Höflich geht die Welt zugrunde

Stell dir vor es ist Urlaub und mehr Leute als gewünscht gehen hin. So geschieht es der Regenbogenfamilie von Eric (Ben Aldridge, Flebag, Pennyworth, demnächst: Spoiler Alert), Andrew (Jonathan Groff, Looking, Mindhunter) und Adoptivtochter Wen (Newcomerin Kristen Cui), die doch eigentlich nur in einer ruhig gelegenen Waldhütte an einem See im ländlichen Pennsylvania ihren Urlaub verbringen wollten. Daraus allerdings soll nichts werden, als die siebenjährige Wen auf die Holzterrasse stürmt und Daddy Eric und Daddy Andrew verkündet, dass da vier Leute auf die Hütte zukämen und irgendwas Schlimmes vorhätten…

Klopfklopf…

Schnell stürzen die drei rein und verriegeln das Holz-Glas-Haus so gut es eben geht. Nach schwerem Klopfen bittet der taktvolle Hüne Leonard (Dave Bautista, Glass Onion — A Knives Out Mystery) um Einlass für sich und seine Begleiter*innen — die Krankenschwester Adriane (Nikki Amuka-Bird), Köchin Sabrina (Abby Quinn) und Redmond (Rupert Grint), der für eine Gasfirma arbeitet — man habe die schwerste und wichtigste Aufgabe der Welt zu erledigen und wolle nun darüber reden. Zuvor sprach Lehrer Leonard mit Wen ein wenig abseits des Hauses, während diese Grashüpfer einfing und zur Beobachtung in ein Glas steckte (Symbolalarm!), darüber, dass sein Herz gebrochen sei — der Dinge wegen, die er heute tun müsse.

Gekommen, um zu verkünden: Adriane (Abby Quinn), Sabrina (Nikki Amuka-Bird), Leonard (Dave Bautista) und Redmond (Rupert Grint) // © 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

So viel also zur Ausgangslage von M. Night Shyamalans neuem Film Knock at the Cabin, der an diesem Donnerstag in den Kinos startet. Jenen, die die 2019 auch in Deutschland erschienene Buchvorlage von Paul Tremblay Das Haus am Ende der Welt kennen (eine Besprechung folgt), ist dies vertraut, ebenso der Verlauf der nicht selten klaustrophobischen und an mancher Stelle wenig zimperlichen Geschichte. Dass dies zumindest hierzulande allerdings nicht allzu viele Menschen sein dürften, nimmt der Rezensent mal als educated guess an (jene, die sie kennen, könnten sich vom weniger konsequenten Verlauf enttäuscht zeigen). 

…hier ist das Ende der Welt

So oder so stellt sich bei M. Night Shyamalan immer eine Frage: Gibt es eine große WHOA-Wendung, die alles Vermutete auf den Kopf stellt? Natürlich soll an dieser Stelle nicht verraten werden, ob und falls ja in welcher Form es diese in Knock at the Cabin gibt, das würde Spannung und Spaß verderben. In diesem Zusammenhang sei auch unbedingt davon abgeraten, den zweiten Trailer zum Film zu schauen, da dieser im Grunde alles vorwegnimmt und die Frage beantwortet, ob die vier Eindringlinge nun spinnen oder tatsächlich gekommen sind, um das Ende der Welt zu verhindern.

Dies proklamieren sie nämlich unheilvoll, derweil sie im Haus aufräumen, nachdem sie sich mit nach Waffen aussehenden Werkzeugen gewaltsam Zutritt verschafft hatten, und beide Daddys mit sanften Seilen an Stühle gefesselt sind und ein Cartoon im Hintergrund läuft. Sprecher der Gruppe ist der von Dave Bautista verkörperte Lehrer Leonard, der, damit wir auch wissen, dass es ein sanfter Riese ist, zur Sicherheit noch eine Streber-Brille trägt. In der Tat muss gesagt werden, dass Bautista, der sich mehr seriösen Rollen widmen will, die Figur solide trägt und uns auf verschiedene Weisen ein wohlig-unheimliches Gefühl zu geben versteht.

Die spinnen, die Apokalyptiker

Auch wir Zuschauer*innen sind somit hin- und hergerissen, ob es denn glaubhaft ist, dass diese vier zufällig und parallel Visionen vom Ende der Welt hatten, sich über ein Messageboard fanden und ihnen in weiteren Visionen gezeigt wurde, dass sie an diesem Tag zu dieser Hütte kommen und die sich dort aufhaltenden Personen darum bitten müssten, eine*n von ihnen auszuwählen, die oder der geopfert würde, um das Ende der Welt zu verhindern. Vertrackt dabei: Keine*r der vier möglichen apokalyptischen Reitenden darf Daddy Eric, Daddy Andrew oder Wen umbringen. Das ist schon so eine Familienangelegenheit.

Halten zusammen: Daddy Andrew (Jonathan Groff) und Tochter Wen (Kristen Cui) // © Universal Studios

Womit wir auch in Knock at the Cabin Motiven begegnen, die M. Night Shyamalan, der so recht nie an seinen Überraschungserfolg The Sixth Sense anzuknüpfen vermochte, des Öfteren aufgreift: Religion und Familie. Zusammenhalt, Zweifel, Vertrauen und Sorge drängen sich immer wieder in Momente der Spannung beziehungsweise unterstützen diese. So scheint Andrew, den Jonathan Groff ordentlich traurig-lädiert gibt, sich nach und nach der Argumentation der Gruppe zu öffnen und meint ebenso, etwas in einer Lichtreflexion gesehen zu haben

Weniger wär’ mehr

Auch die Zuschauer*innen die sich quasi blind in Knock at the Cabin begeben, dürften recht lange zweifeln, was wahr ist und was nicht. Steht doch auch die Option im Raum, dass unser klischeefreies schwules Paar samt Tochter gezielt von religiös-fanatischen Homohasser*innen ausgewählt wurde, um sie psychisch und physisch zu foltern. Zu Unsicherheit und mancher Anspannung trägt auch die von Kameramann Jarin Blaschke (The Witch, Der Leuchtturm, The Northman) in drängenden und doch lichtfließenden Bildern umgesetzte Inszenierung M. Night Shyamalans bei, der es durchaus noch versteht, auch im Kleinen unheilschwangere Momente zu kreieren.

Rupert Grint als Redmond // © 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Leider werden diese immer wieder von kurzen Rückblenden in das Alltagsleben der kleinen Familie durchbrochen, die ihnen wohl mehr Charakterschärfe geben sollen, die es so aber gar nicht gebraucht hätte. Dass wir ein alles in allem glückliches Paar vor uns haben, das jedoch sicherlich seine Kämpfe miteinander und der Umgebung auszutragen hatte, können wir uns denken. Nicht immer ist mehr also besser. 

Opfert einen Homo

Ebenso hadere ich ein wenig mit der arg biblischen Untermalung… Also nichts gegen ein gutes, mögliches Horror-Armageddon und derlei. So ist der Grundton von Knock at the Cabin, auch wenn die vier Eindringlinge versichern, nicht gewusst zu haben, wer im Haus sei und dass sie nicht einen homefeindlichen Knochen in ihren Körpern hätten, dann doch irgendwie: Jemand aus der sündigen Homo-Familie muss sterben, damit der Rest leben kann. Jedenfalls kann es so gelesen werden und auch wenn ich nicht vermute, dass das wirklich die Intention der Story ist, mag dieser Gedanke so recht nicht aus meinem Hinterkopf entschwinden. 

Schlussendlich ist dieser Home-Invasion-Vielleicht-Endzeit-Thriller aber durchaus stimmungsvoll, oft spannend, zwar selten gruselig, doch hin und wieder brutal und mag, wenn wir den Macher*innen nur die besten Absichten unterstellen, nachdenklich stimmen. Wenn es auch an mancher Stelle enervierend sein kann, wie ernst Knock at the Cabin sich selber nimmt. Beinahe wartet mensch noch auf einen Hinweis: „Basierend auf wahren Begebenheiten der Bibel.“ 

AS

PS: Die Musik von Komponistin Herdís Stefánsdóttir ist übrigens recht klasse, würde allerdings besser zu einem drastischeren Film passen. 

Knock at the Cabin startet am 9. Februar 2023 in den Kinos.

Knock at the Cabin; USA 2023; Regie: M. Night Shyamalan; Drehbuch: Steve Desmond, Michael Sherman, M. Night Shyamalan, basierend auf dem Roman Das Haus am Ende der Welt von Paul Tremblay; Kamera: Jarin Blaschke; Musik: Herdís Stefánsdóttir; Darsteller*innen: Jonathan Groff, Ben Aldridge, Kristen Cui, Dave Bautista, Nikki Amuka-Bird, Abby Quinn, Rupert Grint; Laufzeit ca. 100 Minuten; FSK: 16; ab dem 9. Februar 2023 im Kino

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