Vietnam 101

Es ist bereits eine Weile her, dass ein Lehrer in der Schule sagte, es gebe noch drei kommunistische Staaten auf der Welt: Kuba, Nordkorea und Vietnam. Für die Ideologie, die für sich in Anspruch nahm (und wohl noch immer nimmt), dass allein sie das Idealbild einer egalitären und sozial vollkommen gerechten Gesellschaft erfüllt, ist das offen gesagt kein sehr gutes Zeugnis.

Ho Chi Minh ist die zentrale Figur Vietnams. Er liegt einbalsamiert in diesem Mausoleum in Ha Noi – obwohl er verfügt hatte, dass er verbrannt werden wollte… // Foto: Hans Siglbauer

Ein genauerer Blick in diese Staaten zeigt überdies, dass Kuba (das ich zum Jahreswechsel 2016/17 besuchen durfte) in eine Art Turbokapitalismus, dem vor allem ausländische Touristen als Cash Cows dienen, verfallen ist, der jedoch unter keinen Umständen als solcher deklariert werden darf. Über Nordkorea (habe ich Ende 2019 nur kurz über einen Blick in die Demilitarisierte Zone sehen können) müssen wir nicht reden. Das Land ist die globale Blackbox – klar ist wohl nur, dass die Bevölkerung leidet wie kaum ein anderes Volk.

Vietnam – die große Unbekannte

Es bleibt Vietnam, das zumindest in mir lange wenig auslöste – vor allem keine Reisesehnsucht. Nun hatte ich mich jedoch zu einer Reise nach Südostasien entschlossen und Vietnam schnellte in meiner Aufmerksamkeit nach oben. Als Tourist würde ich das Land bereisen und mich von seiner Schönheit, der Aufgeschlossenheit der Bewohnerinnen und Bewohner, den Traditionen, der bewegten Geschichte und natürlich auch dem Essen erfreuen lassen – und manches Mal auch ernüchtern, aber auch das gehört eben dazu.

Für alle Länder, in denen sie wild leben gilt: Vorsicht vor Affen, sie sind gierig und wollen immer an Futter, wie hier nördlich von Da Nang // Foto: Hans Siglbauer

Zur Vorbereitung und Planung dieser Reise diente mir vor allem der Reiseführer Vietnam von Andrea und Mark Markand unter Mitarbeit von Nhu Quynh Nguyen Thi. Dieser ist erst im September 2023 in der 7. vollständig überarbeiteten Auflage bei Stefan Loose Travel Handbücher erschienen, also auf einem vermeintlich sehr aktuellen Stand.

Regionen und Allgemeines

Meine Route führte mich von Süd nach Nord, von Can Tho im Mekongdelta bis in die Hauptstadt Ha Noi im Norden. Weiter nördlich in die Bergregionen um Ha Giang und Sa Pa ging meine Reise trotz einer Dauer von 30 Tagen leider nicht, was neben der dann doch begrenzten Zeit vor allem am lange schlechten und kalten Wetter im Norden Vietnams lag.

Nicht Sa Pa, sondern Cat Ba. Aber auch hier gibt es wunderschöne Bergpanoramen // Foto: Hans Siglbauer

Vietnam, das die Autor*innen in elf regionalen Kapiteln behandeln, ist ein Land, das unglaublich reich an Geschichte, Kultur, Natur, Kulinarik und meist überaus freundlichen Menschen ist. Zu diesen elf Kapiteln, die von Ha Noi und dem Bergland im Norden über die bekannte Ha Long-Bucht und die zentralen Regionen bis nach Ho-Chi-Minh-Stadt/Sai Gon und ins Mekongdelta reichen, kommen in dem Buch noch vier weitere, allgemeine Kapitel hinzu.

Kein Reisebericht

„Reiseziele und Routen“ gibt einen kurzen Überblick über das Land, der in „Land und Leute“ noch einmal vertieft und vor allem mit einer ausführlichen Geschichte Vietnams unterlegt wird. Dazwischen befindet sich das Kapitel „Travelinfos von A bis Z“, das den Touristinnen und Tourisen bündig und kompakt wesentliche für ihre Reise nötige Informationen zu Impfungen, Visa, landestypischer Küche (natürlich vornehmlich mit Reis), Feiertagen und vielem mehr vermittelt. Im Anhang finden sich weitere Informationen wie die wichtigsten Begriffe auf Vietnamesich oder ein Fahrplan für die Nord-Süd-Route der Eisenbahn.

Nun soll an dieser Stelle weder ein eigener Reisebericht stehen noch eine Analyse jedes Kapitels dieses Reiseführers. Da ich nicht ganz Vietnam bereist und auch nicht jedes Hotel und jedes Restaurant besucht habe, die hier aufgeführt sind, kann eine Bewertung nur punktuell sein und den gesamten Eindruck dieses Buchs erfassen.

Have a nice day

Zuerst fällt auf, wie umfangreich sich die Hauptautoren – Andrea und Markus Markand – sich diesem so reichen Land gewidmet haben. Mehr als 700 Seiten umfasst dieser Band und da steckt wirklich eine Menge Information drin. In den meisten Fällen waren die Daten akkurat, selbst wenn vor allem bei Eintrittsgebühren oder Bahn- bzw. Bustickets gerne einmal noch 20 bis 25 Prozent draufgeschlagen werden sollten. Oft genug waren die Preise korrekt und es ist natürlich schwer, so viele einzelne Preise nachzuhalten, zumal vieles online gar nicht nachprüfbar ist, denn anders als in Deutschland gewohnt haben viele Stätten keine Internetauftritte.

Boote und Laternen erleuchteten das wunderschöne Hoi An zu Tet, dem chinesischen Neujahrsfest // Foto: Hans Siglbauer

Ärgerlich war es für mich vor allem, wenn ich mich auf Infrormationen verlassen habe, diese aber dann leider gar nicht mehr aktuell waren – in einem Buch, dessen jüngste Auflage vor weniger als einem halben Jahr erschienen ist. Von Da Nang beispielsweise wollte ich ins malerische Hoi An reisen (bei den Markands mehr als zurecht als eines von 19 Highlights deklariert). Laut Reiseführer sollte es einen Bus geben, der dort direkt hinführe. Wie sich aber herausstellte, wurde dieser bereits mit Beginn der Corona-Pandemie eingestellt und das ist, mit Verlaub, doch lange genug her, als das das hätte angepasst werden können.

Ein paar Lücken…

Was eindeutig fehlte, waren Informationen zu LGBTIQ*-Reisen und den besonderen Bedürfnissen, die queere Personen auf Reisen haben. Vietnam ist vielleicht kein solcher Gay-Hotspot wie beispielsweise Taiwan, aber dennoch hätte zumindest ein kurzer Absatz dem Buch gutgetan.

Sonnenaufgang in „Life’s a beach“ – der Name ist hier Programm // Foto: Hans Siglbauer

Was leider auch fehlt – zumindest mir – ist die Frage nach Insekten. Ja, es gibt ausführliche Informationen zur Landesküche, aber gerade die aus meiner und Sicht der Redaktion öffentlich zu wenig behandelte Thematik von Insekten als Nahrungsmitteln – einer Thematik, die im Zuge des globalen Bevölkerungswachstums und von Migrationsströmen deutlich an Bedeutung gewinnen dürfte – konnte ich in leider nicht in diesem Buch abgedeckt wissen.

Highlights sind etwas Individuelles

Ansonsten stellt sich natürlich immer die Frage nach den persönlichen Vorlieben (wozu natürlich auch der Verzehr von Insekten gehört). Bei den Markands als weiteres Highlight deklariert, konnte ich beispielsweise der alten Kaiserstadt Hue wenig abgewinnen, ebenso dem Mekongdelta im Süden. An anderen Orten, etwa den Höhlen um Phong Nha, den Steinformationen bei Ninh Binh oder in der Nähe des zentral gelegenen Quy Nhon fühlte ich mich auch dank der Tipps von Andrea und Markus Markand sehr wohl.

In „Life’s a Beach“ ticken die Uhren anders. Wer Ruhe will, findet sie. Wer Gesellschaft, der oder die auch. Und gute Drinks gibt es auch // Foto: Hans Siglbauer

Gerade im letztere Ziel – nahe Quy Nhon – hatten die beiden meine wohl beste Unterkunft zwar durchaus in ihren Reiseführer aufgenommen, ihn allerdings nicht ansatzweise so sehr gefeiert wie ich selbst. Natürlich sind das auch hier persönliche Vorlieben und es mag einige geben, die mit dem sich in einer fast schon privaten Bucht befindlichen (von zwei schwulen und sehr sympathischen Briten betriebene) „Life’s a beach“ wenig anfangen können. Für mich waren die Tage dort jedoch das unangefochtene individuelle Highlight Vietnams, das ich eher zufällig und auf eigene Faust entdeckte und danach noch zufälliger ein paar eher wenig sagende Zeilen in diesem Reiseführer hierzu las.

Authentizität und Nachhaltigkeit

Überhaupt – und das ist der letzte größere Punkt, dem ich mich hier widmen will – gab es manche Informationen, die nur denen zugänglich waren, die wirklich genau in diesem Reiseführer lesen. Manche Tipps gibt es bei den Markands tatsächlich in wenigen Worten ohne große Hervorhebung. Gerade solche Tipps sind es aber, die das Reisen zu einem authentischen Erlebnis werden lassen. Hier werden diejenigen belohnt, die eben tatsächlich gründlich in dem Buch lesen. Ich denke hier vor allem an die beste vietnamesischsprachige Höhlenführung, die ich in Tam Coc hatte und die noch heute ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert.

Die Höhlen in Vietnam sind von atemberaubender Schönheit, so wie hier in der Paradise Cave von Phong Nha // Foto: Hans Siglbauer

Das – und damit wollen wir auf einer positiven Note enden – ist aber vielleicht auch genau das, was Andrea und Markus Markand in ihrem Reiseführer Vietnam sehr gut schaffen: Sie führen zwar die typischen Touristenattraktionen auf, geben aber oft noch den einen oder anderen Zusatztipp, den mensch sich gegebenenfalls noch erarbeiten muss. Manch ein Geheimtipp bleibt dadurch etwas geheimer, wird jedoch nicht völlig ausgespart. Gerade wenn wir über nachhaltigen Tourismus sprechen – und Nachhaltigkeitspunkte spielen in diesem Buch immer wieder eine Rolle – haben die Markands häufig eine gute Empfehlung parat.

Der vietnamesische Kaffee ist grandios. Dieser im Café Tùng war eine Empfehlung des Reiseführers Vietnam (allerdings nicht der beste, den ich in dieser Stadt hatte) // Foto: Hans Siglbauer

Andrea und Mark Markand: Vietnam; 7. überarbeitete Auflag, September 2023 728 S., 117 Karten u. Pläne, 24 Seiten Farbatlas, Budgettipps, fair & grün reisen, Sprachführer, Literaturtipps u. Register; ISBN 978-3-7701-7580-2; Stefan Loose Travel Handbücher; 26,95 €

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun. Vielen Dank!

About the author

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert