Böllern, ballern und (Eigen-)Verantwortung

Same procedure as every year – jedes Jahr ist es das Gleiche: Bereits ein paar Tage vor Silvester, geht es mit dem Geknalle los, bevor es dann ab dem Nachmittag des 31. Dezember sich konstant steigernd krachig wird. Vereinzelt fliegen Raketen, vor allem aber sind Böllergeschosse zu vernehmen. Ebenfalls wird alljährlich über Einschränkungen und Verbote diskutiert.

Randale und Terrorgefahr

Anfang Dezember 2023 plädierten die Innensenator*innen der drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg für ein Böllerverbot, dies aber wurde von ihren dreizehn Flächenland-Kolleg*innen auf der Innenministerkonferenz abgebügelt. Sich an die Krawalle in Berlin erinnernd, sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in einem Gespräch mit ZEIT ONLINE, dass die Polizei in diesem Jahr alles tun dürfe, das gesetzlich erlaubt sei und mit aller Härte durchgreifen werde. Er selber werde mit der Innensenatorin, der Polizeipräsidentin und dem Chef der Berliner Feuerwehr „in der Stadt unterwegs sein, auch rund um die Sonnenallee in Neukölln“.

Dass die Sicherheitsbehörden nicht nur aufgrund der Randale des letzten Jahres an diesem 31. Dezember 2023 besonders aufmerksam sein werden, ist klar. Der Terrorangriff der radikalislamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 und die verteidigende Rekations Israels darauf, erhöhen das Risiko von Ausschreitungen und Anschlägen auch hierzulande. Anschlagsvermutungen und -drohungen häuften sich zuletzt, die Sorge vor Terroranschlägen in der Silvesternacht, etwa auf den Kölner Dom, wächst.

Mehrheit für Verbote und/oder Einschränkungen

Aus einer repräsentativen Umfrage der Meinungsforschungsagentur pollytix geht hervor, dass 30 Prozent der Deutschen ein generelles Verbot von Silvesterfeuerwerk befürworten, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet. Weitere 30 Prozent sind der Ansicht, dass das Zünden desselben nur noch von Fachpersonal etwa auf öffentlichen Veranstaltungen durchgeführt werden sollte. 37 Prozent wollen nichts verbieten; dabei sprechen sich laut der Umfrage 45 Prozent der 18- bis 39-Jährigen sowie 43 Prozent der Männer gegen Einschränkungen aus. Mit jeweils 33 und 36 Prozent sind Frauen und Menschen ab 60 Jahren die größten Befürworter*innen eines Verbots (im Grunde das Publikum von 60 Jahre Dinner for One – Die Jubiläumsshow, siehe PS).

Laut einer nicht repräsentativen Umfrage des NDR in Norddeutschland, sprechen sich dort 60 Prozent für ein generells Böllerverbot aus und eine große Mehrheit von 89 Prozent für Verbotszonen. Das am häufigsten genannte Argument für ein Böllerverbot ist der Lärm für Mensch und Tier (30 Prozent). Die Teilnehmenden halten Feuerwerk und Böller aber auch für klimaschädlich (15 Prozent), und das Verletzungsrisiko (14 Prozent) und der zusätzliche Müll (11 Prozent) spielen ebenfalls eine Rolle.

Schaden für Mensch und Tier

Es scheint also, als könne mensch sagen, es dauert nicht mehr lange, und es kommt zu Einschränkungen, Verbotszonen, etc. pp. Das allerdings hat der Autor dieser Zeilen vor fünf Jahren ebenso vermutet, wie vor zehn. Denn es war doch damals schon so offensichtlich wie heute, dass das Geknalle und Geleuchte, der Lärm- und Lichtpegel in dieser Stärke und Dauer weder Mensch noch Tier guttun. Biorhythmus und Stoffwechsel von Tieren und Insekten werden gestört, es kann zu Gehörschäden kommen, usw. usf. Dies betrifft auch uns, schließlich sind wir am Ende nur zweibeinige Tiere… dazu nicht einmal die Klügsten.

Das scheint umso offensichtlicher, wenn es um das Risikoverhalten geht, sobald was brennen und knallen darf. Dabei kommt es immer wieder zu Verletzungen, wenn der Böller in der Hand hochgeht, total cool von einer Böllerhete auf den Bollerheten-Kumpel geworfen wird oder man(n) mal eine Rakete ausm Arsch steigen lässt. Dann geht‘s fix mit dem Tatütata ins Krankenhaus, dort wird mensch behandelt und versorgt, die Krankenkasse zahlt‘s bei den meisten.

Gehen wir ihnen eben ans Geld

Unser Herausgeber schrieb vor einiger Zeit, dass Freiheit, Solidarität und Risiko in einer Demokratie untrennbar zusammengehörten. „Wer sich solidarisch verhält, soll auch die Freiheit haben, mehr zu tun und im Schadensfall die Solidarität der Gesellschaft zu erfahren. Dazu gehört aber auch, das Möglichste zu tun, um Risiken für sich selbst und für die Solidargemeinschaft so niedrig wie möglich zu halten. Wer sich bewusst einem Risiko aussetzt, sollte nicht auf die Solidargemeinschaft zählen dürfen.“

Dieser Bewertung schließe ich mich an und plädiere in dem Zusammenhang dafür, dass, wer sich durch Verantwortungslosigkeit sich selbst aber auch anderen gegenüber durch Böller und Co. verletzt, direkt mal 85 Prozent der Behandlungskosten plus Transport ins Krankenhaus selbst übernehmen sollte. Sicherlich eine gute erzieherische Maßnahme. Ebenso sollte Böllern unter erhöhtem Alkoholeinfluss verboten und mit entsprechenden Geldbußen belegt werden. Bei dem Schaden, den die Dinger anrichten können, sollten sie sowieso als Waffen gelten.

Schluss mit Opportunismus und Feigheit

Ein generelles Verbot von Böllern und Silvesterfeuerwerk? Böller definitiv ja, siehe oben. Silvesterfeuerk, jein. Verbotszonen klingen gut. Natürlich würde es bei diesen Maßnahmen vor allem in den Stadtstaaten und größeren Städten der anderen Bundesländer zunächst eine gewisse Zeit dauern, bis Verbote effektiv durchgesetzt und Verstöße geahndet würden. Doch dies mit dem Scheinargument des Aufwands nicht durchzusetzen, erscheint faul und willkürlich.

Vermutlich steckt dahinter ebenso die Sorge, den Menschen Brot und Spiele zu verbieten und so für ein Erstarken irgendwelcher rechten, staats- und demokratiefeindlichen Kräfte zu sorgen. Ergibt Sinn, wenn die erwähnte pollytix-Umfrage auch ergibt, dass 60 Prozent der AfD-Wähler*innen gegen ein Verbot sind (bei CDU/CSU und FDP jeweils 38, SPD 35 und Grüne 9 (!) Prozent). Dies allerdings würde Opportunismus, Kurzsichtigkeit und Feigheit bedeuten und verböte jedes weitere Gerede und Einfordern von (Zivil-)Courage und Solidarität.

AS

PS: 60 Jahre Dinner for One – Die Jubiläumsshow wird am Abend des 31. Dezember um 20:15 Uhr in NDR und SWR gezeigt. Gastgeber ist Bernhard Hoëcker und der hat vier prominente Dinner for One-Fans eingeladen, bei ihm am festlich gedeckten Tisch Platz zu nehmen: Katrin Müller-Hohenstein, Wigald Boning, Jens Riewa und Axel Prahl. Es wird gequizzt, getalkt, gespielt. Dabei gibt es durch Erläuterungen und Einpsieler einiges zum beliebten Sketch mit May Warden und Freddy Frinton zu erfahren.

Quizzen mit vollem Einsatz unter Aufsicht von Alexander Kumptner (3. v. l.) // © NDR/Uwe Ernst

Ebenso werden die beiden Söhne Frintons besucht, der Sohn Peter Frankfelds, der den Sketch einst nach Deuschland brachte, Thomas Frankenfeld, ist kurz zu Gast und mit TV-Koch Alexander Kumptner wird über das Menu fabuliert und gerätstelt. Um 23:40 Uhr sendet der NDR den Sketch dann in voller Länge.

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