Delta kann auch wunderschön sein

Die Flut im Ahrtal und generell in Westdeutschland dürfte einen wesentlichen Beitrag zum Ergebnis der Bundestagswahl geleistet haben. Das Wasser kam, sah und siegte und hat bekanntermaßen eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Die Kraft des Wassers wurde in jenen Tagen nicht nur den Bewohnerinnen und Bewohnern der betroffenen Gebiete gewahr.

Das Wasser schlägt kleine Wellen //

Diese Kraft des Wassers geht aber deutlich darüber hinaus. Der Fotograf Kevin Krautgartner hat sich aufgemacht, diese Kraft im Bilde festzuhalten und mit seinen Fotos den herausragenden Band Wasser.Farben – Wie Wasser unsere Welt formt zusammengestellt. Gemeinsam mit fünf kurzen Essays von Florian Werner ist diese Sammlung im September 2021 im Knesebeck Verlag erschienen.

Schablone der Farbenpracht

Auf knapp 200 Seiten illustriert Krautgartner die ganze Farbenpracht des meist kühlen Nasses, das wir zumeist nur als klar, transparent und profan wahrnehmen. Dabei ist Wasser so viel mehr, was vor allem in den kurzen Essays Werners herausgearbeitet wird. Dieser legt eine gewisse Schablone über Krautgartners Bilderauswahl.

Eine bizarre Landschaft von oben aufgenommen //

Der additiven Farbmischung folgend widmet Werner den Farben Weiß, Blau, Grün, Rot und Schwarz jeweils etwa anderthalb Seiten und verknüpft anregende Informationen gekonnt mit literarischen und kulturellen Referenzen, persönlichen Erfahrungen und manch historischem Fakt. Was dabei manchmal allerdings fast ein wenig zu kurz kommt, sind ausführlichere wissenschaftliche Erklärungen, zum Beispiel woran es liegt, dass Wasser sich rot oder weiß verfärbt. Hier wäre es schön, wenn der Autor hin und wieder noch ein wenig über die zweifelsohne dennoch unterhaltsamen und lehrreichen Informationen hinausginge.

Wasser von oben

Das eigentliche Highlight des Bandes sind aber ohnehin die Fotografien Krautgartners, die er – wie wir aus Werners Texten erfahren – alle aus der Vogelperspektive, also aus Flugzeugen oder Hubschraubern aufgenommen hat. Auf viele der Panoramen bekommen wir so die 90-Grad-Vogelperspektive und das ist zumeist spektakulär.

Das Wasser zeichnet seine Landschaft, so wie hier bei Ebbe //

Klare Meere, kleine Inseln und Felsen sowie Küstenabschnitte zeigen uns, wie und wo Wasser auf Land trifft und besonders die Ausschnitte, die von oben zeigen, wie es unter dem meist noch unberührten Meeresgrund aussieht, faszinieren. Ob es Felskanten sind, Korallenriffe oder einfach bizarr abfallende Landschaften, dort wo Krautgartner uns mit klarem Wasser konfrontiert, sehen wir eine Pracht, die uns allzu häufig verschlossen bleibt. Vor allem bei den Fotografien aus verschiedenen Teilen Australiens finden wir so eine Reihe von beeindruckenden Bildern in Wasser.Farben.

Neben dem Wasser

Nicht nur das eigentliche Wasser, sondern auch die „Umgebung“ ist mehr als hübsch anzusehen. Ob es die Moose und Gletscher auf Island sind, Bäume auf den Seychellen oder so manch hässliche Ablagerung in den Salinengebieten Spaniens: Vor allem die Umgebung ist oft voller noch prächtigerer Farben, die Krautgartner in seinen Bildern einfängt. Anders als beispielsweise Gregor Sailers Band The Polar Silk Road, der (naturgemäß) sehr viel einfarbig-weiße Pracht einfängt (ironischerweise Wasser in gefrorener Form), zeichnen sich Krautgartners Fotografien auch durch eine hohe und eindrucksvolle Farbenpracht um das Wasser herum aus.

Das Wasser spült die Form eines Baums in den Sand //

Manche Bilder bestechen durch die verschiedenen Eindrücke von Sedimentablagerungen. Gelber Schwefel, grauer Granitstein oder verschiedene Farben von Sand lassen so manches sehr weich gezeichnete Bild eher wie ein impressionistisches Meisterwerk wirken denn als eine Fotografie von durch Wasser und Wetter geprägtes Land. Im Kontrast dazu stehen vor allem die Salinenbilder aus Spanien und Australien, bei denen klare Konturen zwischen den einzelnen Wasserbecken einen scharfen und wunderbaren Kontrast zwischen rot und blau gefärbtem Wasser bieten.

Wasser: Tod und Leben

Gerade das rote Wasser ist ein Anblick, der vielen eher weniger geläufig sein dürfte. Wie angedeutet, Florian Werners anhängiger Text gibt ein klein wenig Information dazu, wann und warum sich Wasser rot färbt, aber generell ist das mit Verschmutzung und Verseuchung und, ja, menschlichen Eingriffen in Verbindung zu bringen. Gerade diese Bilder sind also spektakulär und ungewohnt, selbst wenn sie besonders viel Tod, Stille und auch ein wenig Trauer implizieren.

Ein ungewohnter Anblick: rotes Wasser //

Am schönsten und lebendigsten ist Wasser allerdings, wenn es fließt, selbst wenn sich die Bewegung in einem Foto nur andeuten lässt. Krautgartner hat auch so manches eindrucksvolle Bild von mäandrierenden Flüssen in seine Sammlung aufgenommen. Was allerdings leider ein wenig fehlt, sind wirklich eindrucksvolle Bilder von Flussdelten. Die Mündung der Tiroler Ache in den Chiemsee beispielsweise ist eines der faszinierendsten Naturdenkmäler hierzulande und könnte wunderbar in Krautgartners dennoch hervorragenden Band passen.

Nichtsdestoweniger ist Wasser.Farben ein bildmächtiger Band, der den Leserinnen und Lesern mit voller Pracht zeigt, wie wunderschön die Natur und vor allem das Wasser sein kann. Ja, es kann auch vernichten und zerstören, aber es hat auch eine schöpferische Macht und von dieser überzeugen uns die Fotografien von Kevin Krautgartner vollends.

HMS

Kevin Krautgartner, Florian Werner: Wasser.Farben – Wie Wasser unsere Welt formt; September 2021; Hardcover, gebunden; 176 Seiten; 160 farbige Abbildungen; Format: 24,0 x 28,0 cm; ISBN: 978-3-95728-427-3; Knesebeck Verlag; 40,00 €

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