Sonne. wir kommen.
Die erste Januarwoche ist rum, es geht mir immer noch dreckig, aber immerhin habe ich die Aussicht auf Sonne, gute Luft und Meer, wenn sich diese Fliegertür in 4-Stunden-zupf wieder öffnet. Meine Ärztin hat zwei Tage vor Abflug nochmal bestätigt, dass sie das Ganze für ne megagute Idee hält und meinte, ich sollte nur bloß nicht zu viel machen, auch wenn ich mich vielleicht mal zwischendrin gut fühle. Ja, dachte ich, hat sie nicht ganz unrecht, neige ich ja zu.
Kofferpacken war auch ein Abenteuer. Oh, nicht weil wir im Winter in sommerliches Klima fliegen. Das haben wir schon mehrfach gemacht, das kennen wir. Sandalen im Januar nicht vergessen, kein Thema. Aber in diesem Zustand von Schlappheit, Aufgeregtheit und leerem Kopf vernünftig zu packen und rechtzeitig fertig zu sein – das ist eine Kunst. Schlussendlich habe ich dann doch was vergessen. Aber wie sagt man so schön: Was nicht dabei ist, muss man halt kaufen. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Bürsten wir schon auf der Welt gekauft haben.
Als wir bei süßen 18 Grad und Sonne auf La Palma landen, merke ich direkt beim Aussteigen, das Atmen geht leichter. Nicht tiefer, aber leichter. Auf zum Terminal und unsere Freunde suchen. Im November sind sie hier runtergeflogen und überwintern hier ganze 5 Monate. Die beiden können stolz auf sich sein, dass sie das nun schon seit mehreren Jahren durchziehen können. Wenn ich so bedenke, dann wäre ich auch froh, mit 73 noch so fit und agil zu sein wie die beiden. Einschränkungen haben sie, aber sie jammern nicht. Sie machen das Beste draus. Etwas, woran ich mich auch seit Oktober orientieren kann.
Durch die Autovermietung hindurch kann ich die beiden sehen. Wir winken. Das Auto gemietet und dann los. Begrüßungsstürme und eeeendlich guten Kaffee. Dann kommt auch die erste kritische Inaugenscheinnahme meiner Person.
„Na, sonderlich gesund siehste aber noch nicht aus. Da arbeiten wir hier mal dran“, sagt mir die sympathische 73-Jährige, die einen wirklich gesunden Teint hat und Lebenslust, Energie und Freude ausstrahlt. Joah, hätte ich auch gerne. Also die Energie und so.
Wir beziehen das Ferienhaus und sind zu einem wunderbaren Abendessen bei den beiden eingeladen. Im Sonnenuntergang sitzen wir auf einer warmen Terrasse und lassen uns ein wirklich köstliches Abendessen munden. Dazu ein gutes Glas Wein von La Palma, ein Traum. Nur leider muss ich irgendwann relativ früh den Abend beenden. Ich bin DURCH. Ich brauche jetzt nur noch ein Bett und das nach Möglichkeit schnell. Angesichts der großen Anstrengungen des Reisetages verabreden wir uns erst für übermorgen. Besser is!
Den nächsten Tag kann ich nur schemenhaft erinnern. Ja, wir haben lange geschlafen, gut gefrühstückt und sind dann doch noch Richtung Strand. Wir haben im strahlenden Sonnenschein die Füße im Meer gehabt. Und während so der Wind über mein Gesicht streicht und das Wasser über meine Füße perlt, frage ich mich, ob ich es wagen soll. Ich tu’s einfach. Ich atme ganz tief ein und laaaangsam wieder aus. Oh, wie schön. Nicht überstrapazieren. Einmal reicht. Mein Mann hat‘s gesehen und hält tatsächlich die Luft an. Na, verdenken kann ich’s ihm nicht. Aber ist ja alles gut gegangen.
Am nächsten Tag treffen wir uns dann wieder (wohlgemerkt mit zwei rüstigen 73-Jährigen), um ganz entspannt an einem Wasserlauf entlangzuspazieren. Einmal quer über den Hang läuft der Wasserlauf, knapp 3,5 km kann man ihm folgen. Mit — wie sie sagen — spektakulären Ausblicken. Wir haben sonst heute nichts vor, also können wir uns Zeit lassen. Anderthalb Stunden, wirklich atemberaubende Blicke über das Tal und den neuen Vulkan und 3,5 km später sitze ich — nicht ganz unangestrengt — auf einer Leitplanke und trinke, trinke, trinke. Nach knapp 15 Minuten geht’s wieder.
Als wir eine knappe halbe Stunde Pause gemacht haben, erreicht mich das Räuspern meines Gatten. Die rüstigen Rentner werden unruhig, man möchte langsam zurück. Verständlich. Ich muss mir also kurz Gedanken machen. Lasse ich die drei jetzt laufen und warte knapp anderthalb Stunden (ohne mich können sie ja schneller gehen), dass sie mich abholen? Oder traue ich mir zu, mit ihnen zurückzugehen. Ja, es ist schon erstaunlich, worüber man sich da so seine Gedanken machen muss.
Ich wage es und gehe mit zurück. Gegen Ende gebe ich ihnen zu verstehen, dass sie schon einmal vorgehen sollten. „Ja geht nur. Lasst mich zurück, es ist die Mission, die zählt. Bringt es zu Ende… Und vergesst nicht, wer den Autoschlüssel hat.“ (Das war nämlich ich, grins.)
Am Ende habe ich es geschafft und bin wirklich stolz auf mich. Den nächsten Tag erwähnen wir einfach nicht, denn am Tag danach geht’s mir ja auch wieder normal. Ja, von gut bin ich noch lange weg, aber ich habe etwas, was ich allzu lang vermisst habe.
Ein Leben.
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