Kurz vor Weihnachten gab es im Rat der Europäischen Union den Durchbruch: endlich eine gemeinsame Linie in der Asylpolitik. Nun, ob das dieses Mal klappt, wird die Zeit zeigen müssen, aber die Erfahrungen der Vergangenheit lassen uns zumindest mit Skepsis auf alles blicken, was Asyl, Europa und Gemeinsamkeiten betrifft. Ist halt ein wiederkehrendes Thema in den Hauptstädten dieses Kontinents…
Auch im Tatort kehrt das Thema immer wieder zurück. Meist irgendwie verquickt mit Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Migration oder anderen Themen. Im Falle des Neujahrstatorts 2024, dem letzten gemeinsamen des Ermittlerduos Thorsten Falke (Wotan Wilke Möring) und Julia Grosz (Franziska Weisz), kommt es irgendwie zusammen mit all diesen Themen und dazu kommt noch ein Schuss Familie.
Wiederholtes Abtauchen
Wir starten mit einer Razzia. Denis Demirovic (Malik Blumenthal) schafft es, der Durchsuchung zu entkommen, läuft dabei aber Falke und Grosz vor den Wagen. Als Demirovic Falke später am Abend kontaktiert wird klar, dass die beiden einander scheinbar kennen, woran Falke sich jedoch nicht erinnern kann. Demirovic ersucht Falke um Schutz, aber der ist erst mal skeptisch und Demirovic taucht ab.
Kurz darauf wird er erstochen aufgefunden und Falke erinnert sich nach und nach an den kleinen Jungen, der vor etwa zwanzig Jahren bei einem fremdenfeindlich motivierten Brandanschlag überlebte. Noch vor dessen Ableben sehen wir aber Demirovic verschiedene Mitglieder der Familie Timmig bedrängen, äh besuchen. Was hat er mit der Familie zu tun und welche Rolle spielt sie im Ableben des jungen und verzweifelten Mannes?
Christine Lambrecht hatte mehr Wumms
Wir wollen uns an dieser Stelle gar nicht zu lange in einer langen Analyse aufhalten: Vermutlich erinnen sich die meisten noch an das geschmacklose Silvestervideo, das die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht vor einem Jahr ihr Amt gekostet hat. Dieses Video hatte zwar entsprechende Konsequenzen, aber eben auch deutlich mehr Wumms als dieser Tatort: Was bleibt von Regisseur Max Zähle, Drehbuchautorin Marija Erceg und ihrem weiteren Team.
Er ist langweilig und alles andere als fesselnd, an einigen Stellen sogar sehr vorhersehbar, obwohl er eindeutig raffiniert und komplex daherkommen soll. Die Handlung plätschert über knapp 90 Minuten dahin – das große Geplätscher gibt es dann am Ende in einer völlig unnötigen Sequenz – und selbst mit einem Kater vom Silvesterabend dürfte dieser Fall viele Zuschauerinnen und Zuscher noch anöden.
A long goodbye
Dazu kommt der Ausstieg von Julia Grosz, von der selbst Darstellerin Franziska Weisz sinngemäß sagte, dass die Rolle auserzhält sei. In anderen Duos – nach Petra Schmidt-Schaller ist Weisz schon die zweite Partnerin, die Falke trotz Nähe verlässt – gibt es für die aussteigenden Teammitglieder zumeist noch einen fulminatnen Abschied, in der der oder die Aussteigende noch einmal im Mittelpunkt steht.
Da steht Franziska Weisz in dieser Folge zwar auch, aber nur zu Beginn, als sie Falke in der Kneipe mit ihrer Band ein Ständchen zum 25-jährigen Dienstjubiläum trällern darf. Danach steht sie wie schon in den Fällen Tyrannenmord oder Tödliche Flut quasi vollkommen am Rande und wird eher ignoriert. Nina Rubin in Berlin, Martina Bönisch in Dortmund oder Lessing in Weimar hatten deutlich würdigere Abschiede als hier Weisz. Hoffen wir einmal, dass Rick Okon aka Jan Pawlak in etwa sechs Wochen einen besseren Ausstieg bekommt. Einen sehr spoilernden weiteren Kommentar hierzu gibt es am Ende dieses Textes.
Nein, dieser Tatort: Was bleibt ist alles andere als ein guter Jahresauftakt – aber das passt zum Ende von 2023 mit einem schwachen Frankfurter Fall. Was bleibt ist langweilig, die Dialoge nicht besonders gut und vor allem ist die Art und Weise des Ausstiegs von Franziska Weisz der Figur nicht würdig. 2024 darf gerne ein ödes Jahr werden, denn Aufregung hatten wir mit Nahost– und Ukrainekrieg zuletzt genug. Ein langweiliger Start ins Tatort-Jahr ist mit diesem Fall schon einmal geglückt.
Ergänzend zum Ausstieg von Franziska Weisz:
Spoiler (zum Lesen markieren):
Gerade bei ihrem Ausstieg kommt erschwerend hinzu, dass sie nicht einmal „ehrenhaft“ im Fall verstorben ist. Es war doch hier – ähnlich wie bei Daniel Kossigk in Dortmund – bereits eine Exit-Strategie mit dem Wechsel zum BKA geschaffen, die sie einfach ergreifen hätte können. Dass sie nun allein im Regen während einer vermeintlichen Verwechslung aus dem Leben und der Falke-Reihe scheidet, ist vielleicht tragisch, aber vor allem ärgerlich. So ein Ende hat die ansonsten so überzeugende Schauspielerin (die auch hier auftrumpft) wahrlich nicht verdient. Definitiv kein „würdevoller und auch fast epischer Abschied“, wie ihn Regisseur Max Zähle im Presseheft ankündigt.
HMS
Tatort: Was bleibt ist am Montag, 01. Januar 2024, um 20:15 Uhr im Ersten sowie um 21:45 Uhr auf one zu sehen und anschließend für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.
Tatort: Was bleibt; Deutschland 2023; Regie: Max Zähle; Buch: Marija Erceg; Bildgestaltung: Frank Küpper; Musik: Florian Tessloff (eingespielt von der NDR Radiophilharmonie); Darsteller*innen: Wotan Wilke Möhring, Franziska Weisz, Maik Blumenthal, Hanno Koffler, Janina Elkin, Gerhard Garbers, Leslie Malton, Mathis Reinhardt, Henrike Fehrs; eine Produktion der Nordfilm GmbH im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks für Das Erste.
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