Eine doppelte Emanzipation

In Claude McKays Roman „Banana Bottom“ ist eine junge Schwarze die Heldin, die zur selbstbewussten Frau wird und dazu das kolonialistische Denken besiegt lange vor dem Feminismus und der Bürgerrechts-Bewegung.

Von Nora Eckert

Dem Roman merkt man lange nicht an, welcher revolutionäre Zündstoff in einer fast beschaulich zu nennenden Schilderung einer Dorf- und Kleinstadtidylle auf der Karibikinsel Jamaica enthalten ist. Es ist der erste Roman des afroamerikanischen Autors Claude McKay, der jetzt mit einer Verspätung von beinahe einem Jahrhundert ins Deutsche übersetzt wurde. Erschienen ist der Roman in den USA 1933 und wurde äußerst wohlwollend in der New York Times rezensiert. McKay war zu dem Zeitpunkt literarisch längst kein Unbekannter mehr. Gelobt wurde vor allem die Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit, mit der das Leben der einfachen Menschen beschrieben wird und das ist in der Hauptsache das Leben der Schwarzen, die einst als Sklaven nach Jamaica verschleppt wurden. Seine Sprache ist unverkennbar die der Empathie mit einem Blick für die sozialen Konflikte. 

Dass der Roman jetzt bei uns veröffentlicht wurde, dürfte keineswegs so zufällig sein, wie es im ersten Moment erscheinen mag, denn das Interesse speziell an Schwarzer Literatur der 1920er und 1930er Jahre ist ja schon eine Weile zu beobachten. Der Verlag ebersbach & simon, der Banana Bottom herausgebracht hat, hat bereits einen weiteren Roman aus jener Epoche im Programm, nämlich Wallace Thurmans The Blacker the Berry. Wir erleben gerade eine bescheidene Wiederentdeckung der sogenannten Harlem Renaissance, einer bewegten Zeit in den zwei Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg und die vor allem als Ausdruck eines erwachten kulturellen Selbstbewusstseins der Schwarzen in die afroamerikanische Geschichte einging. Zu erwähnen wären hier noch die deutschen Übersetzungen von Nella Larsons Seitenwechsel und Dorothy Wests Die Hochzeit. Aber auch Ann Petry ist hier zu nennen, auch wenn sie nicht zu dem künstlerischen Kreis der Harlem Renaissance zählt (eine Besprechung von The Narrows folgt).

Doch nun zu Banana Bottom – so heißt ein Dorf in der Nähe von Jubilee Town auf Jamaica, in dem die Heldin Bita Plant aufwächst. Das 20. Jahrhundert hatte gerade begonnen. Auch für Bita sollte es schicksalhaft werden, denn sie ist gerade einmal zwölf Jahre alt, als sie von einem jungen Dorfbewohner vergewaltigt wird. Der wird zwar verurteilt und landet im Gefängnis, aber die Schmach wird Bita nicht los. Da tritt das Missionars-Ehepaar Malcolm und Priscilla Craig aus Jubilee auf, die das Mädchen zu sich nehmen und adoptieren. Sie wird die nächsten sieben Jahre in England verbringen – „am Ende würde Bita wie eine vollendete Engländerin auftreten können, abgesehen von ihrer Hautfarbe“, kalkuliert Priscilla Craig. Das Experiment gelingt, obschon schnell klar wird, dass Bita durchaus ihren eigenen Kopf hat und irgendwann durchschaut sie, dass sie eine Art „Lieblingsversuchstier“ geworden war.

Doch Bita hatte bei all der westlichen Kultur, die sie nun souverän beherrscht, nie ihre Wurzeln, ihre Kindheit vergessen: 

„Viele der jungen Einheimischen, die für eine höhere Bildung fortgegangen waren, kehrten überheblich zurück oder verachteten ihr heimisches Umfeld sogar. Bita dagegen hatte ihre reine Freude an dem einfachen Leben ihrer Kindheit, das wohl im Unterbewusstsein geschlummert hatte. Sie konnte keine Gründe nennen, warum sie so fühlte, es war nur eine große Empfindung, die sich plötzlich in ihr Bahn brach.“

Gerade der Vergleich zwischen dem dörflichen Leben und der so kultivierten Atmosphäre in der Missionsstation mit all der weißen Überheblichkeit und Dünkelhaftigkeit fördert die Skepsis in Bita, ob diese religiös geprägte Welt tatsächlich besser sei. Und so wächst allmählich der Widerstand in ihr und ein erster emanzipatorischer Schritt besteht in der selbst getroffenen Entscheidung, wen sie liebt. Auch vermisst sie die so offene Lebensfreude, die sie aus dem Dorf kennt. Man konnte aus der Community der Schwarzen ausgestoßen und auch wieder integriert werden – „die beständige Sünde und anschließende Reue war selbstverständlicher Bestandteil der einheimischen Philosophie der Lebensfreude“. Auch wenn der eine Liebhaber nicht die richtige Wahl für eine Heirat ist, so kann sie doch mit ihm Spaß haben. Am Ende findet sie allerdings den richtigen Mann. Sie verliebt sich in den Bauern und Kutscher Jubban. Sie schätzt seine freundlich-spröde Art und so wird aus Respekt schließlich die große Liebe und am Ende des Romans darf Hochzeit gefeiert werden. 

„Und er stand der intellektuellen Seite ihrer Persönlichkeit niemals im Weg, sondern akzeptierte in aller Selbstverständlichkeit, dass sie in den Dingen herausragend war, in denen sie ausgebildet war, ebenso wie er in seiner Arbeit, die er gelernt hatte.“

Die Übersetzung stammt von Heddi Feilhauer, die für die authentische, unsentimentale Sprache des Autors, diese Sprache des Wohlwollens und der Ausgewogenheit einen ebenso passenden wie einfühlsamen Ton fand. Diese Sprache ist nüchtern, eher konstatierend als reflektierend, und trotzdem lebendig und farbenreich. Es ist ja unverkennbar, wie McKay all seinen Figuren mit ihren Licht- und Schattenseiten gerecht zu werden versucht, ohne je zu moralisieren. Die Botschaft ist wie Bitas Emanzipation eine doppelte – nämlich ein Back-to-the-Roots und ein Universalismus, der an die Gleichheit der Menschen in ihrer Verschiedenheit glaubt. Bita soll hier das Schlußwort haben: „Ich bin stolz darauf, eine Schwarze zu sein, genau wie eine Weiße stolz darauf ist, weiß zu sein. Es gibt nichts Tragischeres für eine Person, als sich ständig damit zu quälen, etwas anderes sein zu wollen als ihr natürliches Ich.“

Nora Eckert ist Publizistin, im Vorstand beim Bundesverbandes Trans* e.V. und bei TransInterQueer e. V. und Teil der Queer Media Society

Claude McKay: Banana Bottom; August 2022; Aus dem Amerikanischen von Heddi Feilhauer; 320 Seiten; Hardcover mit Schutzumschlag; ISBN 978-3-86915-272-1; ebersbach & simon; 24,00 €

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