57 Fälle, 25 Jahre und 60. Geburtstag – ordentlich was los bei Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) in diesem Wiener Tatort: Dein Verlust, der heute Abend um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen ist. Und im Gegensatz zum vorhergehenden Tatort aus Wien – in dem es auch mal ins Umland ging – ist dieser statt teils heiter eher sehr wolkig…
Filmriss deluxe
Dies im wahrsten Sinne des Wortes: Nach einer soliden und feucht-fröhlichen Geburtstagsparty (für die Eisners beste Freundin und seit 33 Fällen geschätzte Kollegin Major Bibi Fellner (Adele Neuhauser) extra eine Torte gebacken hat – und wir alle wissen, wie sehr Bibi backen hasst) wacht Eisner völlig verkatert und mit einem Filmriss, der sich gewaschen hat, auf. Was dazu führt, dass Bibi an diesem Morgen allein zum Leichenfundort von Clubbesitzer Otto Hübner, einem bunten Hund in der Wiener Nachtszene, fahren muss.
Dieser wurde erschossen und schnell fällt der Verdacht auf den Geschäftsführer Georgios Sideris (Eidin Seyed Jalali), mit dem das Opfer wegen verschwundener Einnahmen im Streit lag. Als Eisner, kaum wieder im Dienst, Siderius vernehmen will, schießt der Mann auf den Kommissar. Die Kugel streift Eisner nur, doch schon bald kommen ernste Probleme auf ihn zu…
Persönliche Wochen beim Tatort
Es werden die DNA des Ermittlers am Tatort sowie die Tatwaffe in dessen Müll gefunden. Dass er sich an nichts erinnern kann (nicht einmal die Torte!), erschwert die Sache für alle. Zwar glaubt Bibi an seine Unschuld und vermutet, dass Moritz mit k.O.-Tropfen betäubt wurde. Doch kommen immer wieder neue Indizien auf. Zudem verheimlicht er seiner Kollegin das eine oder andere und boykottiert im Grunde jeden ihrer Ermittlungsansätze. So stellt der Fall nicht nur das Erinnerungsvermögen Eisners auf die Probe, sondern auch das Verhältnis der beiden Ermittler zueinander.
Es scheinen persönliche Wochen beim Tatort zu sein: In Dortmund war‘s auch im Team beinahe familiär, als Jan Pawlak sich verabschiedete. Im hohen Norden muss Falke einen Verlust verkraften. In München kam die Kindheit Leitmayrs ins Spiel. Und im Saarland ist sowieso alles immer persönlich. Nun also in Wien, wo dies aber auch insofern Sinn ergibt, als dass die beiden lange zusammen ermitteln und Freundschaft und Familie immer mal wieder eingebracht worden sind.
Nachdenklich bewegt
So rücken hier auch mal wieder Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig) sowie deren etwas undurchsichtiger, aber immer höflicher Freund Lukas (Julius Feldmeier) in den Fokus – und werden natürlich am Ende irgendwas mit dem Fall zu tun haben. Der wiederum ist von Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschik so packend und emotional geschrieben, wie von der aktivistischen österreichischen Regisseurin Katharina Mückstein nachdenklich und viel im nächtlichen Wien inszeniert.
Am Ende ist alles dezent anders, als mensch denkt und doch irgendwie wieder nicht. Da der Fokus im Tatort: Dein Verlust jedoch vor allem auf der menschlichen Perspektive und der sehr stimmungsvollen Aufbereitung liegt, spielt es letztlich keine Rolle, dass die Dinge zu Beginn des letzten Drittels schon recht klar auf der Hand liegen (zuerst allerdings werden gut falsche Fährten gelegt). Ein sehenswerter Krimi, mit ordentlich Schmäh und viel Gefühl. Kurzum: Ein Verlust, ihn nicht zu schauen.
AS
PS: Gesehen mit einer Freundin, die eigentlich keinen Tatort schaut und nun denkt, doch öfter mal rein zu gucken.
PPS: Christina Scherrer geht in den Mutterschutz und somit auch ihre lesbische (oder bisexuelle?) Figur Meret Schande. Dürfte aber zurückkehren.
PPPS: Apropos Wien: Aktuell wird Elias Hirschl neues Buch CONTENT gelesen – die Besprechung folgt.
PPPPS: In der kommenden Woche wird in Münster gegärtnert. Und wen wird‘s überraschen: Abgefahrene Nummer. Also: Bis nächsten Sonntag!
Tatort: Dein Verlust ist am Sonntag, 10. März 2023, um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen und ist anschließend für 30 Tage in der Mediathek verfügbar.
Tatort: Dein Verlust; Österreich 2024; Buch: Thomas Christian Eichtinger, Samuel R. Schultschik; Regie: Katharina Mückstein; Bildgestaltung: Michael Schindegger; Musik: Karwan Marouf; Darsteller*innen: Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Hubert Kramar, Christina Scherrer, Tanja Raunig, Julius Feldmeier, Eidin Seyed Jalali, Nicole Beutler, Daniela Kong, Jonathan Bella Luto, Norman Hacker, Grischka Voss, Karin Eva Meisel, u. v. a.; Laufzeit ca. 88 Minuten; eine Produktion des ORF, hergestellt von der Epo-Film Produktionsges.m.b.H. – ein Lizenzerwerb der ARD Degeto für die ARD.
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