit Nico Santos, Nicolas Rebscher und Max Wolfgang). Da ist eine recht feine Nummer bei rausgekommen, die durchaus zu empfehlen ist. Anspieltipps: „Blame It On The Mistletoe“, „Come Home“, „Ring Out The Bells“, „(1,2,3,4) Shots Of Patron“ und der titelgebende Track. 

PPS: Michael Buchingers Freund heißt Dominik; allerdings nicht Barta. Es gibt also mehr als zwei Dominixen in Wien und Österreich. Haben wir das auch geklärt. 

PPPS: Wer noch keiner Person jemals einen Schneeball mit Hundepisse ins Gesicht werfen wollte, hat noch nicht gelebt. 

PPPPS: Achso, ja: Verschenkt dieses Buch bitte unbedingt zu Weihnachten — #ausGründen.

Alle Jahre NIE wieder von Michael Buchinger

Michael Buchinger: Alle Jahre NIE wieder. Alles, was an Weihnachten tierisch nervt; September 2022; 192 Seiten; Taschenbuch, Broschur; ISBN: 978-3-453-60643-2; Heyne Verlag; 12,00 €

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