Kylie in Korea

Von Alexander Schütz

Der Titel Love in the Big City weckt natürlich direkt Assoziationen zu Sex and the City und ich vermute sehr, dass das Absicht ist. Eine schillernde Großstadt, ein Protagonist der sich von Mann zu Mann hangelt und eine gefühlt dauerbesoffene beste Freundin? Ja, da schaut der schwule Mann gerne genauer hin. Doch Sang Young Parks bei Suhrkamp Nova erschienener Roman ist ein gutes Stück gehaltvoller als die erwähnte Serie

Überraschendes Geschenk

Young und seine beste Freundin Jaehee lieben Partys, Alkohol und Männer. So genießen sie gemeinsam das Leben, bis Jaehee beschließt zu heiraten. Young lässt sich allein weitertreiben, durch die Stadt, von Party zu Party, von Mann zu Mann. Oft nur für eine Nacht. Irgendwann bekommt er die gefürchtete Diagnose: Er hat sich angesteckt. Das Virus, das ihn jetzt für immer begleiten wird, nennt er Kylie, nach seiner Lieblingssängerin und Ikone Kylie Minogue. Young lebt sein Leben weiter, feiert, verliebt und trennt sich.

Das Buch war ein Geschenk und die Schenkende (und ich auch, ehrlich gesagt) war ein bisschen in Sorge, dass es zu sehr in die Young-Adult-Schiene abgleiten könnte. Doch diese Sorge war unbegründet, im Gegenteil, ich fand es sogar sehr erwachsen und ganz weit entfernt von kitschigem Boys-Love-Einheitsbrei. Young ist ein liebenswerter Protagonist, nicht perfekt, aber genau darum so sympathisch. Getoppt wird er eigentlich nur von Jaehee die man nur lieben kann. Von der unerwarteten Schwere der Geschichte wurde ich ein wenig überrascht, denn trotz Youngs ungezügeltem (Liebes-)Leben werden auch sehr ernste Themen angepackt.

Überraschende Ächtung

Die Suche nach Liebe und einem Partner, die Schwierigkeit, diesen wegen unterschiedlicher Erwartungen und Lebensstile zu halten und dann ist da ja auch noch Kylie. Ab einem gewissen Punkt ist HIV sehr präsent, auch wenn es nie beim richtigen Namen genannt wird. Das hat mich dann auch sehr überrascht, wie schnell und leicht man in der südkoreanischen Gesellschaft tatsächlich belächelt bis hin zu geächtet werden kann aufgrund von Homosexualität oder des HIV-Status. Ich dachte ehrlich, man wäre dort offener und weiter, was auch dafür sorgte, dass die Handlung für mich teilweise seltsam altmodisch und überholt wirkte.

Kurzzeitigen Rückhalt erfährt Young durch drei Partner und Beziehungen, die sehr schön und echt beschrieben sind und für mich klar zum Highlight des Romans gehören. So habe ich wirklich ein wenig mitgehofft und mitgelitten und war auch ein klein bisschen traurig, als ich am Ende den Protagonisten gehen lassen musste. Ich wünsche ihm alles Gute, dass er Liebe findet. Love in the Big City von Sang Young Park ist nicht der ganz große Wurf, als der er beworben wurde, aber es ist ein schönes Buch. Bunt, manchmal laut, öfter leise, melancholisch, liebenswert und voller Leben. Und natürlich Liebe. 🇰🇷🏳️‍🌈

Unser Gastautor Alexander Schütz wurde 1985 geboren und ist gelernter Buchhändler. Auf Instagram betreibt er die Kanäle bookhouse_boy_from_twin_peaks und lets_scare_alex_to_death

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Sang Young Park: Love in the Big City; März 2022; Aus dem Koreanischen von Jan Henrik Dirks; 251 Seiten; Klappenbroschur; ISBN 978-3-518-47228-6; Suhrkamp Nova; 16,00 € 

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert