Die erschreckende Welt der Evangelikalen

Gerade ist in den USA der Nominierungsparteitag der Republikaner zu Ende gegangen und natürlich wurde Donald Trump als deren Präsidentschaftskandidat ausgewählt. Das war wenig überraschend. Ebenso wenig überraschend war der Ton dieser Sh*tshow, in dem der Präsident über den grünen Klee gelobt, weiter mit ausgesponnenen Geschichten geworben und die Realität ausgeblendet wurde. Darauf, dass wir in Deutschland teilweise eine sehr europäische Sicht auf den amtierenden US-Präsidenten und die Gründe seiner Wahl, seiner in Teilen der US-Bevölkerung anhaltenden Beliebtheit und möglichen Wiederwahl haben, wollen wir an anderer Stelle detaillierter eingehen. Jetzt soll es um die sehr interessante und lehrreiche ZDFinfo-Dokumentation Bibeltreue Supermacht – Evangelikale in den USA gehen. Wobei diese Dokumentation schon einen guten Einblick in eine teils ganz anders tickende Gesellschaft zu geben scheint.

Die Autorin des Films, Sarah Fournier, widmet sich in Bibeltreue Supermacht der größten Religionsgruppe der USA: den Evangelikalen. Die sind es auch, um die Donald Trump bereits für seine Wahl im Jahr 2016 so warb, darum auch Mike Pence holte und ohne deren Unterstützung er wohl niemals Präsident geworden wäre. Zwar ist Trump in etwa so christlich, wie ein Stück Brokkoli ein Steak ist, doch da die Evangelikalen in erster Linie ein möglichst bibeltreues, primär nach wörtlicher Interpretation der Bibel ausgerichtetes, sehr konservatives Amerika wünschen, passte ihnen Trump dann ganz gut. Diese äußerst unheilige Verbindung spielt allerdings nur am Rande eine Rolle, beziehungsweise ist sie Hintergrund.

Phasen, in denen weltliche Dinge getan wurden

Vor allem in ländlichen Regionen der USA spielen Kirchen eine wichtige gesellschaftliche Rolle. // © ZDF/Glenn Lyvonnet

Der Film schafft es gut einen Eindruck davon zu vermitteln, wie abgeschottet die Welt der Evangelikalen ist. Dass die Mitglieder einer Gemeinde besser unter sich bleiben sollen, wird auch explizit gesagt. Beispielhaft gezeigt wird das an einer Gemeinde in Florida, in der auf 22.000 Einwohner 151 Kirchen kommen und in der die Mehrheit wie unter einer Glaskuppel lebt. Wer noch nicht den Evangelikalen angehört, gehört nicht dazu und sollte wohl konvertieren. Die Töchter einer Familie haben weder Poster noch sonst etwas typisch „Jugendliches“ in ihren Zimmern, dafür reichlich Ausgaben der Bibel und diverse christliche Magazine; im Auto auf dem Weg zur evangelikalen Privatschule wird ausschließlich ein christlicher Radiosender gehört. Für die Teenies sind Sex, Partys, etc. tabu. Zitat: „Viele meiner Freunde sind durch Phasen gegangen, in denen sie weltliche Dinge getan haben.“ Na hoppala!

In der Dokumentation darf natürlich nicht die noch recht neue, große Attraktion für bibeltreue Christen fehlen: Der kreationistische Abenteuerspielplatz Ark Encounter, der einen nahezu maßstabsgetreuen Nachbau der Arche Noah zeigt. Hinter der in Kentucky befindlichen Attraktion steht die evangelikal apologetische, christlich fundamentalistische Gruppe Answers in Genesis. Eine Besucherin des Themenparks äußert deutliche Kritik: Die Frauen auf Noahs Arche sollten züchtiger angezogen sein, findet sie. 

Unweit dieses Parks befindet sich das Creation Museum, das Museum der Schöpfung, und der Name ist Programm. Die für den Beitrag interviewte Angestellte des Museums, eine studierte Biologin, hat der Wissenschaft und der Evolutionstheorie definitiv abgeschworen und ihre Aussagen sind größtenteils erschreckend.

„Alles was ich über Schwule wusste, war falsch.“

Ebenso wird ein Aussteiger, Brian, interviewt, der in der Zeit seines Studiums feststellte, dass die Kirche ihm da recht viel lebensfernen Murks erzählt hat. Insbesondere als einer seiner engsten Freunde sich als schwul outete, stellte der junge Mann fest, dass „alles was ich über Schwule wusste, falsch war.“ Denn, oha, Homosexualität ist wohl doch nicht genauso Sünde wie stehlen. Seine Mutter betet weiterhin für ihn, damit er nicht in die Hölle komme. Ihr Verhältnis ist seit seinem Abschied von den Evangelikalen angeschlagen.

Die „Jesus Bikers“ haben eine Mission: Sie segnen die örtlichen Geschäfte und versuchen Nichtgläubige zu bekehren. // © ZDF/Glenn Lyvonnet

Am gruseligsten aber wird es zum Schluss, als der Film uns eine paramilitärische Einheit zeigt, die für einen Heiligen Krieg trainiert, sich darauf vorbereitet ihren Glauben gegen Atheismus und Kommunismus (in deren Augen sind die ohnehin identisch) und natürlich gegen Muslime zu verteidigen. Sie trainieren mit scharfer Munition, unter anderem mit der Waffe Modell Kreuzritter. Kombiniert wird das ganze mit einem guten Barbecue.  Ganz selbstverständlich sei nichts amerikanischer als BBQ, der Glaube und Waffen. 

Der Film erläutert außerdem grob die Finanzierungsstrukturen der Kirche und der Gemeinden und die Verzweigung der verschiedenen Äste, auch inwieweit da ein Musikfestival mit rein spielt. Auf diesem geht es natürlich züchtig zu. Kollekte werden gesammelt (danach stürmt es, hoppala die Zweite) und Abtreibungsgegner sind ganz groß. Dennoch kann die Problematik nachvollziehbarerweise nur angerissen werden; ebenso spielt das Verhältnis Trump – Evangelikale, wie bereits erwähnt, nur im Hintergrund eine Rolle. Doch dieser Abriss reicht aus und mit ihren vier Schwerpunkten vermittelt die Dokumentation einen guten Überblick und lädt interessierte Zuschauer.innen ein, sich weiter in das Thema zu vertiefen.

Bibeltreue Supermacht – Evangelikale in den USA ist noch bis zum 7. August 2021 in der ZDF-Mediathek verfügbar.

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