Vielfarbigkeit in Buchform

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Herrje! Es ist kaum auszuhalten. Statt einfach mal vom gestrigen Besuch der Landesgartenschau in Beelitz, dem letzten guten Horrorfilm Spiral mit Jeffrey Bowyer-Chapman, der bald auf den Tisch kommenden Zucchini-Thunfisch-Minze-One-Pot-Pasta oder dem Soft-S/M-One-Night-Stand von neulich zu träumen, war die Nacht von Träumen und Halbgedanken zur Longlist zum Deutschen Buchpreis 2022 bestimmt. Wie Screenshots tauchten da Plakatoptionen und Buchtitel, mögliche Überschriften in Medien und Slides von Verlagen auf. Was stimmt denn nicht mit uns, fragt mensch sich dann irgendwann gegen circa 3:43 Uhr nachts.

Bunte Liste…

Nun war es also heute Vormittag nach kurzer Nacht pünktlich um 10:00 Uhr so weit und auf der offiziellen Homepage zum Deutschen Buchpreis tauchten die zwanzig die Longlist besetzenden Titel (ausgewählt aus 233) auf. Wie auch im vergangenen Jahr können wir sagen: Überraschend, erfreulich, irritierend und wollen erneut einen Blick auf die nominierten Bücher werfen, nachdem wir bereits kürzlich einen Ausblick auf mögliche Nominierungen wagten.

Hier nun erst einmal die Titel der Longlist, alphabetisch nach Autor*innen angeordnet:

…samt Queerness und Indie…

Als erstes fällt uns auf, dass die Longlist eine solide Mischung aus Winter- bzw. Frühjahrstiteln sowie Sommer- und Herbsttiteln ausmacht. Bei Heinz Strunk steckt der Sommer sogar im Titel. Außerdem gibt es kaum dicke Wälzer. Phlox wird zum Erscheinen im September knapp unter fünfhundert Seiten haben, ansonsten bewegen wir uns viel bei zwischen etwas über zwei- bis dreihundert Seiten. Ebenso fällt eine Gewichtung hin zu nicht-männlichen Autoren auf wie natürlich das Auftauchen queerer Titel, unter anderem mit dem Blutbuch von Kim de l’Horizon, Yael Inokais Ein simpler Eingriff, der Liebe in Pjöngjang von Andreas Stichmann (das im Übrigen in einer schwachen Sendung des Literarischen Quartetts einer teils absurden „Besprechung“ unterzogen worden ist) oder auch der 153 Formen des Nichtseins von Slata Roschal.

Sieben der zwanzig Longlist-Titel finden sich bereits bei uns – und bald auch deren Besprechungen. Und den Beutel findet ihr in unserem Shop // Foto: © the little queer review

Das im homunculus Verlag erschienene Buch ist dabei nicht das Einzige aus einem kleinen oder Indie-Verlag, weiter finden sich in Jung und Jung und der edition Azur; ebenso freut es, dass mit dem Luchterhand Literaturverlag ein dezidiert literarisch schöngeistiger und doch oft herausfordernder Verlag, dessen Leiterin Regina Kammerer vom Branchenmagazin BuchMarkt zur „Verlegerin des Jahres 2021“ gewählt worden ist, mit zwei sehr verschiedenen Titeln vertreten ist. Dennoch dominieren die großen Verlage und auch Luchterhand gehört zur Penguin Random House Verlagsgruppe.

…und vielfältigen Themen…

Jurysprecherin Miriam Zeh, bekannt als Kulturredakteurin des Deutschlandfunk und durch ihr feines Instagram, zur Longlist:

„In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur rumoren die großen Fragen unserer Zeit: nach Herkunft und Identität, nach Formen und Zukunft unseres Zusammenlebens. Sie können sich in der deutschen oder österreichischen Provinz ebenso entfalten wie in Kabul oder Pjöngjang, in einer herannahenden Dystopie oder der real-historischen Ostberliner Vorwendezeit. Aus über 200 Titeln und so vielen Einreichungen wie noch nie haben wir epische Erzählungen ausgesucht, poetische Sprachschöpfungskaskaden sowie formale Experimente, die klassische und realistische Formen des Romans aufbrechen. Die Auswahl auf unserer Longlist folgt dabei verschiedenen Kriterien, so wie auch in der Jury Perspektiven aus Literaturvermittlung und -kritik zusammenfinden. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022 sind etablierte Autor*innen ebenso wie eine Vielzahl noch weniger bekannter und jüngerer Stimmen. Und wenn wir die so verschiedenen Romane damit einem neugierigen Lesepublikum näherbringen können, freuen wir uns umso mehr.“

Jurysprecherin Miriam Zeh zur Longlist
Die diesjährige Jury, v. l. n. r.: Selma Wels, Uli Ormanns, Erich Klein, Miriam Zeh, Frank Menden, Isabelle Vonlanthen, Jan Wiele // © vtnr.media

Neben Miriam Zeh gehören der Jury an: Erich Klein (freier Kritiker, Wien), Frank Menden (stories! Die Buchhandlung, Hamburg), Uli Ormanns (Agnes Buchhandlung, Köln), Isabelle Vonlanthen (Literaturhaus Zürich), Selma Wels (Kuratorin und Moderatorin, Frankfurt) und Jan Wiele (Frankfurter Allgemeine Zeitung). 

…doch manchen Lücken…

Dass unter anderem Wilderer von Reinhard Kaiser-Mühlecker und Ein simpler Eingriff von Yael Inokai auftauchen, freut uns sehr, wenn wir auch den letztgenannten Titel nicht in unserer diesjährigen Kaffeesatzleserei haben stattfinden lassen. Dementgegen fehlen uns die aktuellen Romane von Dominik Barta, Tür an Tür, erschienen im Juli bei Zsolnay, Steffen Mensching, Hausers Ausflug, und Julia Friese, MTTR, beide erschienen im August im Wallstein Verlag, wie auch so mancher Titel, der uns beim Preis der Leipziger Buchmesse begegnete, etwa Heike Geißlers Die Woche und Zukunftsmusik von Katerina Poladjan.

Ebenso sticht uns kaum etwas in Auge, das, jedenfalls auf den ersten Blick, die aktuelle politische Gemengelage aufzugreifen scheint, abgesehen von der großen Klammer, die Miriam Zeh in ihrem Statement aufmacht, darum ging’s aber auch schon bei Goethe oder dem Franzosen Balzac (Gabriele Riedles Buch In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg. mag hier eine Ausnahme bilden). Dieser Eindruck könnte sich jedoch bei der Lektüre einiger der nominierten Titel in eine andere Richtung verschieben. Spannend klingen durchaus die meisten von ihnen, dass dies natürlich auch immer subjektiv ist – wie letztlich auch die Sichtweise der sieben Jurymitglieder -, muss hier nicht betont werden. 

…die womöglich ausgefüllt werden

Wir werden also bei Gelegenheit zu jedem Buch mindestens ein kleines Feedback abgeben (daher auch in diesem Beitrag keine großen Beschreibungen zu den Nominierten und Copy-and-Paste betreiben wir ohnehin nicht) und dies dann in der Liste oben verlinken. Und wenn uns auch manche Titel bisher (leider) gänzlich unbekannt waren – das holen wir nach, zumindest in eine Leseprobe werden wir bei jedem Buch einen Blick werfen.

Zu guter Letzt haben wir uns für den Zeitraum der Buchpreiszeit bis zum 17. Oktober 2022 noch ein paar Kleinigkeiten überlegt, über die wir euch, unsere geschätzten Leser*innen, selbstredend in unserem Online-Magazin und auf unseren Social-Media-Kanälen auf dem Laufenden halten. Ach ja, außerdem ist es manchmal charmant, aus dem eigenen Geschmackskorsett auszubrechen, also: Lest auch die anderen Bücher

Eure queer-reviewer

Ab dieser Woche ist das Taschenbuch Deutscher Buchpreis 2022: Die Nominierten deutschlandweit in vielen Buchhandlungen kostenlos erhältlich. Es enthält Leseproben aller nominierten Bücher

Die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2022 wird am Dienstag, 23. August 2022 um 10:00 Uhr bekanntgegeben; ebenfalls an einem Dienstag um 10:00 Uhr wird am 20. September 2022 die Shortlist verkündet. Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse (Gastland 2022 ist Spanien) am 17. Oktober 2022 – hui! Ein Montag! – ab 18:00 Uhr im Kaisersaal des Frankfurter Römer statt.

Auch in diesem Jahr gibt es wieder #buchpreisbloggen.

Der Deutsche Buchpreis wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gestiftet; Hauptförderer ist die Deutsche Bank Stiftung.

*Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

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