Vier Todesfälle und eine Hochzeit

„Ein gelungener, tragischer und etwas anderer Einstieg in die sechste Staffel, nach welchem eine Aufteilung in zwei Teile gar Sinn ergibt“, schrieben wir nach den ersten vier Folgen der finalen Staffel der royalen Historien-Soap The Crown. Diese befassten sich vornehmlich mit der Zeit im Leben von Lady Diana (Elizabeth Debicki) und dem damaligen Prince Charles (Dominic West) nach deren Scheidung, sowie Dianas Liebhaber Dodi Fayed (Khalid Abdalla). Dianas und Dodis Tode (die ersten zwei der oben erwähnten vier) am 31. August 1997 in Paris und deren jeweilige Beisetzungen schlossen diesen Einstieg ab.

Heiteres Familienfoto // © 2022 Netflix, Inc.

Seit dem 14. Dezember nun können wir auf Netflix abschließen – mit der Krone, wie wir sie dank Serienschöpfer und Chefautor Peter Morgan seit 2016 kennenlernen durften. Durch die einjährige Pause nach jeweils zwei Staffeln und somit einem recht langen Veröffentlichungsvorlauf konnten sich geneigte Zuschauer*innen also durchaus eine ganze Zeit lang auf das Ende der Serie einstellen. Was so einen Abschied nicht unbedingt leichter machen muss (auch wenn es Zeit wurde, fühlte sich die Serie doch mehr und mehr wie eine aktuelle Nachrichten- oder Klatschsendung an), wie wir mit dem eindrücklichen Schlussbild der Finalepisode „Sleep, Dearie, Sleep“ erkennen konnten/durften/mussten.

Die Crux mit der Beliebtheit

Zuvor bekamen wir Episoden zu sehen, die ebenso sehr von Abschied wie Neuanfang zeugten. In „Willsmania“ geht es darum, wie Prinz William (Ed McVey) damit zurechtkommen muss, den Verlust der Mutter und den Fokus der Öffentlichkeit zu verkraften („That‘s what‘s weird. How kind everyone‘s being.“). Die Autoren Morgan und Jonathan Wilson arbeiten hier fein die Mechanismen heraus, die William zu einem gestalkten Pop-Star machten. Mit Ed McVey ist zudem ein Besetzungscoup gelungen; was sich bei Luther Ford als Prinz Harry nicht sagen lässt. Ford hat viel Talent, aber an Harry, den Ex-Prinzen und nun Duke of Sussex, mag mensch hier kaum denken.

Kate und William // Foto: Justin Downing/Netflix; © 2022 Netflix, Inc.

In „Ruritania“ (Co-Autor Daniel Marc) soll Premierminister Tony „Bliar“ Blair (schön schleimig: Bertie Carvel) dabei helfen, die Beliebtheitswerte der britischen Royals zu verbessern. Dessen Vorschläge verfangen kaum: „Modernity is not always the answer. Sometimes antiquity is too.“ „Alma Mater“ schließlich führt uns nach St Andrews, die Heimat des Golfsports, und zu den ersten „zufälligen“ Treffen von Catherine Middleton (Meg Bellamy) und hätte auch „When Willie met Katie“ heißen können. (War Mutter Carole, toll gespielt von Eve Best, wirklich so penetrant, was die Kuppelversuche anging? Nee, oder?! Das erinnert jedenfalls an die Vehemenz mit der Mohamed Al-Fayed seinen Sohn und Lady Di zusammenbringen wollte.)

Die „Dracula Royal Family“

Nach dem „Hello“ kommt das „Goodbye“: In der so unterhaltsamen wie bewegenden Episode „Ritz“ (Co-Autorin Meriel Sheibani-Clare) heißt es Abschiednehmen von Naschkatze PrincessMargaret („I‘m still alive!“), begleitet von Rückblenden in die Nacht des Endes des Zweiten Weltkriegs. Dort erleben wir eine gelöste Elizabeth Windsor (Viola Prettejohn) und eine schon damals um nichts verlegene Teenager-Margaret (Beau Gadsdon). „Ritz“ gehört zu den besten Folgen der Staffel, wenn nicht der Serie, und nutzt endlich die schauspielerische Kraft und erhaben-brüchige Ausstrahlung Lesley Manvilles, was die Macher*innen anderthalb Staffeln sträflich unterlassen hatten.

Immer eine gute Zeit: Princess Margaret, Countess of Snowdon // Foto: Daniel Escale/Netflix; © 2022 Netflix, Inc.

Die vorletzte Episode „Hope Street“ zeigt schließlich das der Welt bekannte Kennenlernen Williams und Kates auf einer Modenschau, parallel dazu stirbt Queen Mum (Marcia Warren) und Vater Mohamed Al-Fayed (Salim Daw) bezichtigt die „Dracula Royal Family“ des Mordes an der angeblich schwangeren Diana und seinem Sohn, und ihrem vermeintlichen Verlobten, Dodi. Die Polizei ermittelte, was auch im Interesse der Royals gewesen sein dürfte, glaubten doch laut Umfragen seinerzeit 89 % der Bevölkerung, dass an den Anschuldigungen etwas dran sein könnte.

Erstmal die Mutti fragen

Noch bevor in der zehnten Folge der sechsten Staffel, der finalen Episode von The Crown ein letztes Mal die Titelsequenz läuft und die Melancholie zu wachsen beginnt, wird klar, dass Charles und seine geliebte Camilla Parker Bowles (Olivia Williams) nun zusammenleben. Während im Radio Nachrichten zum verheerenden Verlauf des Irak-Kriegs laufen, bittet Charles Camilla seine Frau zu werden. Dies sei natürlich kein Antrag, dazu müsse er erst Mummys Erlaubnis einholen… aber schon mal so angeklopft.

Endlich am Ziel? Nö. Prince Charles und Camilla Parker Bowles // Foto: Justin Downing/ © Netflix

Das zu sehen ist witzig. Natürlich stimmt es, dass der Thronfolger nicht einfach so eine Frau heiraten darf und schon gar nicht, wenn er bereits geschieden ist. Dennoch entbehrt der Moment in seiner Gesamtheit nicht einer gewissen Komik. So geht Charles also zu Mama, einer gewissen Queen Elizabeth II. (Imelda Staunton) und bittet darum, Camilla um ihre Hand bitten zu dürfen. Sie denke darüber nach, so die Queen.

Heikel und melancholisch

In dieser finalen Episode, die nach einem Dudelsack-Klagelied benannt ist, das die Königin sich für ihre Beisetzungszeremonie wünscht, hat Elizabeth über vieles nachzudenken. Da ist diese Hochzeitssache, die natürlich auch eine Auseinandersetzung mit den Bischöfen ihrer Church of England mit sich bringt (Charles und Camilla werden weltlich getraut, dann gibt es eine Prozession und sie müssen Abbitte leisten – Shame!), dann soll sie sich mit der Operation „London Bridge“ aka ihrem Tod und den Folgen befassen und schließlich, wir schreiben das Jahr 2005, rennt Harry auf einer Geburtstagsfeier mit dem charmanten Motto „Colonials and Natives“ in einer Nazi-Unifrom samt Swastika rum.

© 2022 Netflix, Inc.

„Sleep, Dearie, Sleep“ packt also zuletzt noch einige sehr heikle Themen an, wirkt dadurch allerdings auch recht vollgestopft. In früheren Staffeln hätte allein die Hochzeitsnummer eine volle Episode bekommen. (Ein faszinierendes Gespräch übrigens, das Granny mit William und Harry führt, als sie wissen möchte, ob diese Hochzeit deren Segen hätte. Hier wird mehr als deutlich, wie wenig Harrys Sichtweise im Kontrast zu der des Thronfolgers William zählt. Überhaupt wird der Bruderzwist und das gegenseitige Missverstehen gut abgearbeitet: „There‘s no need for a number two in the family. Except for entertainment“, sagt die Reserve.)

Angepasstes Modell

Dass die von Stephen Daldry inszenierte Episode trotz allerlei Schwermut, der Möglichkeit der Abdankung und des immer angedeuteten Todes der Queen, dennoch funktioniert, liegt am pointierten und doch sensiblen Drehbuch Peter Morgans sowie den starken Leistungen von Imelda Staunton als Elizabeth II. und Jonathan Pryce als Gatte Philip, Duke of Edinburgh.

© 2022 Netflix, Inc.

Morgan gab an, die finale The Crown-Episode nach dem Tode Elizabeth II. im Herbst 2022 noch einmal überarbeitet zu haben. Was ihr deutlich anzumerken ist. Ein großes Modell ihres Trauerzugs zu sehen, das mutet seltsam an und so schaut auch Stauntons Elizabeth ein wenig erstaunt bis irritiert auf das Miniatur-Bauwerk. Nicht minder erstaunt wirkt sie, als ihr ihr jüngeres Ich I (Olivia Colman) im Pferdestall erläutert, wieso sie abdanken und sich aufs Altenteil zurückziehen sollte. Unter anderem sei sie beinahe achtzig. Die Leute erinnerten sie ständig daran, gibt sie an sich selber zurück.

Geboren, Königin zu sein

Kurz bevor es dann zu den Feierlichkeiten der Trauung von Charles und Camilla geht, ermahnt ihr jüngeres Ich II (Claire Foy) sie, bloß nicht abzudanken. Stauntons Lilibet antwortet, sie wolle nicht eines Tages die Regentschaft einer geriatrischen Frau in die Hände eines geriatrischen Mannes legen; „decrepit“ nennt sie die Monarchie hier. Foys Elizabeth meint hingegen, die bald 80-Jährige sei freier und selbstbewusster als je zuvor, stehe in der Blüte des Lebens. Wir wissen, wie das ausgeht: Charles bekommt sein sehnlich gewünschtes Hochzeitsgeschenk erst siebzehn Jahre später als geriatrischer Mann. Philip unterstützt seine Frau zum Ende der Folge, meint sie sei dafür geboren und all jene, die nach ihr kommen würden, seien noch nicht im Ansatz bereit. Es ist schön und sehr treffend, dass der letzte reale Dialog der Serie ihrem langjährigen Wegbegleiter gewidmet ist.

„I’ll leave you to it.“ // Foto: Justin Downing/ © Netflix

Zum Abschied gibt es ein wunderbares Bild der langsam durch das Portal von Westminster Abbey schreitenden Elizabeth Alexandra Mary Windsor Mountbatten die uns nun auch als fiktionalisierte Figur nach sechs Staffeln und acht Jahren verlässt. Und so ist mit dem (durchaus angebrachten) Ende von The Crown auch eine Serie zu Ende gegangen, die ebenso wie Queen Elizabeth II. für „Beständigkeit und Kontinuität“ stand und eine Menge Menschen lange begleitet hat.

Ade, lebe wohl und mach‘s gut

In mein Leben trat The Crown zu einer Zeit, in der es mir nicht gut ging und diese elegante, opulente, gern scharfzüngige Serie war mir zu Beginn eine willkommene Ablenkung und Stütze, wie auch die Soundtracks, erst von Rupert Gregson-Williams und später Martin Phipps, mich begleiten sollten und es weiterhin werden. Mit The Crown habe ich weniger gute, normale und sehr gute Zeiten erlebt und nicht selten dachte ich mir: Das Drama dort, das es eben in ähnlicher Form tatsächlich gab, möchte mensch auch so resolut durchstehen wie die immer würdevoll portraitierte Queen Elizabeth II.

Ade! // Foto: Justin Downing/ © Netflix

Ade, The Crown. Ade, Lilibet. War oft ganz schön mit euch.

JW

PS: „I don‘t need to endear myself. I‘m not the one with the image problem.“ William zu Papa Charles, als dieser ihn zu einem Pressetermin überreden will. Der Konflikt der beiden Thronfolger wird sehr fein, auch mal sehr emotional, thematisiert. Highlight ist ein Streitgespräch der beiden, das so vermutlich nie stattgefunden haben dürfte und doch sehr gut erfasst, welche Verantwortung auch der neue König Englands trägt, wenn es um das Ende Lady Dianas geht – und wie wenig er bereit ist diese anzuerkennen. Klingt realistisch.

Say: Royal Cheeeeese // © 2022 Netflix, Inc.

PPS: „Tears and self-pity aren‘t exactly common currency in this family.“ Es bringt Freude zu sehen, wie herrisch sie beim Sohn und wie kumpelhaft sie beim erstgeborenen Enkel auftritt. Klingt realistisch.

PPPS: „I don‘t have handrails anywhere.“

Würdevoller Abgang // Foto: Michelle Watt © Netflix

Netflix veröffentlichte die ersten vier Folgen der sechsten Staffel von The Crown am 16. November 2023; die verbleibenden sechs Episoden sind seit dem 14. Dezember 2023 auf Netflix verfügbar.

The Crown – Staffel 6, Teil 2; UK, USA 2023; Buch: Peter Morgan, Jonathan Wilson, Daniel Marc, Meriel Sheibani-Clare; Regie: May el-Toukhy, Erik Richter Strand, Alex Gabassi, Stephen Daldry; Musik: Martin Phipps; Darsteller*innen: Imelda Staunton, Jonathan Pryce, Dominic West, Olivia Williams, Lesley Manville, Bertie Carvel, Claudia Harrison, Marcia Warren, Ed McVey, Luther Ford, Viola Prettejohn, Beau Gadsdon, Eve Best, Ben Lloyd-Hughes, Harry Anton, Olivia Colman, Claire Foy, Elizabeth Debicki, Salim Daw; sechs Folgen à 48 – 72 Minuten; seit dem 14. Dezember auf Netflix

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