Von der Siesta zur Fiesta

Sommer, Sonne, Strand – und Malle is‘ sowieso nur einmal im Jahr! Das ist, was viele von uns mit Spanien verbinden. Dabei ist das größere der beiden Länder auf der Iberischen Halbinsel so viel mehr. Kunst und Kultur werden großgeschrieben, die Natur ist vielfach beeindruckend und hey, wer noch nie eine Tomate aus Spanien im Salat hatte, werfe die erste Jakobsmuschel.

Spanien in Bild und Text

Die Romanistin und Autorin Lisa Graf-Riemann ist eine Kennerin der spanischen Lebensart und Kultur, der Leute und ihrer Eigenheiten. In dem Band Spanien 151 – Porträt eines Landes mit vielen Gesichtern in 151 Momentaufnahmen vereint sie Bilder und kurze Texte auf in der Regel einer Doppelseite und bringt uns Land und Leute näher. Die aktuellste Auflage des bei Conbook erschienenen Bild-Text-Bands ist allerdings bereits von Ende 2019 und damit vor allem (noch) nicht pandemieerprobt.

Spanische Weiten, wie sie diese Ziege erkundet // Foto: © Conbook Medien GmbH/Lisa Graf-Riemann

Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es – ähnlich wie der Band USA 151 – ein sehr ansprechendes Gesamtwerk ist, das uns das Land und seine Besonderheiten in kleinen Häppchen darbietet. Wahrscheinlich ist das sogar ohne die Erfahrung der Pandemie – wir erinnern uns: Spanien wurde vor allem anfangs sehr hart von Corona getroffen – noch authentischer und zeigt uns „das wahre Leben“ zwischen San Sebastián, Madrid und Cádiz.

Kultur und Kulinarik

Wir bekommen von Graf-Riemann jedenfalls eine Menge dargeboten: Kulinarisches wie kaltgepresstes Olivenöl, Gazpacho, Churros, Paella und Tapas in vielfältiger Art werden mit den adäquaten Verzehrumständen – gemütliches Frühstück, gesellige Tapas-Tour mit Freundinnen und Freunden – kombiniert. Daraus lässt sich umgehend so manche Lebensweise und Eigenart der Spanierinnen und Spanier ableiten.

Auch eine spanische Köstlichkeit: Bocadillos // Foto: © Conbook Medien GmbH/Lisa Graf-Riemann

Ob es Kanarischer Karneval ist, das Spracheninstitut Cervantes (ähnlich dem deutschen Goethe-Institut), die Semana Santa (die Osterwoche), der Flohmarkt El Rastro in Madrid, wir lernen viele Orte und Termine kennen, die den Spanierinnen und Spaniern Zeit und Gelegenheit zum Feiern bieten. Und nicht zu vergessen: Der Welttag des Buchs am 23. April geht ebenfalls auf eine spanische oder vielmehr katalanische Tradition zurück.

Exportnation

Die Spanierinnen und Spanier sind außerdem erfinderisch und für so manches verantwortlich, was wir hierzulande kennen. Aus der Kulturindustrie dürften vielen die Netflix-Erfolgsserien Haus des Geldes und Élite sowie die Produktionen von Regisseuren wie Pedro Almodóvar bekannt sein. Aber auch der Wischmopp, Schuhe der Marke Camper, Kleidung von Desigual oder die Lutscher von Chupa Chups sind Produkte aus Spanien.

Auf ins Kino – Cine Español // Foto: © Conbook Medien GmbH/Lisa Graf-Riemann

Vieles andere wiederum kennen wir sogar aus Deutschland. Der Internationale Frauentag am 8. März beispielsweise setzt sich auch hierzulande immer mehr im kollektiven Bewusstsein fest, in Berlin ist er bereits Feiertag. Und ebenfalls aus Berlin kennen wir die Hausbesetzerszene – in Spanien ein weit verbreitetes Phänomen, wie wir von Graf-Riemann erfahren. Was wir von ihr zwar nicht unmittelbar lernen, aber dennoch Fakt ist, ist dass Spanien bereits im Bürgerkrieg vor dem Zweiten Weltkrieg zum Spielball zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion wurde.

Vom Glück der Natur

Eine Tradition, die uns auch immer wieder begegnet, ist die des Glücksspiels. Erstaunlich viele Kapitel in Spanien 151 widmen sich verschiedenen Arten von Lotterien. El Gordo – Der Dicke – ist als Weihnachtslotterie auch hierzulande manchen ein Begriff. Aber die Blindenlotterie Once oder die allgemeine Begeisterung der Menschen in Spanien für Lotterie und Glücksspiele dürften in Deutschland eher weniger Leuten vertraut sein.

Compra El Gordo Guapa // Foto: © Conbook Medien GmbH/Lisa Graf-Riemann

Bei alldem darf dennoch die Natur nicht fehlen. Graf-Riemann schreibt über den Affenfelsen von Gibraltar im Süden, zeigt uns Finisterre noch hinter dem Ende des bekannten Jakobswegs, die Berge der Sierra Nevada oder auch so manchen Geisterbahnhof irgendwo im Nirgendwo. Und wo es nicht mit der Bahn hingeht, da hilft uns das kurze Kapitel zum spanischen Straßennetz weiter.

Vielfältiges Spanien

Bei dieser Vielfalt an Themen und Facetten gibt es eigentlich nur einen Punkt, der uns unmittelbar als kleine Kritik auffällt: Es gibt keine Querverweise. Das beliebte belegte Brötchen Bocadillo beispielsweise taucht immer wieder auf, Lotterien wie gesagt auch sehr regelmäßig oder der oft zelebrierte Genuss von Kaffee. Leider gibt es unter den Kapiteln keine Hinweise auf mögliche Querverbindungen bei immer wiederkehrenden Motiven. Das ist nicht weiter schlimm, schmälert auch das Leseerlebnis nicht. Aber es wäre eine schöne Möglichkeit gewesen, doch die vermittelte Kultur noch besser als großes Ganzes zu begreifen.

Abgesehen davon aber ist Spanien 151 ein wunderbar vielfältiger und bunter Band, der uns Menschen, Kultur und Natur zwischen Barcelona, Balearen und Kanaren sehr anschaulich darbietet. Hätte Lisa Graf-Riemann noch andere Punkte aufnehmen können? Ganz bestimmt! Aber dennoch haben wir mit Spanien 151 eine schöne und eindrucksvolle Sammlung verschiedener Facetten, die Spanien ausmachen und uns von Flamenco bis Mandelkuchen in die Kultur und Eigenheiten des Landes eintauchen lassen.

Wer außerdem noch nicht genug von Spanien hat: Das Land war in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse. Wir werden auch in den Wochen nach der Messe immer wieder Bücher von Autorinnen und Autoren aus und über Spanien und vielleicht auch so manches andere Schmankerl in Zusammenhang dem Land besprechen.

HMS

Lisa Graf-Riemann: Spanien 151 – Porträt eines Landes mit vielen Gesichtern in 151 Momentaufnahmen; 2. Auflage, November 2019; 288 Seiten mit über 151 Fotos; Klappenbroschur mit Fadenheftung; ISBN: 978-3-95889-311-5; Conbook Verlag; 16,95 €

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