Charmant slashen in Göteborg

„Same procedure as every year.“ – Der wohl berühmteste britische Satz aus Deutschland trifft hier und anderswo nicht nur auf das legendäre Dinner for One zu, sondern auch auf die Zeit um Halloween. An diesem quasi höchsten aller Feiertage für Horror-Fans und solche, die es werden wollen, ringen Jahr um Jahr diverse Filme und Serien, manch eine Buchveröffentlichung und seit geraumer Zeit auch Podcasts um die Aufmerksamkeit der Massen. Und ihr Geld, duh.

Kuschel- vs. Achterbahnhorror

In der hiesigen Kinolandschaft sind das in diesem Jahr zwei Filme: Der amerikanische Cuddle-Horror Five Nights at Freddy‘s u. a. mit Josh Hutcherson (Die Tribute von Panem und immer engagiert für die Rechte queerer Menschen), Elizabeth Lail (You – Du wirst mich lieben, Gossip Girl) und Matthew Lillard (Scream) sowie der schwedische Teenie-Slasher Halloween Park, der im Original den zu dieser und jeder Zeit weniger verlockenden Titel Karussel trägt.

Noch genießt die Gruppe um Dante (l., Omar Rudberg) und Jenny (l., Amanda Lindh) ausgelassen ihre Nacht im verlassenen Freizeitpark // © 2023 Bright Moving Pictures Sweden AB

Um eben diesen schwedischen Horrorfilm von Simon Sandquist, der mit The Invisible vor zwanzig Jahren ein enorm atmosphärisches Gruseldrama vorgelegt hat (natürlich gibt es auch ein amerikanisches Remake) und sich auch sonst im Horror- und Gruselgenre sicher zu bewegen weiß, soll es in den folgenden Zeilen gehen. Das merken wir dem von Agnes Rignell fein abgefilmten Halloween Park auch an. Was nicht immer nur gut sein muss…

Gar nicht so allein, allein

Zunächst einmal aber zur Handlung: Fiona (Wilma Lidén) arbeitet im Vergnügungspark Liseberg in Göteborg und wird an Halloween quasi dazu verdonnert, die Gewinner*innen eines VIP-Tickets in einer exklusiven Sneak-Peek-Veranstaltung nachts durch den Park zu begleiten, derweil die Glücklichen ohne anzustehen alle beleuchteten Fahrgeräte und Attraktionen nutzen dürfen.

Der Horror nimmt Gestalt an und der heitere Freizeitspaß wird zu einem Wettlauf gegen den Tod // © 2023 Bright Moving Pictures Sweden AB

Bei Ankunft stellt Fiona fest, dass es sich bei der Gruppe um ihre ehemaligen Schulfreund*innen Sebbe (Emil Algpeus), William (Ludvig Deltin), Tora (Embla Ingelman-Sundberg), Jenny (Amanda Lindh, Feed, Cryptid – sehr feine Mystery-Serie, derzeit noch in der ZDF-Mediathek verfügbar) und Dante (Omar Rudberg, Young Royals) handelt. Die Freundschaft ist seit einem Vorfall vor einem Jahr passé – doch will sich davon niemand die vermeintlich traumhafte Nacht verderben lassen.

Fiona (l., Wilma Lidén) und Dante (r., Omar Rudberg) müssen mit allen Mitteln um ihr Überleben kämpfen // © 2023 Bright Moving Pictures Sweden AB

Schnell allerdings stellt die Gruppe fest, dass sie nicht allein im Park ist. Während in der Nacht alte Sünden an die Oberfläche kommen und sie sich nach und nach in einen Albtraum verwandelt, geht es vor allem um eines: ums Überleben. Und das auch noch ohne Smartphones! Die mussten sie nämlich anfangs abgeben und der Beutel, nun, der ist natürlich plötzlich verschwunden… Buh!

Die Mischung macht‘s

So weit, so bekannt. Das ist eine recht gänige Slasher-Prämisse: Eine Gruppe (Teens) irgendwo einsam, abgeschottet, kein Mensch, der helfen kann, kein Netz oder mobiles Endgerät, jeder Ausweg versperrt, etc. pp. Mensch kennt das. Am Ende geht es bei derlei Filmen im Grunde nie darum das Rad neu zu erfinden (wenn etwa auch Filme wie The Cabin in the Woods oder die Terrifier-Reihe dem Genre einen neuen Spin oder großen Haufen Abstrusität geben), sondern zu unterhalten, mt einer verlockenden Besetzung aufzuwarten und die Figurenzahl auf kreative und bestenfalls nicht allzu dümmliche Weise zu dezimieren.

Können den Alptraum nicht fassen – Jenny (l., Amanda Lindh) und Parkmanagerin Fiona (r., Wilma Lidén) // © 2023 Bright Moving Pictures Sweden AB

Unterhaltsam ist der von Marten Gisby, Filip Hammarström und Henry Stenberg geschriebene Halloween Park in jedem Fall, stimmungsvoll dazu, nicht zuletzt auch dank des Scores von Christian Sandquist. Das mit der Besetzung klappt auch: Amanda Lindh darf beinahe als Schwedens up-and-coming Scream Queen bezeichnet werden, die charismatische Wilma Lidén trägt den Film über weite Strecken souverän und Omar Rudberg zieht natürlich Young Royal-Fans und die LSBTIQ*-Community, wobei Überschneidungen garantiert sind.

Puppetbuh, das Parkgespenst

Kommen wir zum kreativen Abmurksen und der Dümmlichkeit. Letztere hält sich in Grenzen, wenn es natürlich dennoch ein, zwei Momente gibt, in denen wir uns fragen können: Ähm… uhm… äähhh.. häää?! Wenn beispielsweise die Polis (Ack – Svensk!) kommt, weil angeblich ein Mörder in Liseberg sein Unwesen treibt, einmal mit der Taschenlampe durch nen Zaun leuchtet und wieder wegfährt. Oder wenn die Noch-Überlebenden der Gruppe vor dem möglichen Killer über ihre Fluchtroute sprechen. Sei‘s drum – wir haben Dümmeres gesehen, was in manchen Möchtegern-Slashern den Horror erst ausmachte.

Oj, hej du! // © 2023 Bright Moving Pictures Sweden AB

Und wie einfallsreich wird nun gemeuchelt? Geht so, sach ich ma. Durchaus nicht vollends fantasielos, ebensowenig unblutig und manches Mal gar mit einem herzlichen Augenzwinkern (also nicht beim Killer, der trägt eine creepy Puppenmaske). Wenn wir jedoch bedenken, dass der Schauplatz des Films der real existierende, üppige Vergnügungspark Liseberg ist – der in diesem Jahr 100-Jähriges feiert (weswegen wohl auch manche Attraktionen wie die 47 Meter hohe Achterbahn Valkyria oder The Balder sehr effektiv in Szene gesetzt werden) – dann nimmt es sich an mancher Stelle gar zurückhaltend aus, wie das Puppengesicht hier vorgeht.

Charmanter Slasher?!

Zwar nicht dröge, aber ein großes Karussel mördericher Schöpfenskraft ist es eben auch nicht. Der erste Kill ist recht witzig angesetzt und kommt vergleichsweise überraschend (wenn auch nicht gemessen an der Laufzeit, es wurde Zeit) und dann geht‘s eben nach und nach weiter. Wer hinter der Maske steckt, mag für Horror-Aficionados in etwa so überraschend sein wie Werbung im Briefkasten trotz des „KEINE WERBUNG“-Stickers. Aber um‘s Whodunnit geht es auch nur bedingt und es funktionierte irgendwie ohnehin nur so recht in manchen der Scream-Filme, beim sexy Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast schon weniger und in Düstere Legenden ging es ohnehin eher um Trauma denn um die Frage, wer tötet.

Insofern glänzt Halloween Park vor allem in puncto Optik und Schauspiel, auch das Drehbuch ist erstaunlich bodenständig für einen Slasher und die Regie überzeugt durch Routine so wie die Kamera durch manch eine schöne Einstellung. Es vergibt sich also keine*r was mit einem Kinobesuch. Wenn Halloween Park das (Riesen-)Rad weder neu erfindet noch ihm eine dringend benötitgte neue Speiche oder Kabine hinzufügt, charmant ist er allemal.

AS

PS: Apropos Serie: Auf Netflix gibt es seit kurzem Der Untergang des Hauses Usher von Mike Flanagan; in der ZDF-Mediathek die deutsche Horror-Mystery-Serie Was wir fürchten und in der ARD-Mediathek ist bis zum 25. November 2023 der Horrorfilm I See You – Das Böse ist näher als du denkst in deutscher und englischer Sprache verfügbar (Serie und Film jeweils mit Altersverifikation). Rezensionen folgen.

PPS: Omar Rudberg hat wie mit „Simon‘s Song“ für Young Royals auch zu Halloween Park einen Song beigesteuert. Heißt „Coast Side“, hat einen leichten Troye-Sivan-Einschlag und ist natürlich in unserer QUEER SOUNDS-Spotify-Playlist zu finden.

Halloween Park ist seit dem 26. Oktober 2023 im Kino zu sehen.

Halloween Park; Schweden 2023; Regie: Simon Sandquist; Drehbuch: Marten Gisby, Filip Hammarström, Henry Stenberg; Bildgestaltung: Andres Rignell; Musik: Christian Sandquist; Darsteller*innen: Wilma Lidén, Amanda Lindh, Omar Rudberg, Emil Algpeus, Ludvig Deltin, Embla Ingelman-Sundberg, Michael Brolin, Thomas Hedengran, u. a.; FSK: 16; Laufzeit: ca. 90 Minuten; im Verleih von splendid film

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