Feierlich und schmackhaft morden

Vor einem Monat stellten wir euch mit Wichtel, Wunder, Weihnachtsmord eine Anthologie mit weihnachtlichen Krimis vor, die wir so ganz okay, aber doch durchwachsen fanden. Einige Storys fanden wir klasse, einige mäßig, wenige ganz schlecht. Letztlich ist es mit Buch-Anthologien wohl so wie mit Alben-Compilations: Es kann nicht immer alles gefallen. Aber beinahe alles. So jedenfalls verhält es sich mit der im Heyne Verlag erschienenen Krimi-Nummer Tatort Weihnachten – Weihnachtskrimis mit Rezepten.

Familiär

Auf 350 Seiten dürfen sich hier zwölf Autor*innen austoben und warten mit inhaltlich sehr unterschiedlichen, qualitativ jedoch nahezu gleichwertig hochwertigen Kurzkrimis auf, die nicht selten eine mal feine, mal bittere Pointe mit sich bringen. Quasi eine Moral von der Geschicht, Mord lohnt sich nicht?! Schaun wa mal.

Jedem Krimi von jeweils um die 25 Seiten schließt sich ein Rezept an, das gern zur Geschichte (in denen auch nicht selten Essen eine Rolle spielt) und der Region passt. Denn auch wenn wir mit Gisa Paulys sehr schmissigem Krimi „Heilige Familie“ um ein Gemälde auf Sylt beginnen, geht es direkt im Anschluss in einer sehr tragischen sowie doppelbödigen Geschichte von Fynn Jacob um einen Unfall, den Verlust einer Familie und Gerechtigkeit nach Amsterdam. Wer sich danach beruhigen mag, sollte die sehr leckeren Kruidnoten backen – eine beinahe meditative Übung.

Hintertrieben

Um (Wahl-)Familie geht es auch in Susanne Mischkes „Blackout Christmas“, dem ein Rezept für Hundekekse folgt. Sehr familiär auch im Chiemgau in Horst Eckerts „Schnee in Übersee“, dessen Kurzgeschichte Lust auf einen Roman mit den Figuren macht, derweil mensch bei Skrei Weiß-Grün-Gelb (auf Erbsenpüree mit Safransauce) das Wasser im Mund zusammenläuft. Sehr schmackhaft dürfte auch der griechische Galopoula – Gefüllter Truthahn sein. Das Rezept beschließt Sabine Thieslers Story „Griechischer Wein“ auf dem Peloponnes um eine gehörnte Ehefrau.

Ein in mehrerlei gehörnter beziehungsweise hintergangener Mann namens Peter Maurer findet sich in Petra Ivanovs „Die Fäden ziehen“ plötzlich auf der psychiatrischen Abteilung eines Zürcher Krankenhauses wieder. Für ihn unerwartet, schafft es von dort aus jedoch zurück ins Leben zu finden. Wenn auch auf recht spezielle Art und Weise. Die Geschichte lässt sich auch gut während eines Käsefondues Moitié-Moitié mit Greyerzer, Vacherin und gutem, trockenem Weißwein vortragen.

Moralisch

Lecker Backwerk wie Husarenkraperl und Schönbacher Weihnachtswuchteln gibt es nach Besuchen in Beate Maxians Salzburg (wunderbar garstig: „Leise rieselt der Tod“) respektive Jan Becks Tirol, dessen Geschichte um Dorfgeheimnisse, lose Zungen und einen überambitionierten Pfarrer so heißt wie das Rezept. Oder umgekehrt.

Fürwahr eine Geschichte mit Moral ist Carine Bernards „Départment Mord: Ohne die Pute wärst du tot!“, die in der Region Hauts-de-France an der Côte d‘Opale spielt. Die Pute rettet ein Leben hier zwar nur indirekt, dafür geht es um Gier und Nächstenliebe, Vertrauen und Vernunft. Eine feine Geschichte und die Dinde aux Marrons also Pute mit Maronenfülle werde ich spätestens im kommenden Jahr 2024 einmal zubereiten.

Spannend-schmackhaft

Als am schwächsten darf Marcel Häußlers Geschichte „Wiedersehen im Alentejo“ gesehen werden, die so vorhersehbar ist wie Stockfisch fad schmeckt. Schade eigentlich. Sehr mysteriös und überirdisch geht es in Lissabon bei „Portugiesische Weihnachten“ von Luis Sellano zu. Eine komplexe Geschichte, auch über Bücher, die zum Rezept der mit Chouriço gefüllten Kalmaren passt. Klingt verlockend!

Mit Lilly Alonsos „Der Weise und das Kindlein“ sind wir auf Mallorca gar schon im neuen Jahr, wird in Spanien (sowie manchen Ländern Lateinamerikas) am 6. Januar mit dem Dia de los Reyes Magos doch der wichtigste Weihnahtsfeiertag begangen. Während der Feiertag im realen Leben im kommenden Jahr von Streiks bedroht ist, führt hier ein Mord zu einiger Verwirrung. Recht unterhaltsam und wahlweise Harter oder Weicher Turrón dürften Leser*innen während der Geschichte gut zu Munde stehen.

Tatort Weihnachten ist im Grunde ein feines Rundum-Paket: Kurze, zumeist spannende, immer aber unterhaltsame Krimis gepaart mit kulinarischen Einlassungen und abschließend Finessen, durchweg gut geschrieben und die Reiselust wird zusätzlich angekurbelt. Kurzum: Eine spannend-schmackhafte Empfehlung, soagr für Weihnachtsmuffel.

AS

PS: Ich finde das Cover ganz fantastisch und würde mir das Motiv gern als Plakat an die Wand pappen.

Tatort Weihnachten von

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Wilhelm Heyne Verlag Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH (Hrsg.): Tatort Weihnachten – Weihnachtskrimis mit Rezepte; mit Beiträgen von: Lilly Alonso, Petra Ivanov, Gisa Pauly, Luis Sellano, Sabine Thiesler, Jan Beck, Fynn Jacob, Susanne Mischke, Beate Maxian, Horst Eckert, Marcel Häußler, Carine Bernard; September 2023; 352 Seiten; Taschenbuch, Broschur; ISBN: 978-3-453-44197-2; Heyne Verlag; 12,00 €

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert