Geschichte, das stimmt, wird gemacht. Sie passiert selten einfach so. Das vergessen wir insbesondere dann gern, wenn die gemachte Geschichte Ergebnis eines langen, nerven- und kräftezehrenden Prozesses ist. Auf einmal scheint plötzlich etwas geschehen zu sein. Ein solch langer Prozess fand auch vor der Ratifizierung des Equal Rights Amendment in den USA statt. Dieser vorgeschlagene Verfassungszusatz sollte Frauen die gleichen Rechte wie Männern garantieren.
Diese Geschichte nahm, wenn wir so wollen, zwar ein gutes Ende, aber auch erst beinahe einhundert Jahre nach dem ersten Entwurf dieses 27. Zusatzes der Verfassung der Vereinigten Staaten. In der neunteiligen Miniserie Mrs. America konzentrieren sich die Macher:innen in erster Linie auf die Zeit in den 1970er-Jahren, als sich Phyllis Schlafly anschickte, das Equal Rights Amendment in jedem Fall zu verhindern und damit in offenen Konflikt mit der überparteilichen Frauenbewegung um Bella Abzug, Gloria Steinem (die sich negativ über die Serie geäußert hat) und Co. stand.
Der Beginn der Kulturkriege
Es war die Zeit, die, wie es die Autorin und Produzentin Dahvi Waller ausdrückt, die Verhärtung oder viel eher den Beginn von Kulturkriegen markierte. Zwei – oder mehr – Seiten, die einander unversöhnlich gegenüber stehen und keine Kompromisse zu machen bereit sind. So sehr sich Phyllis Schlafly (Cate Blanchett, die auch Co-Produzentin der Serie ist) gegen den Zusatzartikel wehrte, so ist es hier vor allem Gloria Steinem (auf den Punkt: Rose Byrne), die für uns Zuschauer:innen den Gegenpol in ähnlich absoluter Form präsentiert.
Hier sollte gesagt werden, dass die Konflikte innerhalb der Frauenbewegung zwar verknappt, aber immerhin überhaupt und ohne über sie zu urteilen, dargestellt werden. Sei es der Beginn von intersektionalem Feminismus, für den vor allem die von Uzo Aduba fantastisch verkörperte Shirley Chisholm eine Politikerin und die erste Schwarze Frau die Kandidatin zur Präsidentschaftswahl war, steht. Aber auch die recht offen dargestellte Homophobie und problematische Haltung in Bezug auf Abtreibung von Betty Friedan (Tracey Ullman), eigentlich eine Feministin erster Stunde, wird nicht ausgespart.
Die Konflikte um die Weiterentwicklung der Bewegung, aber auch der Neid auf die Popularität einzelner, werden deutlich gezeigt. Jedoch ließe sich kritisieren, dass Mrs. America zwar wirklich smart geschrieben ist, sie aber recht wenig Raum gibt, der es uns erlauben könnte, eigenständig über die Charaktere zu reflektieren. Durch die handlungsgetriebenen Dialoge und Szenen bleibt kaum Raum zum Durchatmen und Zwischentöne gibt es wenige. Was natürlich auch wieder zum Thema Kulturkrieg passt.
Grabenkämpfe ohne Kompromiss
Dennoch – und das ist mehr als löblich – gibt es kein allzu klar definiertes Gut und Böse. Wir mögen die Ansichten von Phyllis Schlafly für rückständig und womöglich gefährlich halten, insbesondere wenn sie sich zur Verteidigung dieser mit homophoben und bigotten Rassistinnen einlässt. Doch letztlich meint sie das Richtige zu tun: Das Recht der Frau darauf Hausfrau und Mutter zu sein, zu verteidigen. Die Ironie ist natürlich, dass Schlafly, die selber ein Arbeitstier und eigentlich eine Expertin für die männerdominierte Außen- und Sicherheitspolitik war, sich gegenüber Männern immer wieder zu behaupten hatte, um gehört zu werden. Und letztlich auch an diesem inneren Konflikt scheiterte. Obwohl sie eine der ersten und wichtigsten Unterstützerinnen des konservativen Schauspielpräsidenten Ronald Reagan war, war sie für ihn am Ende genau das, was sie für andere Frauen versuchte zu erkämpfen: hübsches Beiwerk sein zu dürfen.
Es ist in diesem fantastischen und großen Ensemble auch Cate Blanchett zu verdanken, dass wir ihre Schlafly zwar nicht lieben, aber doch verstehen können und durchaus an der einen oder anderen Stelle denken mögen: Immerhin. Was so einfach auch nicht ist, da sie zum Beispiel gerade im Umgang mit ihrer Schwägerin (Jeanne Tripplehorn) nicht unbedingt nett ist und überhaupt ein strammes Regiment führt. Wie sich auch im nach und nach aufkeimenden Konflikt mit ihrer besten Freundin Alice (ja, einfach nur ja: Sarah Paulson, Ratched), spiegelt. Alice ist zwar ein fiktionaler Charakter, verkörpert aber die Zerrissenheit der Anhängerinnen Schlaflys in einer Person.
Nicht weniger streng versucht auch die Kongressabgeordnete Bella Abzug (Margo Martindale) „ihre“ Frauenbewegung zu kontrollieren und nicht die Zügel aus der Hand zu geben, auch wenn sie in Gloria Steinem das perfekte Aushängeschild gefunden zu haben scheint. Dies gilt insbesondere auch als Front gegen die homophobe Betty Friedan, deren Haltung sie für eher schädlich für die Bewegung halten. Apropos: Es gibt einen ganz fantastischen Augenblick zwischen Phyllis und ihrem Sohn John (Ben Rosenfield).
Die neun Folgen von Mrs. America sind also ein gesellschaftshistorisch hoch interessantes, dazu noch alles in allem unterhaltsames und hochwertig aufbereitetes Mini-Kino, das gerade in einer Zeit, in der wir sehen, dass auch durch Corona das Rad der Geschichte zurückgedreht werden kann, von enormer Wichtigkeit ist. Denn wie erwähnt: Geschichte wird gemacht, sie passiert nicht einfach.
Mrs. America; USA 2020; Regie: Anna Boden and Ryan Fleck, Amma Asante, Laure de Clermont-Tonnerre und Janicza Bravo ; Drehbuch: Dahvi Waller, Tanya Barfield, Boo Killebrew, Micah Schraft, April Shih, Sharon Hoffman und Joshua Allen Griffith ; Darsteller: Cate Blanchett, Rose Byrne, Uzo Aduba, Elizabeth Banks, Sarah Paulson, Kayli Carter, Margo Martindale, Melanie Lynskey, Jeanne Tripplehorn, Tracey Ullman, Niecy Nash, James Marsden, John Slattery, Ari Graynor, Ben Rosenfield; Laufzeit: 43 – 54 Minuten; Shiny Penny Productions, Dirty Films, FX Production; verfügbar u. a. bei Magenta TV, iTunes und anderen VoD-Anbietern.
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